Hallo Psychomum,
ich kann gut nachempfinden, dass einige der Situationen, die Du geschildert hast, belastend sein können.
Die Menge an Menschen, mit der man stationär tagein/tagaus konfrontiert ist, ist auch für mich auch immer wieder eine Herausforderung, da ich außerhalb der Klinik nur sehr wenig Sozialkontakte habe und zusätzlich auch grundsätzlich sehr geräuschempfindlich bin. Oftmals habe ich mich nach den Therapien auf mein Zimmer verkrümelt, wenn die anderen abends zusammengesessen haben, das war mir oft einfach zu viel und zu laut. Natürlich möchte und soll man sich ja auch mit den anderen austauschen, aber ich bin eher der Typ für Gespräche zu zweit oder dritt in ruhiger Umgebung, in größeren Gruppen komme ich nicht gut zurecht. In den Gruppentherapien ging es, da dort der Geräuschpegel geringer war und nicht alle durcheinander geredet haben.
Was die Kontrollen durch die Klinik angeht.
Nach meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass es oftmals darauf ankommt, mit welchem Fingerspitzengefühl bestimmte Maßnahmen durchgeführt werden, also dass ein und dieselbe Handlung seitens des Klinikpersonals unterschiedliche Gefühle beim Patienten auslösen können, je nachdem, wie sensibel der Umgang ist. Was wie Kontrolle wirkt, kann auch als Fürsorge verstanden werden. Es hängt immer davon ab, wie die Regeln vom Klinikpersonal kommuniziert und umgesetzt werden. Wenn man in eine psychosomatische Klinik geht, erklärt man sich ja bereit, sich zu einem gewissen Grad kontrollieren zu lassen, sich auf die Regeln der Klinik einzulassen. Das ist schon etwas speziell und gewöhnungsbedürftig. Bei vielen Patienten ist es ja schon lange her, dass sie z.B. zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein oder in ihrem Zimmer sein mussten . Aber wenn die Regeln gut nachvollziehbar sind, offen kommuniziert und sensibel umgesetzt werden, kann man davon durchaus auch profitieren. Es geht ja auch darum, einem zu helfen, bestimmte Dinge wieder besser in den Griff zu bekommen.
Viele von den Sachen, die Du beschrieben hast, kenne ich auch aus psychosomatischen Kliniken, aber ich habe sie nicht als grenzüberschreitend empfunden, da das Personal meistens sehr sensibel mit den Patienten umgegangen ist. Ich habe es eher als Fürsorge erlebt. Ich kenne aber auch Erzählungen von Patienten aus anderen Kliniken, in denen der Umgang mit den Patienten durchaus als wenig respektvoll erlebt wurde.
Bei mir gab es auch Zimmerdurchsuchungen, allerdings anlassbezogen, also wenn ein Verdacht vorlag, dass Patienten z.B. Tabletten auf dem Zimmer sammelten oder unerlaubte Medikamente im Zimmer hatten (es durften nur von der Klinik verschriebene Medikamente genommen werden, es durften keine Medikamente in der Apotheke gekauft werden) oder verstöße gegen die Hausordnung vermutet wurden (elektrische Gegenstände waren aus Brandschutzgründen nicht erlaubt).
Und ja, das Personal hatte immer Zugang zu den Zimmern (das muss ja auch so sein, es ist ja immerhin ein Krankenhaus), aber es wurde höflich geklopft und erst dann das Zimmer betreten. Wer morgens bei der Visite nicht da war, wurde gesucht, und wenn es den Verdacht gab, dass jemand nachts nicht im Haus war, wurde ebenfalls kontrolliert. Auch hier aus Sicherheitsgründen, das Krankenhaus hat ja auch eine Verantwortung für seine Patienten.
Ich persönlich habe mich durch diese Maßnahmen, die, wie gesagt, höflich und sensibel durchgeführt wurden, eher beschützt als kontrolliert gefühlt. Es zeigt ja auch, dass die Klinik sich um ihre Patienten kümmert.
Es handelte sich in meinem Fall um eine Klinik, die explizit keinerlei aktive Substanzprobleme behandelt, man muss absolut clean sein. Man musste angeben, wenn man in der Vergangenheit mal Probleme mit Dro. oder Alk. hatte, und jeder, der das angegeben hat, wurde in unregelmäßigen Abständen unangemeldet getestet, auch nachts. Aber auch das erfolgte respektvoll. Und es wussten alle Patienten vorher, worauf sie sich einlassen. Das Alk. war absolut, man durfte also auch nicht abends, wenn man mit Besuch außerhalb der Klinik in einer Pizzeria oder so war, etwas trinken. Auch Alk. Alternativen an Wein/B./etc. waren in der Klinik verboten, damit Patienten mit einem Alk. in ihrer Vergangenheit nicht durch den Geruch getriggert werden.
Insgesamt war es trotzdem eine Klinik, die ihren Patienten sehr viel Freiheiten eingeräumt hat. Es kam sogar vor, dass sich Patienten von den Therapeuten tatsächlich mehr Kontrollen und Regeln gewünscht haben.
Alles in allem ist es eine facettenreiche Angelegenheit. Ich habe mich bislang immer gut aufgehoben und respektvoll behandelt gefühlt. Manchmal gab es aber durchaus auch Situationen, die ich (aus Beobachterperspektive) schwierig und schwer nachvollziehbar fand.
Das Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Kontrolle ist nicht ganz einfach.
Aus persönlicher Erfahrung mag ich z.B. die Begrifflichkeit des gesicherten Umfelds in Bezug auf geschlossene Stationen durchaus gerne und hat mir in der Vergangenheit geholfen, Akzeptanz diesbezüglich aufzubauen. Ich gehörte bislang immer zu den Patienten, die ständig hart an der Grenze zur Geschlossenen schrammen, aber gerade noch in psychosomatischen Kliniken geduldet sind. Ich hatte auch schon Aufenthalte, in denen (gerade nachts) ständig diskutiert wurde, ob man mich verlegen müsse (was ich natürlich nicht wollte), und da waren die Fragen zumeist Glauben Sie, dass Sie hier noch sicher sind? Vielleicht brauchen Sie ein gesicherteres Umfeld, in welchem man sie besser im Auge behalten kann und man sich besser um Sie kümmern kann.
Mir war natürlich klar, worum es ging, aber der Gedanke von Wir möchten uns um Sie kümmern und Ihnen helfen klang irgendwie angenehmer als Wir wollen Sie lieber einschließen. Und normalerweise bin ich auch kein Freund weichgespülter Begrifflichkeiten, aber in diesem Fall fand ich es hilfreich und mit weniger Stigma belegt.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft, halt' die Ohren steif und achte weiter gut auf Deine Grenzen!
Alles Gute,
LG Silver