Hallo Annette,
ich drücke Dir die Daumen, dass Du bald geeignete therapeutische Hilfe findest!
Mir sind spontan ein paar Gedanken gekommen, als ich Deinen Beitrag gelesen habe, daher hier jetzt eine ebenfalls spontane und daher vielleicht etwas ungeordnete Gedankensammlung:
- Ein Klinikaufenthalt kann sehr hilfreich sein. Es hängt von ganz vielen Faktoren ab, wie gut man davon profitieren kann (oder halt nicht). Einige kann man beeinflussen, andere nicht. Du kannst z.B. nicht beeinflussen, auf welche Menschen Du dort triffst (Therapeuten und Mitpatienten, beides wichtige Faktoren), aber Deine Einstellung zu den Dingen, die in der Klinik passieren, kannst Du beeinflussen.
- Eine passende Klinik zu finden ist so eine Sache. Im Idealfall kann einem der einweisende Arzt eine Klinik empfehlen, aber auch das ist keine Garantie (s.o.). Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld finde ich persönlich hilfreich, auch wenn selbst diese immer subjektiv eingefärbt sind. Portale zur Klinikbewertung können eine Hilfe sein, sind aber auch mit Vorsicht zu genießen. Man muss sich immer fragen: Wer bewertet da und aus welcher Motivation heraus? Und trotzdem kann man dort ganz gut Tendenzen erkennen, wenn man es schafft, zwischen dem persönlichen Frust der Leute und objektiven Kriterien zu differenzieren. Wenn sich eine Person beschwert, weil z.B. bei einem Streit mit Mitpatienten die Therapeuten nicht ausreichend geholfen haben ist das etwas anderes als wenn viele Leute schreiben, dass der Personalmangel vor Ort zu vielen Problemen führt, viele Therapien ausfallen, die Therapeuten nur gestresst und ständig krank sind, es in 6 Wochen zu 3 Therapeutenwechseln kam usw.
Wenn man jetzt nicht gerade die allerletzten Sch***-Klinik erwischt, liegt es viel an einem selber, ob man profitieren kann oder nicht, und die Wahl der Klinik ist dann gar nicht der ausschlaggebende Faktor. In vielen Kliniken kann man hilfreiche Dinge für sich mitnehmen, wenn man mit der passenden Einstellung an die Sache herangeht, und auch in der besten Klinik kann es schlecht laufen, wenn die persönliche Einstellung nicht stimmt, man vielleicht gerade Pech mit dem Therapeuten oder den Mitpatienten hat, aber selbst dann kann man trotzdem profitieren, wenn man stets den Blick auf das gesamte Therapie-Geschehen hat. In einer Klinik hat man ja viele verschiedene Therapieformen, und selbst wenn es z.B. mit dem Einzel-Therapeuten gerade nicht klappt, kann man trotzdem in der Gruppen- oder Kunsttherapie profitieren. Selten ist wirklich immer alles schlecht. Aber es gibt manchmal Mitpatienten, die diese Perspektive nicht einnehmen können, sich (aus persönlichen Gründen) sehr reinsteigern und dann andere Patienten mit hineinziehen, einen ganzen Strudel an Negativität erzeugen, von dem man sich dann möglichst schnell abgrenzen sollte.
- Die Balance zwischen Interaktion mit den Mitpatienten und Wahrung der eigenen Grenzen ist eine Herausforderung, die man stationär immer hat. Man trifft dort auf tolle Menschen, man trifft auf schwierige Menschen. Es wird nette Mitpatienten geben, mit denen Du Dich toll unterhalten kannst, und es wird auch das Gegenteil geben. Du kannst dort lernen, wirklich für Dich selber zu sorgen, indem Du Dich zwar einerseits integrierst und austauscht (das geht in Kliniken oft sehr gut, da man unter Menschen ist, die alle psychische Probleme haben und man quasi in einem Boot sitzt), Dich aber andererseits nicht von dem Drama anderer Mitpatienten beeinflussen lässt und den Fokus konsequent auf Dich und Deine Therapie ausrichtest.
- Bei der Wahl der Klinik wird es wichtig sein, dass die Klinik zu Deinen therapeutischen Anliegen passt. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass größere Kliniken über einen höheren Grad an Differenzierung und Spezialisierung verfügen. Es gibt dort spezielle Gruppentherapien, die auf Dein Krankheitsbild abgestimmt sind, es gibt spezialisierte Therapeuten für verschiedene Erkrankungen, all das findet man oftmals in kleineren Kliniken weniger, da diese gar nicht die Kapazitäten haben, sich auf verschiedne Krankheitsbilder einzustellen.
Es gibt sicherlich auch spezialisierte Kliniken für sehr spezielle Krankheitsbilder, klar, aber gerade wenn man noch neu im Geschäft ist, kann einem eine größere Klinik vielleicht besser helfen, eine genaue Diagnose und einen darauf abgestimmten Therapieplan zu bekommen.
- Man muss sich darüber im Klaren sein, dass in psychosomatischen Kliniken zwischen Einweisung und Aufnahme einige Zeit vergehen kann (nicht muss). Zuerst braucht man die Kostenübernahme der Krankenkasse (kann ein paar Wochen dauern, auch wenn es gerade beim ersten Mal oft unproblematisch geht), dann hat man die Wartezeit in der Klinik, die, je nach Klinik, Station und Jahreszeit, erheblich sein kann, auch als privat Versicherter. Von 2 Wochen bis hin zu 2 Jahren ist da alles möglich. Auch wenn auf der Einweisung akut steht, heißt das nicht, dass es schnell geht.
- Je nachdem, wie schlimm die Lage bei einem gerade ist, kann eine Tagesklinik eine Alternative sein, da sind die Wartezeiten oftmals kürzer, das Therapieprogramm ist sehr, sehr ähnlich, nur dass man halt zu Hause schläft.
Ich wünsche Dir viel Erfolg!
LG Silver