Hallo Anna,
es ist ganz bestimmt nicht so, dass Du kein Mensch für Therapie bist, absolut nicht! Ich glaube, so etwas gibt es eher selten (bis gar nicht), dem einen fällt es leichter, dem anderen schwerer, über Probleme zu reden. Die Situation ist für Dich noch neu, es ist ganz klar, dass Du Dich erst daran gewöhnen musst.
Um die Sache mal ins Verhältnis zu setzen: 2 Monate Therapie ist überhaupt keine Zeit! Wie viele Stunden sind das gewesen, 6, 8, 10? Das ist keine lange Zeit, nicht mal im Ansatz! Es gibt Menschen, die sind seit Jahrzehnten in Therapie, haben mehrere hundert Stunden hinter sich und tun sich noch immer schwer.
Gerade, wenn man zurückhaltender ist, dauert es etwas länger. Und immerhin redest Du ja mit ihm, eine Mitpatientin von mir mit ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung hat mit ihrem Therapeuten über mehrere Monate hinweg fast nur schweigend zusammengesessen, aber irgendwann ist der Knoten geplatzt und es ging.
Therapeuten sind unterschiedlich in ihren Reaktion auf solche Patienten. Einige ruhen in sich und können so etwas gut aussitzen und aushalten, andere reagieren verunsichert und wissen nicht genau, was sie tun sollen.
Solche Sprüche sind schwierig, aber wie Du schon selber sagtest, war es wohl auch nicht böse gemeint.
Manchmal versuchen Therapeuten, zu provozieren, um eine Reaktion zu bekommen.
Und am Rande bemerkt: Es gibt auch Patienten, denen solche Aussagen schlicht und ergreifend sehr schmeicheln und die sich dadurch erst gesehen und wertgeschätzt fühlen (im Sinne von: Oh, ich bin ein so besonderer Patient, ein ganz besonders schwieriger Fall mit ganz besonderen Bedürfnissen, kein 08/15 Patient, er erkennt meine Besonderheit, meine Einzigartigkeit und die besondere Schwere meines Falls. Vielleicht etwas schwer nachzuvollziehen (und vielleicht auch etwas fies formuliert, ist nicht abwertend gemeint, überhaupt nicht, diese Patienten haben oftmals wirklich schwere Probleme), aber tatsächlich verbreiteter, als man meint. Und wenn er viel mit solchen Patienten arbeitet, war es vielleicht sogar nett gemeint (um die Ecke herum).
Und davon abgesehen ist es einfach auch ein typischer Therapeutensatz, den kenne ich unendlichen Variationen, gib' einfach nichts drauf, viele Therapeuten sagen solche Sachen ständig, warum auch immer. Es ist fast so etwas wie das Pendant zu folgendem Satz in der Schule: So eine schwierige Klasse wie Euch hatte ich noch nie. Diesen Satz hat wohl auch fast jeder in seiner Schulzeit mal gehört und er hat da auch nichts bedeutet, sondern war ein typischer Lehrersatz. (Und auch hier gab es Schüler, die stolz darauf waren, ihn zu hören, und andere waren verletzt.)
Sicherlich sollte man ein aufmerksames Auge darauf haben, wie sich die Sache entwickelt, es gibt auch Therapeuten, die aus dieser eigenen Hilflosigkeit nicht herauskommen und sich immer wieder darauf zurückziehen, dann sollte man über einen Wechsel nachdenken. In jeder Therapie darf es Situationen geben, wo der Therapeut auch mal sagt Da bin ich jetzt hilflos, aber es darf nicht zur Dauereinrichtung werden, in der er dann letztendlich die Verantwortung komplett bei Dir lokalisiert (solche Therapeuten gibt es leider auch), er ist der kompetente Gesprächspartner im Raum, der Dir helfen soll.
Gib' der Sache einfach Zeit, das wird werden, ganz bestimmt. Geduld ist hier gefragt.
Und er wird bestimmt noch ein paar Ideen finden, wie Ihr das Problem lösen könnt. Vielleicht gibst Du ihm Deine schriftlichen Notizen einfach zu Beginn der Stunde, dann weiß er, wo er ansetzen kann, ich kenne viele, denen das geholfen hat.
Weiterhin viel Erfolg, lass' den Kopf nicht hängen und zweifele nicht an Dir, Du machst das schon alles richtig so!
Es braucht nur einfach mehr Zeit.
LG Silver
01.07.2021 01:29 •
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