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Ist jemand von euch der Psychiatrie bzw. der Psychotherapie gegenüber eher kritisch eingestellt - sei es aufgrund von eigener Erfahrungen oder sonstigen Ursachen? Haben vielleicht die bisherige psychotherapeutische Behandlung oder die Psychopharmaka nicht gewirkt? Seid ihr dem Ganzen grundsätzlich skeptisch gegenüber? Würde mich echt interessieren.

17.09.2024 14:28 • 19.09.2024 x 1 #1


34 Antworten ↓


Ich bin seit vielen Jahren psychisch schwer krank
Bin seit bald 7 Jahren durchgehend in Psycho Psychotherapie bis jetzt hat sie mir nicht geholfen

Ich persönlich stehe der Psychotherapie skeptisch gegenüber durch meine persönlichen Erfahrungen

Ich kenne aber auch viele denen es wirklich sehr geholfen hat

Psychopharmaka stehe ich persönlich gut gegenüber da sie mir sehr geholfen haben und ich ohne sie heute wahrscheinlich nicht mehr hier wäre

A


Psychiatrie- bzw Psychotherapie-kritisch?

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Sehe es ähnlich wie meine Vorrednerin.

Medikamente ja, Therapie nur bis zu einem gewissen Grad. Bin seit 12 Jahren in unterschiedlichen Therapien gewesen, einen richtigen Durchbruch hatte keine. Habe immer noch Suizidgedanken und verfalle in alte Muster, sobald Stress aufkommt. Bin gerade in der Akzeptanzphase, dass ich damit so wohl leben muss.

So sehe ich es auch. Bin empfindlich auf jeden Versuch der Manipulation. Durchschaue es, auch wenn es gut gemeint ist. Da funktioniert Psychotherapie nicht. Mit Medikamenten bin ich bis zur Diagnose medikamentös gut eingestellt gekommen und seit paar Wochen nehme ich nichts mehr und bin mit der Sache durch. Dachte auch, dass ich das Medi bis zum Ende nehmen muss.

Herzlichen Dank euch allen!

Es gibt, wie überall, Bewegungen in die eine oder andere Richtung.
Man kann nicht generell sagen, dass die Psychiatrie oder Psychotherapie gut oder schlecht ist, viel hängt auch damit zusammen, die richtige Kombination für den Einzelfall zu finden.
Allgemein ist vieles im Umbruch, die Psychiatrie wird immer multimodaler und 'subjektiver', man weiß, dass man keine Messgeräte oder Laborparameter hat, also verlässt man sich endlich wieder aufs Gefühl.
Die Diagnosebücher der Psychotherapie werden gerade erneuert, es gibt die Einbindung breiterer außertherapeutischer Maßnahmen und so weiter, andererseits ist der Vormarsch der Psychopharmakologie eher kritisch zu sehen.

@RobertAntonG Bei mir ist es gerade andersrum wie bei meinen Vorrednern - ich stehe der Psychiatrie und der breiten Palette von Psychopharmaka sehr kritisch gegenüber. Ich habe noch keinen Psychiater getroffen, dem ich vertrauen würde und ich glaube, dass man mit Medikamenten nur die Probleme deckelt und sich dadurch viel verbaut (Ausnahme schwere Depressionen mit Suizidgedanken, da geht es oft nicht anders).

Ich bin aber ein großer Fan der Psychotherapie und glaube, dass man mit der richtigen Therapieform, dem passenden Therapeuten und dem Willen, sich zu ändern viel erreichen kann.

@Kruemel_68

Tendenziell vertrete ich auch diese Richtung, aber in der Psychiatrie tut sich gerade was.
Was nicht heißt, dass man nicht noch immer gegen ältere Strukturen ankämpfen muss.

@RobertAntonG
Die Sprachwissenschaftlerin Elke Prestin ist als Patientin einige Monate in der Akutpsychiatrie behandelt worden. Sie hat auf Grund ihrer Erfahrungen als Patientin angefangen sich mit der Psychiatrie auseinanderzusetzen. U.a. hat sie den nachfolgend verlinkten Aufsatz zusammen mit Michael Schulz zum Thema „KommuniKation in der stationären Akutpsychiatrie” geschrieben.
Es sind 12 Seiten. Dieser Aufsatz sollte Pflichtlektüre in der Facharztausbildung im Bereich Psychiatrie und Neurologie und von Pflegekräften in der Psychiatrie werden.
https://www.thieme-connect.com/products...275380.pdf

@Chris_ohne_BBBB Herzlichen Dank!

Hallo! Ein sehr interessantes Thema, super! Ich bin den regulären Therapieformen mittlerweile fast schon abgeneigt. Ich habe mehrere Verhaltenstherapien gemacht und einen psychosomatischen Klinikaufenthalt. Beides hat für eine gewisse Zeit funktioniert, jedoch nicht auf Dauer, sprich geheilt wurde ich dadurch nicht. Ich habe alles mögliche umgesetzt was ich da gelernt habe und habe das erlernte bis heute in mein Leben integriert. Trotzdem bekam ich wieder Panikattacken und Ängste, sodass ich vor kurzem auf mein altes Paychopharmaka zurückgreifen musste. Und ja das hilft. Auch dem bin ich kritisch gegenüber und wünschte es würde ohne gehen, tut es aber im Moment nicht. Ich denke die Zukunft liegt in den neueren Therapiemethoden, Ego State, ioPT und ein paar andere mit denen ich mich nicht auskenne. Auch glaube ich mittlerweile an unsere Selbstheilungskräfte und denke, dass jeder für sich einen guten Weg finden muss mit sich gut umzugehen. Gerne mit Begleitung von außen, aber nicht mit den „alten“ Methoden. Ich beschäftige mich viel mit Epigenetik und Trauma, ich denke da liegt der Schlüssel.

Wenn es um Angst und Depressionen geht, stehe ich grundsätzlich beidem - also Psychotherapie und auch Psychopharmaka - positiv gegenüber.

Es kommt aber wie so oft auf die Probleme, die Lebensgeschichte, den Therapeuten, die Therapie, die Medikamente und nicht zuletzt die eigene Einstellung an.

Psychische Krankheiten können nicht (oder nur ganz selten) wie eine Grippe oder ein Beinbruch geheilt werden.

Psychopharmaka sind gut, um die Angst soweit zu dämpfen dass man wieder handlungsfähig wird. Das Problem ist u. U., davon später wieder loszukommen, aber trotzdem würd ich persönlich nicht drauf verzichten wollen.

Bei der Therapie (egal welche) sehe ich es so, dass Therapie und Therapeut einen nur in die richtige Richtung schubsen können. Therapie bedeutet sehr viel an sich selbst zu arbeiten, mitunter viele seelische Schmerzen aushalten zu müssen und tief in sein Innerstes zu gehen. Das kann kein Therapeut für einen tun, er kann einem höchstens die grobe Richtung vorgeben. Die Hauptarbeit muss man selbst leisten und das unterschätzen viele glaube ich.

Man geht nicht in eine Therapie, unterhält sich ein bisschen und kommt dann geheilt wieder nach Hause. Man kann viel über sich selbst lernen, auch beängstigendes – aber es lohnt sich am Ende.

Grade deswegen ist es aber auch wichtig, den richtigen Therapeuten zu haben der einen genau in dem Maße lenkt, wie man es nötig hat und es einem gut tut.

Das Fachgebiet der Psychiatrie ist die einzige medizinische Fachrichtung die außer der Heilung oder zumindest Behandlung von Patienten auch noch eine andere Aufgabe hat. Sie soll die Gesellschaft vor psychisch kranken Menschen schützen. Bei den Patienten der Forensik liegt der Grund meistens auf der Hand. Es gibt aber auch nicht straffällig gewordene Patienten, die Zwangseinweisungen und andere Zwangsmaßmahmen über sich ergehen lassen müssen. Auch um sie davor zu bewahren sich selbst oder andere zu schädigen, aber auch um die Gesellschaft vor ihnen zu “schützen”.

M.E. ist die Psychiatrie Fluch und Segen zugleich. Es gab und gibt ? Bestebungen die Psychiatrie menschlicher zu gestalten und das ist wirklich notwendig.

Ein Kommentar von Lea De Gregorio:

„Kommentar: Mehr Mitbestimmung für die Patienten”

https://www.deutschlandfunkkultur.de/kr...n-100.html

Zitat von RobertAntonG:
Ist jemand von euch der Psychiatrie bzw. der Psychotherapie gegenüber eher kritisch eingestellt - sei es aufgrund von eigener Erfahrungen oder sonstigen Ursachen? Haben vielleicht die bisherige psychotherapeutische Behandlung oder die Psychopharmaka nicht gewirkt? Seid ihr dem Ganzen grundsätzlich skeptisch ...

Ich finde die Ausgangsfrage Psychiatrie oder Psychotherapie nicht korrekt gestellt. Die Psychiatrie ist ja in erster Linie für psychiatrische Erkrankungen (z.B. Schizophrenie, Psychosen u.ä. ) oder bei akuter Selbstgefährdung oder Gefährdung von anderen zuständig, während eine Psychotherapie bei psychischen Erkrankungen wie Ängsten, Depressionen angewendet wird. Wenn das stationär behandelt wird, dann in einer psychosomatischen Klinik und nicht in der Psychiatrie.
In der Psychiatrie war ich nie, hatte aber mehrere ambulante Psychotherapien gehabt und einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Rehaklinik. Mir persönlich hat das alles nicht geholfen, aber das liegt an mir, weil ich nie bereit war, mich darauf einzulassen. Ich rede einfach nicht über mich, meine Gefühle, meine Ängste etc. Bei vielen anderen hilft das.
Medikamenten gegenüber bin ich sehr positiv eingestellt, weil sie mir helfen. Ich nehme seit 25 Jahren Antidepressiva.

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
Es sind 12 Seiten. Dieser Aufsatz sollte Pflichtlektüre in der Facharztausbildung im Bereich Psychiatrie und Neurologie und von Pflegekräften in der Psychiatrie werden.

Sehr guter Text, über den man diskutieren könnte, ich wäre dabei.

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
Es sind 12 Seiten. Dieser Aufsatz sollte Pflichtlektüre in der Facharztausbildung im Bereich Psychiatrie und Neurologie und von Pflegekräften in der Psychiatrie werden.

Man könnte bspw. die 4 Fragen am Ende besprechen.
Insgesamt hält das, was im Text für die Psychiatrie angemahnt wird, z.B. in die multimodale Schmerztherapie Einzug.
Da ist es in guten Fällen nicht Wir, das Team, das über den Patienten richtet, sondern der Patient/die Patientin ist selbstr Teil des Teams. Die Psychiatrie könnte langsam in diese Richtung gehen, angesichts der Krankheitsbilder natürlich ein schweres Unterfangen. In einer manischen Phase oder in anderen Ausnahmesituationen möchte man vielleicht selbst nicht über sich entscheiden, jedenfalls wenn man sich außerhalb der Episoden befindet.

Die Pflege kenne ich von der Innenschau, allerdings nicht Psychiatrie, sondern andere Stationen, die beschriebenen Probleme sind aber analog.
Die Psychiatrie kenne ich über einen Bekannten, der dort als Arzt arbeitet und eine enge Freundin die dort Ärztin ist, aktuell in der Neurologie tätig, letzte Woche konnte ich noch einer psychiatrischen Fortbildung beiwohnen zum Thema Suizidalität. An der Front ist man im Begriff umzudenken, das ist erfreulich.

Bis sich diese Impulse in feste Strukturen umsetzen, dauert es natürlich wieder. Die sprechende Medizin ist überall ein wichtiges, aber noch immer unterschätztes, da unterfinanziertes Thema.
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„Eine humane, den Patienten wirklich wertschätzende Psychiatrie wäre vielleicht eher erreichbar, wenn sich alle Mitarbeiter ehrlich einer Reihe von Grundsatzfragen stellen würden:

1. Gibt es ein Recht auf Krankheit? Das bedeutet: Werden Lebenskrisen als Zei- chen des Versagens in einer allein auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft gesehen oder als Möglichkeit zum per- sönlichen Wachstum?

2. Was ist das oberste Ziel psychiatrischer Behandlung: die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Funktionsfähigkeit des Patienten oder dessen subjektiv empfundene Genesung?

3. Welches ist der angemessene Weg zur Gesundung bzw. Genesung: Sollen die Behandler den Patienten zu erwünsch- tem Verhalten erziehen? Oder besteht die gemeinsame Aufgabe von Patienten und Behandlern darin, nach individuellen Wegen des Wachstums zu suchen und die Selbstheilungskräfte zu akti- vieren? Kurz: Geht es ums Zurechtstut- zen oder darum, Raum, Licht und Luft zum Wachstum zu geben?

4. Wenn die gesellschaftlichen Bedingun- gen immer mehr Menschen psychisch krank werden lassen: Ist dann die Psychiatrie der verlängerte Arm der Gesellschaft, um die Menschen wieder funktionsfähig zu machen (oder auszu- sortieren)? Oder ist die Psychiatrie der Anwalt der Betroffenen, ein Unterstüt-
zer im Ringen um eine lebensgerech-
tere Welt?”

Zitat von Cbrastreifen:
Man könnte bspw. die 4 Fragen am Ende besprechen.

Gerne greife ich deinen Vorschlag auf.
@ all Was denkt Ihr darüber?

Die Fragen habe ich oben zitiert.
Quelle:
https://www.thieme-connect.com/products...275380.pdf

Ich würde gerne noch eine 5. Frage hinzufügen:

Was bräuchte es damit Menschen mit psychischen Erkrankungen gesund (oder gesünder) werden können?

Zitat von RobertAntonG:
Ist jemand von euch der Psychiatrie bzw. der Psychotherapie gegenüber eher kritisch eingestellt - sei es aufgrund von eigener Erfahrungen oder sonstigen Ursachen? Haben vielleicht die bisherige psychotherapeutische Behandlung oder die Psychopharmaka nicht gewirkt? Seid ihr dem Ganzen grundsätzlich skeptisch ...

Ich befinde mich seit einigen Monaten in verhaltenstherapeutischer Behandlung, stelle für meine Wenigkeit allerdings keine signifikante Besserung fest. Da ich dazu neige, in Dingen, welche anderen Menschen einen gewissen Halt geben, je nach psychischer Konstitution nur eine flüchtlige Illusion sehe und mich gedanklich in existenziellen Themen verrenne, erachte ich dieses standardisierte Konzept einer Verhaltenstherapie in meinem Fall als unangebracht, weil diese oft nur auf symptomorientierte Ansätze abzielt, die spezifische Verhaltensweisen oder Denkmuster adressieren, ohne die tiefgreifenden philosophischen und existenziellen Fragen zu berücksichtigen, welche mich als Betroffenen umtreiben.

Und gerade aufgrund des standardisierten Charakters zeichnen sich die Mechanismen und Muster der Therapie schnell ab - ich persönlich empfinde sie als zu simplistisch und wenig auf mich als individuellen Patienten zugeschnitten. Allerdings wüsste ich auch nicht, was für eine Therapieform für mich potentiell infrage kommen könnte.


Escitalopram erzielt bei mir auch keine sonderbare Wirkung, stabilisiert allerdings ein klein wenig.

A


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