Petra65
ich bin erst ein paar Tage hier und möchte mich auch mal vorstellen. Ich heiße Petra, bin 42 Jahre alt, lebe seit einigen Jahren allein und bin seit 13 Jahren geschieden. Ich arbeite im Büro als Sachbearbeiterin / Sekretärin und liebe meinen Job sehr. Er ist auch das, der mein Leben zum größten Teil ausfüllt.
Ich habe hier schon mehrfach gelesen, dass einige genau festlegen können, wann ihre Angstkrankheit angefangen hat. Das kann ich nicht, an ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Schon als kleines Kind hatte ich Angst vor Menschen und habe mich oft hinter meinem kleinen Bruder versteckt. Bis ich 20 war habe ich bei meinen Eltern gelebt. Mein Vater war (ist) sehr dominant und hat vor allem meine Mutter und mich ständig gedemütigt. Ich habe aus meiner Kindheit/Jugend vor allem mitgenommen, dass ich zu allem zu doof bin, nichts richtig machen kann. Meine Mutter war eingeschüchtert und unsicher, ich hatte vor allem Angst. Fragen mochte ich nie stellen, denn auch die waren ja einfach immer nur dämlich, ich hatte meistens Angst und habe mich viel in meinem Zimmer verkrochen, in der Hoffnung, dass der Kelch an mir vorüber geht. Mit knapp 18 habe ich versucht mich mit Tabletten umzubringen. Das hat nicht geklappt leider, hab ich noch bis vor wenigen Jahren gedacht, zum Glück bin ich aber mittlerweile froh zu leben.
Mit Mitte 20 ging es massiv los, dass ich Panikattacken bekam. Wenn ich nur bei der Post ein Päckchen abgeben wollte, Lebensmittel einkaufen, tanken ich bekam Schweißausbrüche, innerhalb von Sekunden liefen mir Ströme über das Gesicht, ich fühlte mich ständig beobachtet, dachte, alle sehen, wie dämlich ich mich anstelle. Ich hatte damals keine Ahnung, was mit mir los war. Angst als Krankheit? Das kannte ich nicht, daher dachte ich lange, es wäre etwas körperliches, dass die Unsicherheit aus der Schwitzerei resultierte, nicht umgekehrt. Ich weiß gar nicht, bei wie vielen Ärzten ich war, bin immer wieder (körperlich) durchgecheckt worden, immer hieß es, ich wäre gesund. Schwitzen ist ja normal und gesund. Blöde Sprüche von Ärzten ohne Ende die mich natürlich noch mehr verunsichert und mich immer mehr in die Isolation getrieben haben. Das war wohl damals mit das Schlimmste, nicht zu wissen was mit mir los war. Zwischenzeitlich war ich der Meinung, dass Hyperhidrose mein Problem wäre, aber auch Mittelchen dagegen haben mir nicht geholfen.
Vor knapp 10 Jahren war es dann so schlimm, dass ich viele Wochen im Jahr krank geschrieben war, um Lebensmittel einzukaufen brauchte ich viele Stunden, weil ich ständig um den Markt herum fuhr + mich nicht traute hinein zu gehen. Ich ging kaum noch vor die Tür, unter Menschen zu gehen war eine Tortur. Selbst wenn ich die Wohnung verlassen wollte, habe ich ewig an der Tür gehorcht, damit ich im Flur ja niemandem begegnete. Es war nicht mehr auszuhalten, deshalb raffte ich mich noch mal auf und ging zum Arzt. Und diesmal hatte ich mehr Glück. Sie sah wohl, was mit mir los war. Zwar dauerte es noch eine ganze Weile, bis ich eine Therapeutin fand, die mir wirklich helfen konnte, aber endlich, endlich konnte ich etwas tun. In Therapie war ich dann etwa ein Jahr, so lange, bis ich begriffen hatte, dass nur ich selber mir helfen konnte, ich musste mich meiner Angst stellen, immer, immer wieder. Es war ein harter Weg, aber der Leidensdruck war inzwischen so groß, dass es keinen anderen gab.
Heute lebe ich ein fast normales Leben. Es gibt immer noch so einiges, was ich noch nicht kann und auch vermeide. Essen in Gesellschaft fällt mir noch immer sehr schwer, Feiern vermeide ich wo es nur geht, in Gesellschaft etwas zu tun, das ich nicht 100%ig kann, vermeide ich auch möglichst.
Ich fühle mich heute gut, bin ein fröhlicher, ausgeglichener und sehr positiv denkender Mensch. Allerdings bin ich auch sehr allein, Spaß, Unternehmungen etc. gibt es so gut wie gar nicht, von daher läuft mein Leben jetzt in immer den gleichen Bahnen ab. Ich fühle mich damit eigentlich ganz zufrieden, denke aber, dass das nicht alles sein kann, das Leben aus mehr besteht, und meine Zufriedenheit vielleicht auch nur für mich eine Ausrede ist, damit ich mich nicht mehr konfrontieren muss.
Ich würde gerne wieder auf Flohmärkte, Stadtfeste gehen, Achterbahn fahren, bummeln gehen, Wien kennen lernen. Allein macht das alles keinen Spaß, und ich würde mich wohl auch nicht trauen. Von daher wünsche ich mir Menschen (nicht nur virtuell) kennen zu lernen, mit denen ich mich austauschen und auch mal was schönes unternehmen kann, einfach wieder am Leben draußen teilnehmen. Einen Partner suche ich derzeit nicht, denn mir ist bewusst geworden, dass ich zu einer Beziehung derzeit noch nicht fähig bin. Zu sehr hat mich die Ehe meiner Eltern geprägt, und diese Prägung konnte ich bisher noch nicht ablegen.
So, das ist jetzt ein ziemlicher Roman geworden. Aber entweder handele ich mein Leben in zwei Sätzen ab, oder es wird eben lang.
Ich freue mich sehr euch hier gefunden zu haben, denn das kennt wohl jeder, Verständnis findet man schon mal, aber wirklich verstehen können einen nur Menschen, die das gleiche mitgemacht haben.
Ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende.
Petra
02.02.2008 08:17 • • 05.02.2008 #1