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Hallo miteinander,

für meine Sucht-Selbsthilfegruppe arbeite ich gerade an einer kleinen Abhandlung über die 11 Wirkfaktoren der Gruppenpsychotherapie nach Irvin D. Yalom, die mich schon seit einiger Zeit faszinieren. Eventuell ist das für den ein oder anderen hier im Forum hilfreich. Zum Teil gelten die Wirkmechanismen ja auch ein wenig für unser Forum.

Die 11 Wirkfaktoren der Gruppentherapie nach Irvin D. Yalom

1. Hoffnung einflößen
2. Universalität des Leidens
3. Mitteilung von Informationen
4. Altruismus
5. Die korrigierende Rekapitulation der primären Kernfamilie
6. Die Entwicklung von Techniken des mitmenschlichen Umgangs
7. Nachahmendes Verhalten
8. Interpersonales Lernen
- 8.1. Bedeutung interpersonaler Beziehungen
- 8.2. Die korrigierende emotionale Erfahrung
- 8.3. Die Gruppe als sozialer Mikrokosmos
9. Gruppenkohäsion
10. Katharsis
11. Existenzielle Faktoren

Die Faktoren 1 - 7 gelten m. E. nahezu vollumfänglich auch für Selbsthilfegruppen und werden deshalb im folgenden Beitrag kurz beschrieben.

Die Faktoren 8 - 11 kann man schon eher als speziell für professionell geleitete Therapiegruppen gelten lassen. Sie sind deutlich umfangreicher und werden deshalb später in einzelnen Kapiteln behandelt.

Ich wäre dankbar, wenn bis zur vollständigen Beschreibung noch keine Fragen oder Kommentare hier im Thema gepostet würden um diese Einführung übersichtlich zu halten. Bei Interesse kann dann im Anschluss an Faktor 11 eine Diskussion beginnen. Merci!

24.04.2023 09:30 • 18.08.2023 x 1 #1


34 Antworten ↓


1. Hoffnung einflößen

Je höher die Erwartung an eine Gruppentherapie umso positiver die Ergebnisse. Die Gruppe muss ihrerseits Vertrauenswürdigkeit signalisieren um in neuen Mitgliedern Hoffnung und Glauben an eine Lebensverbesserung zu erzeugen.
Das Miterleben von Fortschritten anderer Mitglieder kann äußerst motivierend sein. Oft sind Mitbetroffene „vertrauenswürdiger“ als professionelle Therapeuten, die mitunter selber nie vergleichbare Probleme hatten.


2. Universalität des Leidens

Je tiefer sich ein Betroffener in seine Probleme und Abhängigkeiten verstrickt, umso isolierter und „einzigartiger“ (im negativen Sinne) fühlt er sich. Im Alltag erfahren sie idR nichts von den Problemen anderer noch können sie sich anderen mitteilen. Besonders zu Beginn der Gruppenarbeit bedeutet das Kennenlernen der durchaus vergleichbaren Problematiken der Mitbetroffenen eine enorme Erleichterung.
Vergleichsgruppen-Versuche ergaben übrigens, dass sich die Kernprobleme von „Patienten“ und „Nicht-Patienten“ weitestgehend gleichen.


3. Mitteilung von Informationen

Hierunter fallen sowohl universell-praktische Inhalte wie z. B. Psychodynamik, Entwicklung von Abhängigkeiten, generelle psychosoziale und biochemische Zusammenhänge als auch direkte persönliche Ratschläge von Mitgliedern.
Interessant hierbei: obwohl Ratschläge sehr oft inhaltlich nicht sofort angenommen werden können, erleben sowohl Ratgebender als auch Ratnehmender im Vorgang an sich einen starken Verbindungsaufbau. Viele Menschen erleben in der Gruppe zum ersten Mal in ihrem Leben dass ihnen jemand wirklich zuhört und glaubt Lösungsansätze liefern zu können.
Die Ratgebenden erleben ihrerseits, sich mit Problemen anderer ernsthaft zu konfrontieren. Die Suche nach Lösungen hilft auch ihnen selbst aufgrund ihrer Distanz zum konkreten Fall. Insofern unterstützen sich beide gegenseitig hinsichtlich ihrer eigenen Problemkompetenz.


4. Altruismus

In Therapie- und SH-Gruppen empfangen die Mitglieder etwas, indem sie etwas hergeben, nicht nur als Teil des wechselseitigen Gebens und Nehmens, sondern auch durch die Handlung des Gebens als solche. Neue Mitglieder erleben ziemlich schnell und unmittelbar, dass sie Wertvolles zu geben haben. Bald erkennen sie, dass sie im Endeffekt nie eine Last für ihr Umfeld waren sondern dass diese Bewertung nur abhängig von der etablierten passiven Weltsicht ist.

Die beste Methode, einem Menschen zu helfen, ist, sich von ihm helfen zu lassen.
Clinton T. Duffy, Leiter und Reformer des San Quentin Gefängnisses (1940-1951)


5. Die korrigierende Rekapitulation der primären Kernfamilie

Die meisten Betroffenen haben höchst unbefriedigende Erfahrungen in ihrer ersten und wichtigsten Gruppe gemacht: der primären Familie (Eltern, Großeltern, Geschwister, Verwandte). Die Therapie- bzw. SH-Gruppe stellt in vielerlei Hinsicht eine „Vergleichsfamilie“ dar. Jung und Alt, Mann und Frau, Dominanz und Fügung – sämtliche Musterentwicklungen können im regelmäßigen Dialog objektiver erkannt, nachvollzogen und ggfs. korrigiert werden.


6. Die Entwicklung von Techniken des mitmenschlichen Umgangs

„Soziales Lernen“ findet durch den regelmäßigen Gruppendialog sozusagen indirekt statt. Man erkennt die Eigenarten anderer und wird nach und nach mit den eigenen Gewohnheiten konfrontiert. Man lernt, welche Verhaltensweisen eher beziehungsfördernd sind und welche sie eher untergraben.
Es ist für die Entwicklung aller Mitglieder wesentlich, auch Dinge offen zur Sprache bringen zu dürfen, die ihnen am Verhalten der anderen Mitglieder in irgendeiner Weise zuwider läuft.
Häufig erwerben langjährige Mitglieder höchst differenzierte soziale Fähigkeiten: sie haben gelernt, hilfreich auf andere einzugehen; sie haben sich auf einen Durcharbeitungsprozess eingestellt; Konfliktlösungen werden als eher komplexer und längerwieriger Prozess akzeptiert; Schnellschüsse und –urteile werden unterlassen; Ausdrucksweisen sind angemessen und wohlüberlegt. All dies dient dem generellen mitmenschlichen Umgang.


7. Nachahmendes Verhalten

Jedes Mitglied hat eine Modell-Funktion und ahmt mitunter unbewusst auch die Verhaltensweisen anderer nach. Im Verbund mit den anderen genannten Wirkfaktoren greift die Neigung zur Nachahmung positiver „Vorbilder“ in gewisser Weise auf der Gefühls- statt auf der Intellektebene.

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Wirkfaktoren der Gruppentherapie nach Irvin D Yalom

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8. Interpersonales Lernen

8.1. Bedeutung interpersonaler Beziehungen

So wie das Überleben eines Neugeborenen vollumfänglich von elterlicher Zuwendung und Fürsorge abhängig ist, bildet sich auch unsere Persönlichkeit zeitlebens durch Beziehungen zu für uns wichtigen Menschen. Sehr früh beginnt sich Selbst- und Weltwahrnehmung am Verhalten dieser Menschen uns gegenüber zu orientieren und zu bewerten. Entsprechend leiten sich hiervon wiederum unsere Verhaltensweisen ab. Das, was wir als unser „Selbst“ begreifen, besteht im Grunde nahezu ausschließlich aus unseren Beziehungen zu anderen und unbewusst gespeicherten Bewertungen.

Bei unreflektierter Übertragung dieser ursprünglichen Beziehungsmuster auf sämtliche oder zumindest vermeintlich „ähnliche“ Kontakte entwickeln sich zwangsläufig Konfliktfelder. Viele angesehene Therapeuten gehen davon aus, dass fast alle psychischen Auffälligkeiten auf diesen so genannten „parataktischen Verzerrungen“ beruhen.

Diese Verzerrungen haben die Tendenz, sich selbst zu verewigen. Z. B. kann ein Mensch mit einem beschädigten, erniedrigten Selbstbild durch selektive Aufmerksamkeit oder Projektion seine Wahrnehmung eines anderen so verzerren, dass er ihn fälschlich als hart und ablehnend wahrnimmt. Außerdem verstärkt der Prozess sich selbst, denn der Betreffende kann allmählich Eigentümlichkeiten und Verhaltenszüge entwickeln – z. B. Unterwürfigkeit, abwertende Feindseligkeit oder Herablassung – die schließlich dazu führen, dass andere sich ihm gegenüber in der Realität so verhalten, wie er es erwartet hat, nämlich hart und zurückweisend.

Nicht selten verändert ein Gruppenmitglied Verzerrungen, nachdem es Beispiele für die Sichtweisen anderer Mitglieder von einem bedeutsamen Ereignis kennengelernt hat. Man erlangt in dem Maß geistig-seelische Gesundheit, in dem man sich seiner eigenen interpersonalen Beziehungen bewusst wird. Oft wird dadurch im Laufe der Gruppenarbeit das ursprünglich beim Mitglied adressierte Therapieziel (z. B. die Behebung von Ängsten) durch die Absicht ersetzt, besser kommunizieren zu können: vertrauensvoller, ehrlicher, liebevoller.

Zuerst muss also das „Symptom“ (Depression, Ängste, Zwänge) ins Interpersonale übersetzt und dort „behandelt“ werden. Viele Menschen lernen erst im Zuge einer Gruppentherapie, wie wohltuend und erhellend es ist, wirklich miteinander zu reden.


8.2. Die korrigierende emotionale Erfahrung

Das hinter diesem Begriff stehende therapeutische Grundprinzip lautet: Die Betroffenen unter günstigeren Umständen emotionalen Erfahrungen auszusetzen, mit denen sie in der Vergangenheit nicht fertig geworden sind. Die intellektuelle Einsicht reicht nicht aus; es muss sowohl eine emotionale Komponente als auch eine systematische Realitätsprüfung vorhanden sein. Hierbei entdeckt der Betroffene, dass seine interpersonalen Reaktionen unangemessen sind.

Wichtig hierbei: Die Mitglieder müssen die Gruppe als genügend sichernd und unterstützend erleben, dass die erlebten Spannungen offen ausgedrückt werden können. Außerdem bedarf es genügend Engagement und ehrliches Feedback, um eine wirksame Realitätsprüfung zu ermöglichen.

Diese „Schlüsselsituationen“ gestalten sich meist so:

a) Der Betroffene äußert einen starken negativen oder positiven Affekt.
b) Die Äußerung (!) stellt für ihn ein einzigartiges oder neuartiges Erlebnis dar.
c) Stets hatte sich der Betroffene vor derlei Äußerungen gefürchtet bzw. vor deren Folgen.
d) In der folgenden Realitätsprüfung wird dem Betroffenen entweder klar, dass die Emotion, die er geäußert hat, in ihrer Stärke oder Richtung unangemessen war, oder dass sein früheres Vermeiden der Affektäußerung irrational gewesen war.
e) Der Betroffene wird fähig, freier zu interagieren und seine interpersonalen Beziehungen tiefer zu untersuchen.

Die Gruppenmitglieder müssen einander so spontan und ehrlich wie möglich erleben und sie müssen dieses Erleben auch reflektieren!


8.3. Die Gruppe als sozialer Mikrokosmos

Alle Gruppenmitglieder werden, wenn man ihnen genug Zeit lässt, anfangen, sie selbst zu sein. Sie werden mit den Gruppenmitgliedern so interagieren, wie sie mit anderen in ihrer sozialen Umgebung interagieren. Mit der Zeit beginnen die Mitglieder unwillkürlich und unvermeidbar, in der Therapiegruppe ihr unangepasstes interpersonales Verhalten zu zeigen. Normalerweise wird die Gruppe sich zuerst mit jenen Mitgliedern auseinanderzusetzen, deren Verhalten interpersonal am deutlichsten zum Ausdruck kommt.

Manche Verhaltensstile werden durch eine einzige Interaktion kristallklar, andere durch eine einzige Gruppenzusammenkunft, wieder andere muss man monatelang beobachten, um sie zu verstehen.

Wenn die Gruppe so durchgeführt wird, dass sich die Mitglieder ohne Scheu und unbefangen benehmen können, werden sie in der Gruppe ihre Probleme ganz deutlich reproduzieren und zeigen, worin sie bestehen.

Nicht selten reagieren Mitglieder einer Gruppe auf dieselben Reize sehr unterschiedlich. Ein gewöhnlicher Vorfall kann acht verschiedene Reaktionen hervorrufen; es existieren - für jeden offensichtlich - acht verschiedene innere Welten! Schließlich ist das Ziel der Therapie, den Patienten zu helfen, ihre inneren Welten zu verstehen und zu verändern. Die Analyse dieser unterschiedlichen Reaktionen ist also ein Königsweg zur inneren Welt des Gruppenmitglieds.

Die Gruppe kann tatsächlich sehr viel wirklicher sein als die Welt da draußen. Sie gewinnen miteinander wesentlichere Lebenserfahrungen, da die realitätsverzerrenden Fassaden nach und nach abgelegt werden. In psychischer Hinsicht verbringen Gruppenmitglieder sehr viel mehr Zeit miteinander als die ein oder zwei Sitzungen pro Woche.

Zusammenfassung:

In logischer Folge miteinander verbunden, werden die Mechanismen des interpersonalen Lernens deutlicher:

I. Der Patient lernt, wie er unverzerrte befriedigende interpersonale Beziehungen entwickeln kann.

II. Die Psychotherapiegruppe entwickelt sich zu einem sozialen Mikrokosmos, zu einer verkleinerten Darstellung des sozialen Universums jedes Patienten.

III. Die Gruppenmitglieder werden sich durch Feedback von anderen und Selbstbeobachtung signifikanter Aspekte ihres interpersonalen Verhaltens bewusst: ihrer Stärken, ihrer Begrenzungen, ihrer interpersonalen Verzerrungen und ihres unangepassten Verhaltens. Meist hat der Patient im bisherigen Leben nie gelernt, zwischen unannehmbaren Aspekten seines Verhaltens und dem Bild seiner selbst als unannehmbarer Person zu unterscheiden! Die Therapiegruppe, in der das genaue Feedback gefördert wird, ermöglicht eine solche Unterscheidung.

IV. Regulärer interpersonaler Sequenzablauf:

a) Die Krankheit tritt zutage: Das Gruppenmitglied stellt sein Verhalten zur Schau.
b) Durch Feedback und Selbstbeobachtung:
- wird der Patient zu einem besseren Beobachter des eigenen Verhaltens
- lernt er die Wirkung dieses Verhaltens auf die Meinung die andere von ihm haben und die Meinung, die er von sich selber hat, richtig einzuschätzen.

V. Der Patient erahnt nach und nach seine persönliche Verantwortung: Jeder ist der Schöpfer seiner eigenen interpersonalen Welt.

VI. Durch diese Einsicht, erkennt er seine Macht, seine sozialen Beziehungen zu verändern.

VII. Je realer und je stärker emotional geladen ein Erlebnis innerhalb des Gruppenprozesses ist, desto stärker ist seine Wirkung. Je distanzierter und intellektualisierter es ist, desto weniger wirksam ist das Lernen.

VIII. Mit der Zeit riskiert der Patient aufgrund seiner Einsichten neue Arten des interpersonalen Verhaltens. Wie stark dies wirklich zu einer wesentlichen Veränderung führt, hängt ab von seiner Motivation (zur Veränderung), seiner Anteilnahme an der Gruppe und der etablierten Starrheit seiner Charakterstruktur.

IX. Wenn eine Veränderung eintritt, begreift der Patient, dass seine Furcht vor irgendeiner Katastrophe, die mit seinem bisherigen Verhalten verhindert werden sollte, irrational war.

X. Wechselseitige Wirkung: Einerseits wird in der Gruppe das in der Außenwelt übliche Verhalten sichtbar, andererseits wird das in der Gruppe gelernte Verhalten in die soziale Umwelt des Patienten übertragen.

XI. Es kommt eine Anpassungsspirale in Gang: zuerst innerhalb, dann außerhalb der Gruppe. Die Verzerrungen nehmen ab, die Fähigkeit, lohnende Beziehungen einzugehen, nimmt zu. Die sozialen Ängste nehmen ab, die Selbstachtung steigt. Das Bedürfnis, sich nicht zu zeigen, schwindet. Andere reagieren positiv auf dieses Verhalten und zeigen dem Patienten immer deutlicher, dass sie ihn billigen und annehmen. Das steigert die Selbstachtung noch mehr und ermutigt ihn zu weiteren Veränderungen. Diese Anpassungsspirale entwickelt idealerweise eine stabile Autonomie, sodass keine weitere Therapie mehr nötig ist.

Es kommt bei den Patienten außerdem zu wesentlichen und äußerst wirksamen Einsichten:

I. Sie bekommen ein objektiveres Bild ihrer interpersonalen Darstellung.

II. Sie gewinnen eine gewisse Einsicht in ihre komplexeren interaktionalen Verhaltensmuster.

III. Motivationseinsicht: Sie lernen zu verstehen, warum sie tun, was sie mit anderen Menschen tun oder ihnen antun.

IV. Eigengeschichtliche Einsicht: Sie verstehen nach und nach, warum sie so und nicht anders geworden sind. Die Genese von Erlebens- und Verhaltensmuster wird erkennbar.

9. Gruppenkohäsion

Gruppenkohäsion wird definiert als die Anziehungskraft, durch die sich einzelne Mitglieder in die Gruppe eingebunden fühlen und die sie mit anderen Mitgliedern verbindet.

Mitglieder einer kohäsiven Gruppe akzeptieren und unterstützen einander besser, sind mehr geneigt, innerhalb der Gruppe Beziehungen von Gewicht einzugehen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Bindung an die Gruppe scheint für ein gutes Ergebnis der Gruppentherapie ein signifikanter Faktor zu sein.

Unter Bedingungen des wechselseitigen Annehmens und Verstehens sind Patienten eher bereit,

- sich zu äußern und zu erforschen,
- bisher unannehmbare Wesenszüge sich bewusst zu machen und zu integrieren,
- tiefer zueinander in Beziehung zu treten.

Auch die Selbstachtung wird durch die Rolle des Patienten in einer kohäsiven Gruppe stark beeinflusst. Das soziale Verhalten, welches für die Mitglieder erforderlich ist, damit sie von der Gruppe geachtet werden, dient dem Individuum außerhalb der Gruppe zur sozialen Anpassung.

Je kohäsiver Gruppen sind, desto stabiler; die Teilnahme ist regelmäßiger und es gibt weniger Wechsel. Für den Therapieerfolg sind beide Faktoren äußerst wichtig. Insofern ist eine bestmögliche Gruppenkohäsion seitens des Therapeuten und der Mitglieder anzustreben.

Die Kohäsion begünstigt überdies

- Selbstoffenbarung
- Risikobereitschaft
- konstruktive Offenlegung von Konflikten in der Gruppe;

all dies fördert wiederum den Therapieerfolg.

Bei hoher Gruppenkohäsion kommt es vor, dass Patienten die Gruppe internalisieren: Es ist, als ob die Gruppe auf meiner Schulter sitzt und mir zuschaut. Ich frage mich immer wieder, was würde die Gruppe zu diesem und jenem sagen? Oft bleiben therapeutische Veränderungen erhalten und können sich konsolidieren, weil die Gruppenmitglieder die Gruppe selbst nach Jahren nicht enttäuschen wollen! Insofern kann man gewissermaßen von einer Selbst-Kohäsion aufgrund internalisierter Gruppenkohäsion sprechen.

Abschließend kann man weitgehend davon ausgehen, dass viele Psychiatriepatienten in ihrer Kindheit auf ständiges, verlässliches Angenommenwerden von Gleichaltrigen verzichten mussten, weshalb für viele von ihnen eine Bestätigung durch andere Gruppenmitglieder eine neue und grundlegende Erfahrung ist. Die in einer Gruppe sich entwickelnde Intimität kann in einer technologisch getriebenen Kultur, die in jeder Hinsicht - sozial, beruflich, wohnsitzmäßig, freizeitmäßig - menschliche Beziehungen erbarmungslos enthumanisiert, als Gegenkraft angesehen werden.


10. Katharsis

Psychologisch definiert bedeutet Katharsis die Befreiung von psychischen bzw. seelischen Konflikten im Zuge einer emotionalen Handlung. Bereits Freud und alle seine Anhänger der dynamischen Psychotherapie haben jedoch festgestellt, dass Katharsis alleine nicht ausreicht. Ein emotionales Erleben hat eben nicht zwangsweise eine interpersonelle Veränderung zur Folge.

In der Gruppentherapie hingegen wird das kathartische Erlebnis durch wesentliche Einsichten begleitet, wie folgende Aussagen von Gruppenmitgliedern darlegen:

Ich habe gelernt, dass und wie ich meine Gefühle äußern kann.
Es war befreiend, sagen zu können, was mich gestört hat, anstatt es für mich zu behalten.
Das Äußern negativer bzw. positiver Gefühle gegenüber einem anderen Gruppenmitglied war eine bemerkenswerte Angelegenheit.
Endlich konnte ich mir etwas mich belastendes von der Seele reden.

Die quasi eigentherapeutische Draufsicht ist es, die die emotionale Handlung wirkungsvoll ergänzt!


11. Existenzielle Faktoren

Yalom und Kollegen haben als existenzielle Faktoren die folgenden Punkte erarbeitet, welche wesentliche Erkenntnisse für das engagierte Mitglied einer Therapiegruppe zum Ausdruck bringen:

a) Das Leben ist manchmal unfair und ungerecht.

b) Gewissen Nöten des Lebens und dem Tod kann man nicht entgehen.

c) So nah ich anderen auch kommen mag - dem Leben muss ich dennoch allein gegenübertreten.

d) Ich muss mich den Grundfragen meines Lebens und meines Todes stellen und dadurch mein Leben ehrlicher leben und mich weniger von Belanglosigkeiten einfangen lassen.

e) Ich muss die letzte Verantwortung für die Art, wie ich mein Leben lebe, übernehmen; gleichgültig, wieviel Anleitung und Unterstützung ich von anderen bekomme.

Diese fünf Einsichten ausführlich zu skizzieren, würde den Rahmen dieser kurzen Abhandlung sprengen. Zu erwähnen wäre jedoch, dass sie sozusagen automatisch im Zuge einer erfolgreichen Gruppentherapie zumindest ansatzweise entstehen oder sich sogar ziemlich weit entwickeln können. Da sie auch sehr subjektiv angegangen (oder eben nicht angegangen!) werden, muss man natürlich die kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründe der jeweiligen Person berücksichtigen.

Ich möchte lediglich festhalten, dass dieser Faktor 11 nichtsdestotrotz den existenziellen Hintergrund einer jeglichen Psychotherapie darstellen sollte. Inwieweit die Aufhellung dieses Daseinshorizontes eintritt, ist in höchstem Maße individuell. Wer sich über Yaloms Ansichten und Forschungsergebnisse hierzu näher einlesen möchte, dem empfehle ich sein Hauptwerk Existenzielle Psychotherapie.

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Die Informationen für die in diesem Thread bislang dargelegten Ausführungen stammen vollumfänglich aus Irvin D. Yaloms Lehrbuch Theorie und Praxis der Gruppenpsychologie (4. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 1996, J. Pfeiffer Verlag, München).

In den letzten knapp zwei Wochen als ich an diesem Thema arbeitete, wurde mir wieder mal klar, wie wertvoll meine Suchttherapie gerade aufgrund dieser Gruppen-Wirkfaktoren für mich war. Mein Therapeut empfahl mir dieses Buch am Ende unseres Abschlussgesprächs, weil ich so fasziniert von den Effekten bei mir und den anderen Mitglieder war. Da ich schon mehrere Bücher von ihm gelesen hatte und ich von der Person Yalom schon seit Jahren begeistert bin, war ich überrascht, dass seine Wirkfaktoren anscheinend heute noch, nach mehreren Jahrzehnten, ein Standardwerk für Gruppentherapeuten ist.

Mir ist bewusst, dass Gruppentherapien, die über einen längeren Zeitraum von mindestens sechs Monaten in Deutschland eher selten praktikabel (und finanzierbar) sind. Immerhin kommen jedoch viele Patienten in psychosomatischen Kliniken in den Genuss einer solchen Erfahrung über einen Zeitraum von meisten 6-9 Wochen, was nicht zu unterschätzen ist.

Da ich selber weiterhin in einer Selbsthilfegruppe aktiv bin und auch dort immer wieder eine Bestätigung der Wirksamkeit dieser Faktoren in unserer Gemeinschaft erfahre - und dies auch kundtue - wollte ich zumindest das Prinzip auch im Rahmen unseres Forums kurz beleuchten.

Die Wirkfaktoren könnten für all jene, die das Forum wirklich längerfristig und therapeutisch nutzen wollen, eine Art Orientierungshilfe bieten. Gerade im Bezug auf unsere hier oft eskalierend anmutenden Dissonanzen kann es enorm von Wert sein, das mit derlei Konflikten korrelierende Einsichtspotenzial zu sehen.

Auch hier im Forum bekomme ich regelmäßig mit, wie Teilnehmer in länger gehenden intensiven Threads oder auch Tagebüchern existenziell lernen, gerade wenn es emotional wird und wenn man sich genügend Zeit nimmt, über das eigene und das Verhalten anderer nachzudenken. Selbst wenn es eine stille Einsicht ist, die eine kleine aber immerhin wirksame Veränderung in Richtung Selbsterkenntnis bewirkt, ist es m. E. definitiv den Aufwand wert.

Insofern sehe ich viele hier im Forum auch als meine Gruppe an... Und an dieser Stelle vielen Dank an Euch dafür - und für´s Lesen...

Jegliche Kritiken, Anmerkungen, Beispiele, Fragen etc. sind willkommen. Vielleicht möchten sich auch hier angemeldete Therapeuten und Therapeutinnen zu Wort melden, die mit Gruppen arbeiten. Ich selber kann nur als ehemaliger Teilnehmer meine Erfahrungen kundtun.

Zitat von moo:
für meine Sucht-Selbsthilfegruppe arbeite ich gerade an einer kleinen Abhandlung über die 11 Wirkfaktoren der Gruppenpsychotherapie nach Irvin D. Yalom,

Sorry, geht vermutlich am Thema vorbei, aber interessiert mich. (Außerdem klingelt so meine Glocke )

Beim Lesen deiner Einleitung hatte ich den Eindruck, dass du dich mit dem Thema so intensiv damit auseinandersetzt, weil du eine eigene Gruppe aufmachen möchtest. War mein Gefühl richtig ?

Eher zum Thema passend
Was ist der Unterschied zwischen einer Gruppentherapie, die, wenn ich dich richtig verstanden habe, meistens nur kurze Zeit geht und einer Selbsthilfegruppe, in der du dich wohl schon länger befindest?
Dann würden aber für so eine Selbsthilfegruppe die letzten Punkte doch eher zutreffen, denn sowas braucht ja Zeit sich zu entwickeln, Vertrauen und so.

Und ich hätte noch eine allgemeine Frage.
Gilt in so einer Gruppe:
Was hier erzählt wird, wird nicht nach außen getragen? Und hast du das Gefühl, dass man sich daran hält? Ich denke mir halt, dass einem da vieles nachgeht, was man da so zu hören bekommt und wenn man z. B. einen echt guten Partner hat, dann ......

@ moo ,
Gut geschrieben und beschrieben moo. Ich habe jetzt eine gute Idee um was es dabei geht und wie es funktioniert, funktionieren kann. Echt erhellend

@ hereingeschneit
In einer Gruppentherapie ist ein Psychologe dabei der beobachtet und lenkt.
Eine Selbsthilfegruppe besteht aus Betroffenen die sich selbst durch gegenseitiges Featback weiter bringt.
(Glaube ich zu wissen ...)

Liebe Grüße
Kara

Zitat von Kara-velle:
In einer Gruppentherapie ist ein Psychologe dabei der beobachtet und lenkt.
Eine Selbsthilfegruppe besteht aus Betroffenen die sich selbst durch gegenseitiges Featback weiter bringt.
(Glaube ich zu wissen ...)

Ah ok, dann vermute ich, dass moo seine bestehende Selbsthilfegruppe zu einer Gruppentherapie umwandelt auch ohne Psychologie studiert zu haben.
Und natürlich ohne das Ruder an sich zu reißen, sondern gemeinsam als Team.

@hereingeschneit
moo hat für seine (vielleicht hat er sie gegründet?) Selbsthilfegruppe eine schriftliche Darstellung, Erklärung geschrieben was es mit einer Gruppentherapie auf sich hat und wie die Wirkweise ist.
In einer Selbsthilfegruppe sind vermutlich nicht viele die schon mal eine Gruppentherapie gemacht haben.
Nur weil man die Bibel kennt wird man kein Prister noch erhebt man Anspruch darauf. Es schadet aber nicht sie zu lesen ...

Zitat von hereingeschneit:
Beim Lesen deiner Einleitung hatte ich den Eindruck, dass du dich mit dem Thema so intensiv damit auseinandersetzt, weil du eine eigene Gruppe aufmachen möchtest. War mein Gefühl richtig?

Oh nein - das war ein Missverständnis. Ich bin Mitglied in einer Kreuzbund-Ortsgruppe und der Aufsatz war für einen Themenabend. Wir haben öfters Schwerpunkt-Abende, wenn keine konkreten Akutfälle anliegen.

Zitat von hereingeschneit:
Was ist der Unterschied zwischen einer Gruppentherapie, die, wenn ich dich richtig verstanden habe, meistens nur kurze Zeit geht und einer Selbsthilfegruppe, in der du dich wohl schon länger befindest?

Ja, @Kara-velle liegt richtig. Der bedeutendste Unterschied: die meisten SH-Gruppen werden nicht von einem professionellen Therapeuten geleitet, sondern leiten und verwalten sich selber. Allerdings sind die Leiter oft sehr erfahrene Mitglieder, die sich nach ihren Möglichkeiten auch privat fortbilden (z. B. Wochenendkurse, Bücher, Vorträge).

Zitat von hereingeschneit:
Dann würden aber für so eine Selbsthilfegruppe die letzten Punkte doch eher zutreffen, denn sowas braucht ja Zeit sich zu entwickeln, Vertrauen und so.

Ja, Du hast absolut recht. Natürlich gelten alle Faktoren letztendlich auch für SH-Gruppen, aber die Gewichtung der Faktoren ist anders. Die Punkte 8 bis 11 sind in Psychotherapiegruppen viel stärker im Fokus der Therapieerwägung seitens des Therapeuten. Fast alle Gruppentherapien werden ja von Einzeltherapien begleitet, was die Reflektion und Auswertung deutlich zielgerichteter ermöglicht.

Zitat von hereingeschneit:
Gilt in so einer Gruppe:
Was hier erzählt wird, wird nicht nach außen getragen? Und hast du das Gefühl, dass man sich daran hält?

Ja. Das galt sowohl in meiner Therapiegruppe und gilt auch in der SH-Gruppe.

Zitat von hereingeschneit:
Ich denke mir halt, dass einem da vieles nachgeht, was man da so zu hören bekommt und wenn man z. B. einen echt guten Partner hat, dann ......

Der Partner wird u. U. sogar mal zu Gruppen eingeladen... ! Davon abgesehen, wird keines der Mitglieder irgendwelche Namen nennen. Von daher kann man schon allgemein inhaltlich mit seinem Partner darüber sprechen. Letzteres gehört mitunter ja auch zur Selbstreflektion.

Zitat von Kara-velle:
In einer Selbsthilfegruppe sind vermutlich nicht viele die schon mal eine Gruppentherapie gemacht haben.

Gut erkannt. Wir haben aktuell zwei Mitglieder, denen ich von Herzen eine Gruppentherapie wünsche. Direkte Empfehlungen funktionieren nach meiner bisherigen Erfahrung leider nur selten; das belegen auch Studien. Ein neutraler Vortrag mit anschließender Diskussion bewirkt da meist mehr.

Bzgl. dem Forumsbezug: ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sich einige Mitglieder in einem Thread zu einer langfristigen SH-Gruppe - rein virtuell - zusammenschließen. Denke auch, dass es sowas auch schon gibt. Wie sowas formatlich ablaufen könnte, müsste man ggfs. dann diskutieren.

Danke für deine Antworten @moo

Nachdem ich ja mit keinerlei Erfahrung bezüglich irgendeiner Gruppe aufwarten kann, wars das im Moment von mir. Werde aber sicherlich weiter mitlesen.

Bzgl. dem Forumsbezug: ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sich einige Mitglieder in einem Thread zu einer langfristigen SH-Gruppe - rein virtuell - zusammenschließen. Denke auch, dass es sowas auch schon gibt. Wie sowas formatlich ablaufen könnte, müsste man ggfs. dann diskutieren

Diese Idee von Moo finde ich super , wäre gerne dabei !

Ich funktioniere nicht in Gruppen in der normalen Welt. Ich höre zu und wenn etwas zu tun ist fange ich damit an solange die anderen noch reden. Ich komme eh nicht zu Wort.
Das wäre schon was für mich es käme auf das Thema an?
Moo, sag was
Liebe Grüße
Kara

Hatte dein Thema zwischenzeitlich aus den Augen verloren, doch wie ich sehe, bist du doch schon fertig..
Mache es wie 'hereingeschneit' und aktiviere hiermit einfach die Glocke um still Mitzulesen..

Was das Thema betrifft - ehrlich, hab schon versucht deine Einleitung komplett zu lesen, aber zurzeit schaff ich soeine Masse an Text einfach nicht und deshalb schau' ich zu und werde sehen, wie sich das ganze entwickelt und wohin, mein Freund.

Schöne Grüße in meine alte Heimat!

Danke für Eure Rückmeldungen.

Zitat von Kara-velle:
Ich funktioniere nicht in Gruppen in der normalen Welt.

Wie Yalom oben andeutet, kann man sich grundsätzlich fragen, was denn die normalere Welt ist: da draußen oder hier drinnen? Ist man nicht oft in der normalen Welt unnormaler (aus der subjektiven Erlebenssicht)? Siehe hierzu obiger Punkt 8.3.
Eine SH-Gruppe ist im Idealfall eine Verbindung dieser beiden - letztendlich fiktiven - Kategorien. Man könnte es auch Horizonterweiterung oder besser Emulsion zweier Erlebens- und Reaktionsmuster nennen, die bestenfalls eine deutlich freiere Sicht auf Ich und die Welt zutage fördert.

Zitat von Kara-velle:
Ich höre zu und wenn etwas zu tun ist fange ich damit an solange die anderen noch reden. Ich komme eh nicht zu Wort.

Ja, gut. Vielleicht hast Du Dir das aber auch lediglich angewöhnt: gleich loszulegen, statt das Wort zu ergreifen? Wir beide schätzen m. E. gleichermaßen das Wort, oder? Sind uns Worte vielleicht zu mächtig? Falls ja, warum ist das so und lässt sich das vielleicht dahingehend ändern, dass wir die Macht der Worte mal für uns, also unser persönliches Erleben nutzen?

Die Phrase zu Wort kommen besagt ja auch, dass wir zum Wort (hin) kommen müssen. Sich wirksam verbal auszudrücken ist nach meiner Erfahrung eindeutig eine Holschuld statt eine Bringschuld der Gegenüber.

Ich tue mich z. B. anfangs schwer, vor Leuten zu sprechen, immer wieder. Doch bereits nach wenigen Sekunden merke ich, wie die Worte greifen, funktionieren, ja - erfüllen! Und das gilt in erster Linie für mich. In einer gut geführten Gruppe darf jedes Mitglied in Ruhe aussprechen - und auch mal mehrere Augenblicke in sich reinhorchen, was denn noch raus will. Zudem ist man sich der aufrichtigen, echten Aufmerksamkeit der Anderen bewusst, weil man selbst ja auch stets voll gegenwärtig ist, wenn ein anderes Mitglied spricht.

Zitat von Kara-velle:
Das wäre schon was für mich es käme auf das Thema an?

Die Thematik ist definitiv wichtig - vor allem beim Gruppenaufbau. Das gemeinsame Kreisen um ein Thema öffnet die Ränder unserer Bewertungen und Voreingenommenheiten. Es verleiht den Geschmack der Veränderungsmöglichkeiten und gibt Einblick in die Herkunft und das Warum unserer Sicht auf die Themen.
Später, nach mehreren Themen stellt man idR fest, wo es hakt. Zum Beispiel könntest Du irgendwann ganz klar die Hintergründe erkennen, warum Du bisher nie zum Wort (hin-)kamst... . Ohne übrigens dieses konkrete Thema überhaupt adressiert zu haben.

Zitat von STELLA-G:
Diese Idee von Moo finde ich super, wäre gerne dabei!

Finde ich z. B. prima. Es ist ein deutlicher Unterschied, in einem Forum ständig mit hunderten Menschen konfrontiert zu sein statt mit nur einer Handvoll Leuten, die sich verpflichten, regelmäßig mitzuarbeiten. Ob dies im Rahmen dieses Forum möglich ist, kann ich nicht abschätzen.
Ich persönlich schätze durchaus die PN-Funktion oder mische mich in Tagebücher ein, sofern ich der Meinung bin, ich hätte etwas beizutragen und zu lernen.
Manche Themen hier stellen sich übrigens manchmal fast als sowas raus: als ein Themenprojekt einiger weniger Mitglieder, die immer wieder drauf zurückkommen.

Ich bin zu leise Moo und zu gut erzogen. Ich würde nie jemanden Unterbrechen wenn er/sie spricht und zu sanft um mich durch Lautstärke durchzusetzen. Und ja ... ich liebe Sprache, ich liebe es Gedanken so präziese wie möglich auszudrücken. Aber ich bin der Beobachtertyp und die lieben den Rand nicht das Zentrum des Geschehens. Ich bin aber auch Praktiker .... ab einem gewissen Punkt macht zuhören keinen Sinn mehr weil alles gesagt ist, dann mache ich Dinge die getan werden müsse ... Kartoffeln schälen zum Beispiel. Alle wollen Essen aber keier die Kartoffeln schälen
Ich wäre dabei ... jeh nach Thema
Liebe Grüße
Kara

@moo

Ich kann noch nicht abschätzen, wohin dieses Thema geht. Sollte sich aber eine feste Gruppe etablieren, wäre ich auch interessiert.

Ich versuche mal zu schildern, womit ich hier im Forum ein bisschen ein Problem habe - und hoffe, dass das jetzt nicht überheblich oder arrogant rüberkommt:

Ich bin jetzt seit 2019 auf der Psycho-Schiene unterwegs und habe in dieser Zeit viel gelernt und mir meinen Weg gesucht, den ich gehen will (ob der funktioniert, steht auf einem anderen Blatt - aber ich habe ja das Recht, meine Meinung jederzeit zu revidieren und einen anderen Weg zu gehen). Ich würde mich daher als schon recht gut informiert bezeichnen, da ich auch viel lese.

Eigentlich finde ich das Forum als Baustein meiner Therapie super, und ich gebe auch gern Erfahrungen weiter. Aber ICH (!) habe hier schon länger das Gefühl, als wenn ich mit einer Wand rede/schreibe. Es macht sich so ein Gefühl bei mir breit, dass es überdurchschnittlich viele Menschen gibt, die überhaupt kein medizinisches Grundwissen mehr haben und die nicht mehr in der Lage sind, verantwortlich mit Google und dem Internet umzugehen. Und viele, die hier reinschneien und denken, sie bekommen hier den goldenen Tipp, der sie mit einem Fingerschnippen heilt, ohne dass sie sich anstrengen wollen. Ich habe schon so oft Buchtipps gegeben - aber auch das scheint zu anstrengend zu sein.

Das ist sicherlich ein subjektiver Eindruck, das es in einem Form ja normal ist, dass immer wieder neue Leute reinschneien. Und es liegt in der Natur der Dinge, dass dadurch immer wieder grundlegende Dinge neu erklärt werden müssen. Aber mich nervt es trotzdem und ich fände einen Austausch mit Personen, die schon einen längeren Weg hinter sich haben toll. Vielleicht gibt es hier schon so etwas - dann habe ich es aber noch nicht gefunden. Manchmal lässt eine Überschrift ja auch nicht wirklich auf den Inhalt des Fadens schließen.

Zusätzlich habe ich noch das Problem, dass ich im privaten Umfeld kaum Personen habe, mit denen ich mich bezüglich meiner Therapie austauschen kann. Vielleicht wäre das hier eine Möglichkeit.

Also, lange Rede, kurzer Sinn - sollte das hier in diese Richtung gehen, wäre ich interessiert.

Zitat von Kara-velle:
ich liebe es Gedanken so präziese wie möglich auszudrücken.

Das ist das, was dich von den Vielrednern unterscheidet. Manche brauchen viele Worte und sagen nichts (deswegen macht zuhören auch keinen Sinn mehr), andere sagen nur wenig und erfüllen damit den ganzen Raum.
Wenn ich wählen darf, dann will ich in die zweite Kategorie.

Hier im Forum war mal Karl der Große, der war so jemand. Er hatte im Gegensatz zu anderen nicht wirklich viel geschrieben, aber dennoch hatte man das Gefühl, dass er überall präsent ist. Die wenigen Worte die er benutzte, die hatten mehr Energie, als so manch ein Roman.


Zitat von Kruemel_68:
Vielleicht gibt es hier schon so etwas - dann habe ich es aber noch nicht gefunden.

Ja, einige Tagebücher empfinde ich so. Dort kann man Menschen über einen längeren Zeitraum begleiten, wenn denn regelmäßig (oder immer wieder mal, trotz Pausen) geschrieben wird. moo hat mal geschrieben, man erschreibt sich seinen Freundeskreis.

@moo, mich würde noch interessieren, ob du Erfahrungswerte mit der Größe der Gruppe hast. Sind es zu wenig, stockt es vielleicht, sind es zu viele gehen welche unter?
Und braucht die Gruppe nur einen harten Kern und der Rest kommt und geht, also ist für weitere Mitglieder offen, oder sollte möglichst wenig Wechsel sein, gerade am Anfang und sollte somit geschlossen sein?
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von hereingeschneit:
Das ist das, was dich von den Vielrednern unterscheidet. Manche brauchen viele Worte und sagen nichts (deswegen macht zuhören auch keinen Sinn mehr), andere sagen nur wenig und erfüllen damit den ganzen Raum. Wenn ich wählen darf, dann will ich in die zweite Kategorie. Hier im Forum war mal Karl der Große, der war ...

@hereingeschneit
Oh, das war ein Lob
Lob kann ich noch nicht lange annehmen...
Danke Dir sehr
Kara

Für Privatversicherte gibt es schon einen Anbieter für professionelle Gruppentherapie online. Dieser Anbieter kann mit privaten Krankenkassen abrechnen. Die ist therapeutisch geleitet. Ich gehe aber mal davon aus, dass das verhaltenstherapeutisch aufgelegt ist. Ich weiß, dass es das gibt, aber da es für mich nicht in Frage kommt, habe ich es nicht mehr weiter verfolgt.

Zitat von hereingeschneit:
Das ist das, was dich von den Vielrednern unterscheidet. Manche brauchen viele Worte und sagen nichts (deswegen macht zuhören auch keinen Sinn mehr), andere sagen nur wenig und erfüllen damit den ganzen Raum. Wenn ich wählen darf, dann will ich in die zweite Kategorie. Hier im Forum war mal Karl der Große, der war ...

Kleiner Exkurs gefällig? Auch wenn es hier eigentlich nicht Thema ist, vielleicht stoppt es ja mal die Vorurteile und Arroganz der Wenigreder und Wenigschreiber (?).

Schon mal was von Logorrhoe gehört? Reden wie ein Wasserfall? Das ist einerseits eine eigene Diagnose im ICD und es ist ein Symptom von psychischen Erkrankungen. Gehört z.B. zu den Traumafolgen. Warum reden die so viel? Weil sie mit dem, dem sie ausgesetzt waren, nicht fertig werden. Das dauernde Reden ist ein Versuch, es zu bewältigen. Der ganze Druck und der Stress, den diese Leute in sich spüren, sucht sich seinen Weg.... Das ist ganz typisch. Schwertraumatisierte Menschen reden zum Teil ohne Punkt, Komma und Strich, ohne Luft zu holen. Ersthelfer und Sanitäter, Rettungskräfte bei Einsätzen können ein Lied davon singen.

Statt immer nur irgendwie Vorurteile weiter aufzubauen, wäre es einfach mal ok, fairer zu sein. Dass das vielleicht nicht jeder weiß, ist klar. Aber statt immer nur Seitenhiebe zu verteilen, wäre nachfragen ganz sinnvoll und sicher würde es mehr helfen als wieder die Klischees zu bemühen.

A


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Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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