@Lottimotti:
Ich verstehe total, was Du meinst, in diesem Krankenhaus scheint der Umgang mit den Patienten wirklich nicht ideal zu sein. Was Psychomum beschrieben hat, klingt an so einigen Stellen wirklich suboptimal und lässt Fingerspitzengefühl vermissen.
Machtmissbrauch ist immer furchtbar und verabscheuungswürdig.
Aber auch in Krankenhäusern, in denen respektvoll mit den Patienten umgegangen wird, gelten viele Regeln.
Man sollte grundsätzlich nicht vergessen (und damit beziehe ich mich ganz ausdrücklich
nicht auf Psychomum):
Man ist dort in einem Krankenhaus. Das Krankenhaus hat eine gewisse Verantwortung für einen. Und ist, ganz nebenbei, auch haftbar für bestimmte Dinge, die passieren. Man begibt sich (im Rahmen von Psychosomatik/Reha/offenen Stationen) freiwillig für eine bestimmte Zeit in ein gesichertes Umfeld, in welchem bestimmte Regeln gelten
müssen. Diese Regeln stellen sicher, dass alle Patienten sich dort sicher fühlen können.
Das Problem ist, dass viele dieser Einrichtungen wirklich eher wie Hotels aussehen und genau dieses Gefühl vermitteln wollen, aber es sind trotzdem immer noch Krankenhäuser. Manche Patienten vergessen das dort manchmal leider (nochmal: damit beziehe ich mich in keinster Weise auf irgendjemanden aus diesem Forum) und benehmen sich dementsprechend auf eine Art und Weise, die andere Patienten damit in Problemlagen bringen.
Es ist für Erwachsene teilweise schwierig, plötzlich wieder Regeln befolgen zu müssen als sei man ein Teenager (vor allem dann, wenn diese schlecht kommuniziert und unsensibel umgesetzt werden), aber es geht an einigen Stellen nicht anders. Ich betone nochmal: Ich denke auch, dass das alles mit Fingerspitzengefühl erfolgen sollte, aber im Grundsatz sind bestimmte Regeln einfach notwendig. Auf engem Raum leben dort viele Menschen mit verschiedensten psychischen Problemen zusammen, das geht nur mit ein paar Regeln und leider auch nur mit Kontrollen.
Es dient der Sicherheit aller.
Wie gesagt, nochmal: Ja, Fingerspitzengefühl ist wichtig, das sehe ich definitiv auch so!
Die Gratwanderung zwischen Sicherheit/ Fürsorge auf der einen Seite und Kontrolle/ unverhältnismäßiger Bevormundung auf der anderen Seite ist schwierig.
Ich habe sehr, sehr viel Zeit stationär verbracht, und ich habe auch die Kehrseite dieses Aspekts kennengelernt.
Sprich: Was passieren kann, wenn
nicht ausreichend kontrolliert wird.
Ich habe Mitpatienten erlebt, die
- sich betrunken geprügelt haben
- die Tabletten in ihrem Zimmer gehortet haben und dann, im Affekt, Mist damit gebaut haben
- die aus dem Fenster springen wollten
- die unter Dro. andere Mitpatienten angegriffen haben (schwer)
- die der Meinung waren, sie könnten verordnete Klinik-Medikamente mit selbstständig dazugekauften Medis
mischen (ging schief)
- die in ihrem Zimmer zusammengebrochen sind, dort sehr lange lagen und es erst sehr spät entdeckt wurde,
eben weil niemand überprüft hat, wo derjenige war
- die in einem Zustand von Verzweiflung die Klinik verlassen haben, mit dem Vorsatz, sich etwas anzutun, hätte
man das nicht bemerkt und die Person nicht gesucht, wäre das schiefgegangen
- die sich nachts durch mehrer Betten
Trigger
geschlafen
haben, weil sie keine Kontrolle über sich hatten und andere das
ausgenutzt haben
- die in ihren Zimmern total ausgerastet sind oder versuchten, sich schwer zu verletzen oder
Trigger
umzubringen
Für die eigene Sicherheit und die Sicherheit der Mitpatienten haben viele der Regeln, die bestehen, ernsthafte und sinnvolle Hintergründe, auch wenn die sich manchmal nicht auf den ersten Blick erkennen lassen.
Gerade als schwer traumatisierter Mensch ist es wichtig, dass man sich im stationären Umfeld sicher fühlen kann, auch wenn viele andere Patienten mit psychischen Problemen um einen herum sind. Es ist mehr als unangenehm, wenn man nachts auf dem Gang auf dem Weg zur Pflege-Station auf einen Patienten trifft, von dem man weiß, dass er Impuls-Kontroll-Probleme hat und dabei zu merken, dass dieser total betrunken ist. Es ist sehr belastend, wenn man weiß, dass ein gefährdeter Mitpatient große Mengen an Medikamenten auf dem Zimmer gelagert hat usw. usw....
Und trotzdem sollte es selbstverständlich sein (was es leider nicht immer ist), das das Klinikpersonal die Anstandsregeln normalen menschlichen Umgangs miteinander einhält, die Patienten als normale erwachsene Menschen wahrnimmt und dementsprechend behandelt. Respekt ist das Zauberwort. Übrigens gegenseitig. Ich habe auch andersherum erlebt, wie sich Patienten unglaublich schlecht benommen haben und die Verantwortung dann einfach auf ihre Erkrankung geschoben haben, als sei diese ein allgemeingültiger Freifahrtschein für schlechtes Benehmen. Das geht auch nicht.
Es bedingt sich gegenseitig.
Ich finde es oftmals echt interessant, wie man schon nach kurzer Zeit spüren kann, wie das allgemeine Klima in einer Klinik ist. Wie der Umgang zwischen Menschen ein Klima schafft, in das alle einstimmen. Wenn das Personal untereinander respektvoll und höflich miteinander umgeht, vom Chefarzt bis zur Reinigungskraft, und so auch der Ton gegenüber den Patienten ist, so sind auch die Patienten viel entspannter und zugänglicher, neigen eher dazu, sich ebenfalls freundlich und höflich zu benehmen. Ist die Stimmung gestresst und angespannt (Überarbeitung des Personals, schlechte Kommunikation von den Chefs nach unten usw.), dann führt das oftmals auch schnell zu Spannungen zwischen den Patienten oder den Patienten und dem Personal. Man kennt den Effekt aus dem normalen Leben ja auch, aber in einer Klinik ist der Effekt nochmal stärker, da viele psychisch belastete Menschen oftmals empfänglicher für solche Schwingungen sind und oftmals stark darauf reagieren.
LG Silver