Zitat von Julia10000:@silverleaf, Danke für deine Antwort. Heißt das ich sollte z.B. ein Impuls aushalten, wenn ich ihr schreiben will also z.B. - nur wegen ihr hätte ich diesen Fortschritt gemacht und weil ich so viele Glückhormone habe, sollte ich es trotzdem ihr nicht schreiben dass ich dankbar bin? Also sollte ich auch nicht ...
Ja, genau das heißt es. Dankbarkeit kann und sollte bis zur nächsten Stunde warten, und in dieser übersteigerten Form sollte sie gar nicht geäußert werden.
(Und Du kannst mir glauben: Ich kann das alles nachempfinden, ich weiß um den unendlichen Leidensdruck, der hinter all diesen Verhaltensweisen und Bedürfnissen steht. Ich sage Dir diese Dinge nur so deutlich, weil ich es nachempfinden kann. Ich möchte Dir helfen, und eines habe ich in der Klinik gelernt: ganz offen über diese Dinge zu sprechen ist der Weg, sie irgendwann in den Griff zu bekommen und nicht mehr so darunter zu leiden. )
Also: Es ist imho unangemessen, Dankbarkeit in dieser Form zu äußern und zeigt der Therapeutin im Wesentlichen nur, dass (bzw. in welchem Ausmaß) Dein Interaktions-Verhalten gestört ist, wie ausgeprägt dieses Symptom ist. Es geht um etwas, was für Dich sehr wichtig ist, für sie hat es aber nicht diese Bedeutung. Es ist die extreme Art der Formulierung, dieses starke Bedürfnis, sie für Dich positiv einzunehmen/einzustimmen und ihr zu beweisen, dass Du eine bemühte und dankbare Patientin bist (vermutlich weil Du Angst hast, dass Dein negatives Verhalten in und außerhalb der Therapie für Dich vielleicht doch noch negative Konsequenzen hat), damit sie Dich nicht doch fallen lässt. Ein Mensch, der nicht an dieser Störung leidet, hätte gar nicht das Bedürfnis, sich für so etwas in so überschwänglicher Form zu bedanken/zu äußern. Du erreichst damit nicht, was Du glaubst zu erreichen. Im Endeffekt zeigt es nur einen weiteren Wunsch nach Aufmerksamkeit und Kontakt, nach Beziehungssicherheit, und als solchen wird sie eine solche Mail sehr wahrscheinlich werten.
Als Patient sollte man sich bei jeder Mail bewusst machen und berücksichtigen: Die Therapeutin muss außerhalb Deiner Sitzung diese Email lesen, eventuell darauf antworten, das alles vielleicht in ihrer Pause, die sie vielleicht bräuchte, sich auf einen anderen Patienten vorzubereiten. Oder sie muss es nach Feierabend tun, egal wann, sie muss außerhalb Deiner Sitzung Zeit für Dich aufwenden. Das kann völlig in Ordnung gehen, wenn es wirklich unverzichtbar wichtig ist, aber da muss man ehrlich zu sich selber sein, sollte nur in ganz wichtigen (Ausnahme)Fällen zu diesem Medium greifen und sich dann kurzfassen. Damit zeigt man Respekt für die therapeutische Beziehung und betreibt positive Beziehungs-Arbeit.
(Anderes Beispiel: Du hast ja auch schon selber vermutet, dass die Nachfrage nach einer Mailadresse, an welche Du ihr Deine Gefühle und Gedanken schicken möchtest, unangemessen ist. Du wünscht Dir, es wäre anders, aber im Endeffekt war Dir vor der Stellung dieser Frage schon bewusst, dass das nicht in Ordnung und grenzüberschreitend ist. Es ist Deine Erkrankung, durch die Du diese Wünsche und Bedürfnisse hast. Daran ist nichts Verwerfliches, es ist ein Symptom, aber deswegen darf man diesem nicht nachgeben. )
Ich habe in der Klinik so einige sehr interessante Gruppensitzungen zu diesem Thema erlebt, in welchen die Therapeuten ihre Sicht auf das Kontakt-Verhalten und die therapeutische Beziehungs-Gestaltung emotional-instabiler Patienten ganz offen dargelegt haben. Das waren für viele Patienten (mich inbegriffen) extrem harte Stunden, einfach weil die Wahrheit an dieser Stelle sehr wehtut. Es geht aber darum, genau diesen Schmerz zu verstehen und sich mit diesem auseinanderzusetzen.
Was ich geschrieben habe, sind also keine Spekulationen, sondern wörtliche Zitate von Therapeuten.
Man sollte einfach die Therapeuten-Seite im Auge behalten und berücksichtigen. Das zeigt Respekt und Dankbarkeit. Man nimmt Rücksicht auf die Ressourcen des Therapeuten. Denn es sind ja leider genau diese Verhaltensweisen und Probleme emotional-instabiler Patienten, die dazu führen, dass so wenige Therapeuten mit dieser Klientel entweder gar nicht arbeiten wollen oder in der Arbeit recht schnell ausbrennen.
Quintessenz:
Solche Sachen wie Erkenntnisse aus der letzten Stunde, Dankbarkeitsbekundungen, Gefühle und Gedanken gehören an den Anfang der nächsten Sitzung. Ich weiß, dass das ganz schwer auszuhalten ist und das man es sich anders wünscht, aber das ist die Realität. Die Therapeutin hat ein Interesse daran, dass es Dir besser geht, weil es Ihr Job ist, das zu tun. Es ist ein Arbeitsverhältnis. Und natürlich darfst Du Dich dafür bedanken, aber in angemessener Form. Mein Rat wäre:
Lerne, Deinen Kontakt-Wunsch unter Kontrolle zu bringen und Dich emotional selber zu versorgen. Lerne, es auszuhalten, bis zur nächsten Sitzung warten zu müssen. Das ist für keinen Patienten schön, auch die ohne Persönlichkeitsstörung, aber man stelle sich einfach mal vor, jeder Patient würde dem Therapeuten in diesem Umfang schreiben wollen. Das geht einfach nicht.
Organisatorische Dinge wie Terminverschiebungen o.ä. sind davon natürlich ausgenommen.
Für wirklich schwere Krisen vereinbaren die meisten Therapeuten, dass man einen telefonischen Termin zur Krisenintervention machen kann, und ja, da geht es dann wirklich nur darum, die aktuelle Krise zu beenden, da wird nichts besprochen, sondern oftmals nur geskillt, evtl. Medikamente-Einnahme besprochen oder in eine Klinik überwiesen, es ist keine zusätzliche therapeutische Einheit.
Ich weiß, wie schwer das alles ist und fühle mit Dir! Alles Gute,
LG Silver