Zitat von Shelby: Meine Kritik an vielen (älteren) Therapie Methoden ist nun, dass anstatt Gesundheit zu fördern und dabei darauf zu schauen was für diesen Klienten individuell gesund ist, man doch meist den Klienten als pathologisch betrachtet hat und darauf aus war dass der Patient dies nun unbedingt einsehen müsse und vor allem bis auf den Meeresgrund seiner Seele suchen müsste was denn so falsch an ihm sei. Die Analyse ging davon aus, dass allein zu wissen warum man ein Problem hat, das Problem schon löse.
Nicht unbedingt.
Die Analyse und andere (die unbewussten Anteile) aufdeckende Therapien machen eher ein Angebot.
Der Patient kommt mit einem Problem und hat zu dem Problem in der Regel eine Geschichte. Die geht meistens so, dass man selbst zwar vielleicht hier und da seine kleinen Macken hat, aber alles in allem doch ein Mensch ist, mit dem man bestens auskommen kann. Nur die anderen scheinen das nicht zu merken und verhalten sich unmöglich. Freud nannte das den privaten Mythos, der einem im Kern immer als guten Menschen dastehen lässt.
Analytiker sagen, aufgrund ihrer Theorie, dass jeder Mensch immer auch sexuelle und aggressive Triebe hat, dass sie die Geschichte, die der Patient erzählt hat, erweitern und kompletter erzählen können und zwar in dem sie jene Aspekte als Erklärungen für Konflikte einbauen, die wir als Gesellschaft gerne verdrängen und bei uns selbst nicht haben wollen. Manche haben eher sexuelle, andere eher Aggressionsprobleme, manchmal beides.
Die Erzählung des privaten Mythos unter Berücksichtigung der Komponenten Sexualität und Aggression ist die Deutung, ein Angebot, das man zunächst in der Regel völlig absurd findet (Was? Ausgerechnet das ist bei mir ganz sicher nicht der Fall., ist dann eine häufige Reaktion), aber Analytiker sagen, man solle sich die Geschichte einfach noch mal unter dem Aspekt anschauen.
Wenn man das annehmen kann, sieht man alles noch mal in einem ganz anderen Licht und selbst ist man etwas wenier großartig, als man denkt. Da ist man dann doch mal neidisch, geizig, missgünstig oder schadenfroh. Doch die Analytiker werten nicht (das sollten sie zumindest nicht), sondern zeigen einfach, dass es so ist, bei den anderen und bei mir eben auch. Es wird allgemein anders inszeniert, Mitleid Ach Gott, der Arme kann eine Reaktionsbildung (ein gesellschaftlich akzeptierte Form) gegen Entwertung sein, etwa: Der kriegt das sowieso nicht hin (der Trottel).
Das ist der Mechanismus der Wirkung und die für den Patienten schwierige Aufgabe ist, die dunklen und verdrängten oder verleugneten Bereiche ins eigene Leben und eigene Ich einzubauen. Wenn das gelingt, erkennt man den eigenen Anteil an Streits oder Verwirrungen besser, bei denen man sich ansonsten immer notorisch unschuldig fand.
Ansonsten sind aber die Richtungen, die sich im Strategien der Heilung kümmern im kommen und sehr gut, das schließt sich aber nicht aus, beides kann auf einander aufbauen.
Zitat von Shelby: Ich glaube dass sich gesunde Lebewesen immer an Gesundheit orientieren. Alles Kranke stößt sie ab. Nur der Neurotiker macht es anders rum. Es geht also darum sich umzudrehen und die Richtung zu ändern. Und die Regeln zu brechen, die falschen Regeln die einem auf indoktriniert wurden. Der Klügere sollte eben nicht nachgeben. Und es ist nicht böse den letzten Keks vom Teller zu nehmen. Und ja, man darf Mama und Papa widersprechen.
Das ist so irgendwo zwischen Nietzsche und Narzissmus und erscheint mir übers Ziel hinaus.
Es ist nicht selten, dass wenn man einen Bereich in sich lange Zeit nicht gelebt hat, man den anderen Pol überdehnt, man hat was nachzuholen.
Was wir ausbalancieren müssen ist ja, dass wir auf der einen Seite ultrakooperative Wesen sind und zugleich auch sehr aggressive Wesen. Wenn man dann endlich seine Aggressionen entdeckt, geht es ja nicht darum, jetzt nur noch aggressiv zu sein, sondern zu wissen, dass man es kann, wenn es drauf ankommt. Man kann und wird sich wehren, man wird zusehen, dass man auch was vom Kuchen abbekommt und so weiter.
Aber der Aspekt der Sorge, dass wir anderen helfen, fällt ja dabei nicht unter den Tisch. Das alles ist nicht starr und auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden immer wieder neu verhandelt.