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Hallo liebe Forumsgemeinde,

ich brauche mal ein paar Tipps. Und zwar war ich im Juni ein paar Wochen in einer psychosomrtischen Klinik.
Es wurde viel hochgeholt, bzw kam hoch. Das will nun bearbeitet werden .
Nun frage ich mich, ist es normal oder keine Seltenheit dass es nach solchen Aufenthalten erst etwas nahc unten geht ?
Eben weil so viel zu bearbeiten ist oder werden will ?
Und was versteht Ihr eigentlich unter bearbeiten ?
Oder wie soll man es verstehen ?
Das ist mir manchmal ein Rätsel, gibt es da ein richtig oder falsch ?

Freue mich auf etwas Austausch !

Viele liebe Grüße an Alle ! Fühlt euch gedrückt

02.07.2023 09:54 • 02.07.2023 x 1 #1


7 Antworten ↓


Natürlich. Du musst die Reihenfolge beachten:

Es gibt einen Grund, warum man psychisch destabilisiert wurde.

Dieser Grund ist natürlich nicht sofort greifbar und dementsprechend sucht man. Jeder Mensch baut sich sein Konstrukt zusammen, damit das Leben lebenswert wird. Jetzt ist das Konstrukt brüchig und dementsprechend schlecht fühlt man sich.

Zusätzlich hat man noch keine anderen Sichtweisen erfahren dürfen, die alles leichter machen, deshalb, ja erstmals wird es schlechter.

Zitat von Muskelbiber:
gibt es da ein richtig oder falsch ?


Nein, gibt es nicht, aber auch das muss man verstehen lernen.

Letztendlich startest du zu einer Reise zu dir selbst und wirst dich annehmen lernen. Es gibt kein Richtig oder Falsch, es gibt nur dich und das, was du daraus machst.

A


Zustand schlechter nach psychosomatischer Klinik

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Hallo Muskelbiber, willkommen zurück .

nach meiner Erfahrung ist die Zeit unmittelbar nach einem Klinikaufenthalt stets sehr herausfordernd. Das hat mehrere Gründe:

1. In der Klinik zählte nur die Therapie. Du warst quasi auf Urlaub - und hast dort gemeinsam mit Anderen an Dir geistig gearbeitet. Die Alltagssorgen waren weitestgehend eingefroren und wurden ggfs. analysiert.

2. Das Gelernte muss sich jetzt erst mal setzen und die Schlussfolgerungen die Du aus dem Gelernten zogst, bedürfen nun der realen und praktischen Umsetzung.

3. Sowohl der Patient als auch sein Umfeld ist evtl. der Ansicht, man kommt gesund wieder heim und funktioniert wieder so wie vorher. Doch dem ist nicht so und sollte auch nicht so sein (siehe Punkt 2).

4. Je nach Beschwerdebild und Diagnose bedarf es einer weiteren therapeutischen Begleitung. Wenn diese nicht absehbar vorhanden ist, kann es zu einer mitunter Angst erzeugenden Hängepartie kommen.

5. Das soziale Umfeld ist ggfs. nicht vertraut mit dem Gelernten des Patienten. Die Annahme und Integration der notwendigen Veränderungen seitens des Umfelds stellen oft einen Konflikt dar.

6. Das Pensum an Arbeit und Verantwortung in Familie und Beruf wirkt - wie bei den meisten längeren Abwesenheiten als z. T. überwältigend.

7. Hochgeholte Themen stellen erstmal einen zusätzlichen Erlebenshorizont dar, der sich erst auch in den Alltagshorizont integrieren muss. Das dauert seine Zeit.

Zitat von Muskelbiber:
Und was versteht Ihr eigentlich unter bearbeiten?
Oder wie soll man es verstehen?

Ich verstehe darunter die Bearbeitung der o. g. Punkte 2, 4, 5 und v. a. 7.

Zitat von Muskelbiber:
Das ist mir manchmal ein Rätsel, gibt es da ein richtig oder falsch?

Eigentlich nicht. Es gibt eher ein passend oder unpassend. Jeder Mensch und jedes Beschwerdebild sind letztendlich einmalig und unsere Bemühungen werden in den seltensten Fällen auf Anhieb die Ideallinie finden. Das sollte man auch so akzeptieren. Geduld, Weitsicht, Planung, Etappendenken, Rekapitulation des Erreichten, Gespräche, Geistesarbeit etc. sind alles Disziplinen, die viele von uns erst mal (bzw. zum ersten Mal!) entwickeln und v. a. auch beibehalten müssen.

Arbeit in diesem (therapeutischen) Sinne ist letztendlich jeder bewusste(!) Augenblick. Wir arbeiten an unserem Erleben, an unserer Wahrnehmung, an unserer Reaktion auf Erlebtes, auf Sinneseindrücke und in der Folge an nichts Geringerem als an unserem Bewusstsein.
Das hat in Summe weniger mit Malochen zu tun als mit Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit. Das Erkennen von Ursache(n) und Wirkunge(n) im Kleinen wie im Großen Ganzen - und ggfs. sogar noch drüber hinaus, wenn man die spirituelle Komponente mitdenkt.

Da kann ich nur für mich sprechen und da kam immer dieses „postklinische Loch“ bei mir. Scheint mir aber normal zu sein, denn es bricht ja erstmal eine gewisse Struktur weg, an die ich mich gewöhnt hatte. Gesprächspartner sind plötzlich nicht mehr greifbar und nun beginnt die Aufarbeitung des erlebten, der aufgekommenen Fragen, welche unbeantwortet blieben und ein gewisser Verlust von positiven Verstärkern (um negative tat es mir hingegen nie leid, denn manche Menschen dort, brauchte es einfach nicht in meinem Leben) und ein Gefühl, jetzt mit all dem etwas vernünftiges anzufangen. Letzteres würde ich „Bearbeiten“ nennen. Wäre ja auch ziemlich sinnlos, wieder in den Zustand von vorher zu kommen, nur weil es jetzt „Arbeit“ ist, Dinge umzusetzen. Was es zu bearbeiten gilt, ist natürlich individuell zu betrachten. Das war bei mir manchmal die Suche nach einer ambulanten Therapie oder das eine oder andere, was es mit Institutionen zu klären gäbe.

Ansonsten ist es bei mir halt immer der Erkenntnisgewinn gewesen, zu dem es auch manchmal ein paar Tage Abstand brauchte, der mir zeigte woran ich arbeiten sollte. Richtig oder Falsch gibt es sicher, es ist aber eine subjektive Bewertung und würde sich anhand von Konsequenzen sicher irgendwann irgendwie zeigen. Wie bei allem was ich tue. Außerdem ist es ja auch eine Art der Bearbeitung, etwas einfach zu akzeptieren und eben nicht zu bearbeiten, wenn da kein tatsächlich nachhaltiger Nutzen dabei heraus kommt.

Vielen lieben Dank für eure tollen Antworten !
Dann kann ich das schon etwas besser einschätzen und nimmt mir auch die Angst ...
Ich war nämlich der Ansicht das alles so wie vorher, bzw besser ist ...
Wenn ich nur einfach mal Geduld hätte

Hallo, ich kann dieses Tief nach der Klinik auch sehr gut nachvollziehen. Kam bei mir auch immer, sogar dann wenn der Klinikaufenthalt für mich nicht zielführend war und ich sehr gerne wieder nach Hause gefahren bin...

Wie hier ja schon dargestellt, sind das sehr viele Faktoren, die da zusammen kommen. Hast Du denn Ansprechpartner (Therapeuten/Ärzte) die mit dir zusammen so eine kleine Aufarbeitung der Themen bzw des gesamten Geschehen angehen können ? Erstmal einfach erzählen von allem. Mir hat das sehr geholfen. Ich fand es auch hilfreich, nicht wieder sofort in den prallen Alltag quasi zu springen, sondern ganz langsam anzufangen, erstmal Zuhause ankommen, dann ggf. später erst Freunde etc. Aber da ist sicher auch jeder anders.

Gib Dir auf jeden Fall Zeit, um wieder anzukommen.. ich drücke dir die Daumen !

LG Zita

Aber wenn ich alles nochmal durch lese, scheint es mir nur logisch.
Ich bin da meinem eigenen Schwindel aufgesessen ...

Und desto länger der Tag geht , desto klarer wird mir das alles !
Nochmal herzlichen Dank für den Augenöffner !





Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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