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Hallo an alle,
Ich hab hier schon ein bisschen im Forum herumgelesen und auch viel interessantes gefunden, vor allem die (ganzschön auseinander gehenden) Meinungen über die verschiedenen Therapieformen.

Ich liebäugle derzeit mit der tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, da ich, soweit ich das abschätzen kann, die am ehesten für mich geeignet ist- vom Prinzip her.

Trotzdem ich hier, wie gesagt, schon bisschen gestöbert habe, habe ich keine konkretere Vorstellung davon, was genau in einer solchen Therapie geschieht. Man redet wohl über seine Emotionen, bei aktuellen und vergangenen Sachen; aber wohl nicht so wie bei der Analyse, sondern eher auf Augenhöhe. Aber was passiert da? Wie vollzieht sich da eine Heilung bzw. ein Fortschritt? Werden mir da tatsächlich alte Sachen bewusst zu denen ich vorher keinen Zugriff hatte, und das nur durch Reden.

Wäre hier wer bereit, seine Erfahrungen mit mir zu teilen? Würde mich echt freuen.

09.07.2011 01:02 • 09.07.2011 #1


1 Antwort ↓

Hi,

auch bei einer Analyse ist man auf Augenhöhe - jedenfalls, wenn man einen fähigen Analytiker hat. Nur sieht man sich halt nicht an...

Bei der tiefenpsychologisch fundierten Therapie ist die Theorie und zu einem großen Teil auch die therapeutische Technik identisch mit der Analyse, der Therapeut bringt sich aber i.d.R. etwas mehr ein. Grundsätzlich wird mit dem gearbeitet, was der Patient mitbringt. D.h., der Therapeut gibt keine Themen vor, fragt nicht, wie es einem geht, greift keine Themen (der letzten Stunde z.B.) von sich aus auf. Mit hardlinigen Therapeuten kann das schon mal recht schweigsam werden. Ausnahme ist der Anfang der Therapie, weil der Therapeut ja doch ein bisschen was über den Patienten und dessen Anamnese wissen sollte und das eben ganz normal erfragen muss. In der Therapie erzählt man als Patient dann möglichst ungefiltert, was man für erzählenswert hält - meist ja störungsspezifische Probleme oder Symptome oder sonstige belastende Dinge. Der Therapeut hört zu und liefert ggf. Ideen oder vorsichtige Interpretationen dazu. Er erteilt keine Ratschläge und er bewertet auch nicht!

Die Theorie dahinter beruht auf zwei Dingen: Erstens erhofft man sich, durch das freie Erzählen unbewussten Regungen auf die Spur zu kommen. Die sollten dem (erfahrenen) Therapeuten nämlich auffallen, er fragt dann mal nach oder sagt, was ihm dazu einfällt. Und manchmal hat man dann als Patient ein Aha-Erlebnis und wird sich bislang unbewusster Vorgänge bewusst(er). Das ist die Voraussetzung, um daran arbeiten zu können, um letzten Endes das Unbewusste mit neuen, besseren Erfahrungen zu füttern. Bewusstheit alleine reicht nämlich längst nicht.

Das Zweite ist die therapeutische Beziehung. Die soll eine Gelegenheit für eine solche bessere Erfahrung sein, man soll sein Gegenüber (den Therapeuten) als wertschätzend, verlässlich etc. erleben. Das ist besonders deshalb wichtig, weil man (jeder!) dazu neigt, sich in menschlichen Beziehungen gewissermaßen stereotyp zu verhalten (überspitzt formuliert). Und oft hat die Beziehungsgestaltung unmittelbar mit den psychischen Problemen zu tun, die man so hat. Weil man aber in der tiefenpsychologisch fundierten Therapie als Patient derjenige ist, der die therapeutische Beziehung gestaltet, kommt schon dadurch ein Schwung möglicher Probleme ans Licht. Nur dass der Therapeut nicht so reagiert wie alle anderen, sondern die Auffälligkeiten anspricht, statt sich in eine Rolle drängen zu lassen. Man kann also die eigene Beziehungsgestaltung reflektieren, was Voraussetzung für Veränderungen ist. Und man erlebt eine Beziehung, in der man - egal welche Abgründe sich auftun - nicht abgelehnt wird.

Was Symptome angeht, bekommt man allerdings keinerlei Hilfe. Sie gelten als notwendige Kompromisslösungen, auf die man offensichtlich (noch) nicht verzichten kann. Manche Therapeuten versäumen es leider, ihre Patienten darüber zu informieren, dass mitunter eine Verhaltenstherapie eher (oder zuerst) angebracht wäre, um die Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben zu sichern.

Liebe Grüße
Christina





Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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