Es fühlt sich für Dich nicht gut an, weil es nicht das ist, was Du Dir tatsächlich wünscht. Nur kannst Du Dir Deine Wünsche und Bedürfnisse nicht (durchgängig) eingestehen, Du bist im Konflikt mit diesen und verhedderst Dich dadurch auch immer wieder in Widersprüche, ohne es zu merken, zu wollen oder absichtlich zu tun.
Warum also fühlt es sich nicht gut an, wenn Du Dich auf die Art, wie Du es gelesen hast, mit Deinem Schattenkind befasst oder darüber nachdenkst, es zu tun? Warum ist da dieses Gefühl von Enttäuschung?
Weil Du Dir in der tiefe Deines Herzens wünscht, dass ein anderer Mensch Dich tröstet, Du möchtest es gar nicht nicht selber tun, weil sich das einsam anfühlt. Und verlassen. Du möchtest die Aufmerksamkeit eines anderen Menschen, seine Fürsorge etc., wie Du es in den Momenten, in denen Du ehrlich zu Dir bist, auch selber schreibst. Du wünscht Dir eine Nachbeelterung durch Deine Therapeutin, Du empfindest ein Glücksgefühl, wenn Du bei ihr bist, sie vermittelt Dir das Gefühl, als wäre da jemand, den es wirklich interessiert, wie es Dir geht, und der sich Deiner annimmt. Daran ist überhaupt nichts Verwerfliches, es ist Teil Deiner Problematik und eine zutiefst menschliche Sehnsucht, die ganz viele Menschen empfinden (wohl fast jeder), nur kannst Du Dir das nicht eingestehen und befindest Dich da in einem Konflikt mit Dir selber. Vielleicht ahnst Du auch schon in einem Teil Deines Herzens, dass die Therapie für die Bedürfnis-Versorgung langfristig nicht der richtige Ort sein wird, aber es fühlt sich halt einfach so gut an, diese Momente von Aufmerksamkeit und Versorgung zu spüren, und auch daran ist nicht Verwerfliches, auch das ist einfach nur menschlich.
Nur bist Du da an einem Punkt, der Therapie potentiell schwierig machen kann, wenn Du vor dieser Problematik die Augen verschließt. Du bekommst Zugang zu Deinen Gefühlen und Bedürfnissen, das ist soweit gut und hilfreich, und dann merkst Du, wie schön es sich anfühlt, wenn da jemand ist, der diese kindlichen Bedürfnisse, die bislang nicht angemessen gestillt wurden, ansatzweise versorgt, und hier wird es problematisch.
Du möchtest diese Versorgung spüren, einfach, weil es sich so schön anfühlt und Du es so schmerzlich vermisst hast. Das wird in Deinen Beiträgen ganz deutlich. Darum bringst Du auch häufig Argumente in das Thema hier mit ein, die in der Therapie allgemein und für die Frage, die Du eingangs gestellt hast, eigentlich eine untergeordnete Rolle (oder gar keine Rolle) spielen, die Dir aber wichtig sind, weil sich hier zwei unterschiedliche Ebenen miteinander vermischen.
Deine Mail an Deine Therapeutin zeigt das auch ganz überdeutlich. Ich gehe da jetzt mal nicht ins Detail, damit meine Antwort hier nicht noch länger wird als so schon.
Wenn Du in der Therapie wirklich etwas erreichen möchtest, wäre es meiner Meinung nach erstmal hilfreich, wenn Du Dich diesem inneren Konflikt stellen würdest. Aktuell geht es bei Dir in der Therapie unterschwellig vordringlich um Bedürfnisbefriedigung, Du bist noch nicht soweit, dass Du Deine Probleme wirklich angehen und loslassen möchtest. Für den Moment möchtest Du die Versorgung Deiner Bedürfnisse, und aktuell bringen Dir Dein Problemverhalten und deine Symptomatik genau die Aufmerksamkeit, die Du Dir wünscht.
Du schreibst, Du möchtest es gar nicht mehr dramatisch, aber Du machst es immer wieder dramatisch. Du schreibst, Du möchtest keine Aufmerksamkeit für negatives Verhalten, und trotzdem zeigst Du negatives Verhalten. Du verstrickst Dich, ohne es bewusst wahrzunehmen, in widersprüchliches Verhalten und in widersprüchliche Aussagen. Du zeigst Deinen innerer Konflikt auf diese Art im Außen, lässt andere Menschen so indirekt sehen, wie es in Dir zugeht.
Deine Therapeutin wird an all diesen Dingen mit Dir arbeiten, das ist nicht das Problem. Nur musst Du innerlich möglichst schnell die Bereitschaft finden, Deine Probleme auch loszulassen und Dich selber regulieren zu wollen, dann kannst Du sehr viel mehr erreichen und läufst nicht Gefahr, gar keine echten Fortschritte zu machen.
Die Therapie läuft an dieser Stelle Gefahr, einfach im Sande zu verlaufen, immer nur ein kurzfristiger Tropfen auf dem heißen Stein zu sein und Dich langfristig in einem Zustand zu halten, in dem Du leidest, sobald du keinen therapeutischen Kontakt hast und diesen dann immer wieder suchen wirst (auf die eine oder andere Art).
Ich habe schon so viele Patienten gesehen, bei denen es genau auf diese Art abläuft. Sie kommen in die Therapie, genießen die Behandlung, die Aufmerksamkeit und das Gefühl, gesehen und versorgt zu sein (auch wenn die Therapie inhaltlich trotzdem oft schwer und auch emotional belastend ist, aber das spielt hierbei eine untergeordnete Rolle), schaffen es dann manchmal auch oft für den Moment, wirklich an ihren Problemen zu arbeiten, aber sobald sie auf sich gestellt sind, fällt das alles wie ein Kartenhaus zusammen und sie kommen zurück in die Therapie, in die Klinik o.ä.. Sobald der Therapeut von ihnen fordert, sich selber zu versorgen, fallen sie in eine Krise, reagieren gekränkt und enttäuscht und das Problemverhalten nimmt wieder zu. Es ist ein Teufelskreis, vor dem ich Dich einfach warnen möchte.
Es ist nichts Falsches oder Verwerfliches an all diesen Vorgängen, sie sind alle Teile der Symptomatik. Aber man sollte möglichst ehrlich zu sich selber sein, und je früher man das schafft, umso besser.
Mach' Dir ehrlich klar, was ein Therapeut ist und vor allem: was nicht ! , dann kannst Du auch aufhören, Scheingefechte zu führen. Sei ehrlich zu Dir selbst, stehen zu Deinen Problemen und Empfindungen und gehe diese offen an, dann hast Du eine realistische Chance, in der Therapie ganz viel zu erreichen.
Ich wünsche Dir dafür ganz viel Kraft!
LG Silver
23.04.2021 18:00 •
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