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Hallo zusammen, ich bin -was Angsterkrankungen angeht- ein alter Hase - seit mind. 37 Jahren habe ich eindeutige Symptome und man kann davon ausgehen, dass ich auch schon als kleines Kind unter diversen Ängsten gelitten habe. Das alles wurde viele Jahre nicht richtig diagnostiziert bzw. mit falschem Ansatz behandelt: erst um 2010 herum bekam ich dann gültige Diagnosen durch den hochangesehen Leiter einer psychiatrischen Klinik - die mich nach vielen Jahren Quälerei dann endlich als wirklich krank bestätigten - und trotz langen Jahren der REHA schlussletztendlich Mitte der 2010er zur Verrentung führten.
Ganz zu Beginn der Zeit mit dramatischen Symptomen (Anfang des 3. Lebensjahrzehnts, also mit 21 oder 22) bekam ich durch einen Psychiater eine Psychoanalyse im Liegen verordnet, die ein noch in Ausbildung befindlicher Therapeut durchführte. Das gilt heute als Ursache der Chronifizierung - falsche Therapieform (VT wäre ideal gewesen), unerfahrener Therapeut - der meine Symptome regelrecht missachtete, um einen möglichst schlüssigen Therapieverlauf für seinen Ausbilder zu haben.
Da Teile der REHA auch nicht-medizinisch waren, bin ich seit 2012 zwar ambulant an einen niedergelassenen Psychiater angebunden, der jedoch wegen akuter Überarbeitung Termine nur noch bei Verschlimmerung machen würde, den ich also seit 18 Monaten nicht mehr gesehen habe. Und auch dann ist die Taktung ca. 10 Minuten - ein wirkliches Gespräch entwickelt sich da nicht.
Seit Anfang 2020 versuche ich also, einen Therapieplatz zu bekommen, um all die Entwicklungen, die sich seit Diagnosenstellung, Verrentung etc. ergeben haben, im Gespräch zu bearbeiten. Ich habe keine Erwartung, noch geheilt zu werden, aber ich habe Leidensdruck, Depressionen, Gesprächsbedarf - und obendrein auch neue Impacts im heutigen Leben. Es gäbe also Themen, die nicht nur Konversation wären, sondern die so bearbeitet werden könnten, dass eine gewisse Erleichterung eintritt.
Persönliche Nachfragen via Telefon und eMail führen entweder zu sofortigen Absagen (alles dicht) oder schlicht zu ausbleibender Antwort. Das habe ich mehr als 20 mal versucht. Insgesamt habe ich nun auch ca. 7-9 Vermittlungscodes und PTV11-Formulare gesammelt, mit denen ich über die Terminservicestelle 116 117 auch tatsächlich Termine bekam.
Das allerdings lief so ab: Man kommt nach oft 4-5 Wochen Wartezeit zu einer Therapeutin/einem Therapeuten, die einem teilweise schon zu Beginn der Sitzung sagen, sie hätten aber keinen Therapieplatz frei. Dann spricht man 50 Minuten, bekommt einen neuen Code, ruft wieder die TSS an. Nach einigen Terminen dieser Art habe ich eine Erweiterung des Formulars bekommen - ein Kreuzchen bei ambulante psychotherapeutische Akutbehandlung. Nach der Theorie der Terminservicestelle bekommt man damit 5-8 Akuttermine bei einem Therapeuten, der sich bei der TSS hat listen lassen, dass er so etwas anbietet. Die beiden Therapeut*Innen, die ich aber mit diesem Schein aufgesucht habe, waren im wahren Sinne traumatisierend. Es war direkt klar, dass sie einen auf jeden Fall nicht (!) behandeln wollen. Die Diagnosen, welche 2 habilitierte Professoren, Gutachter der Rentenversicherung, Gutachter der Schwerbehindertenstelle alle so bejaht und ernst genommen haben, wurden auf den Kopf gestellt. Nicht geglaubt. Eine der beiden Therapeut*Innen war alt (was kein Problem sein muss), aber auf eine 60er Jahre-artige Weise autoritär und herablassend - und diagnostizierte mich als pathologische Persönlichkeit. Also: selbst Schuld! Therapeut*In Nr. 2 hörte 15 Minuten -unablässig in den Computer hackend- ohne jede Rückfrage zu, stellte dann Diagnosen, Medikation und mich als Person in Frage, provozierte so sehr, dass ich die Sprechstunde verließ. Ein Vorwurf war: Sie sind so höflich, das bedeutet, Sie sind passiv aggressiv, und Sie machen mich unendlich wütend.
Summa summarum: einige der Therapeut*Innen über die TSS waren ok und zugewandt, aber wollten außer der einen Sprechstunde auf keinen Fall mehr machen, und diejenigen, die theoretisch mehr machen wollten - wollten mich auf keinen Fall als Patient. Es mag am Alter liegen, es mag daran liegen, dass ich keine leichten Erfolgserlebnisse mehr verspreche. Jedenfalls war ich 2x in einer unfassbar quälenden Situation. Und vorher habe ich im Monatsrhythmus Termine abgeklappert - ohne Sinn.
Letztlich muss ich akzeptieren, dass ich wohl niemand mehr finden werde. Wird mein Zustand noch schlimmer, bleibt mir an sich ja nur der Versuch, mich hospitalisieren zu lassen - wovor ich große Angst habe, denn erstens erwarte ich auch dort nach all den heutigen Erfahrungen eine schlechte Behandlung, und zweitens sind meine Ärzte, bei denen ich mich damals wohl gefühlt, ernst genommen und beschützt gefühlt habe, pensioniert.
Eigentlich habe ich gar keine sinnvolle Frage hier zu stellen, denn natürlich kann mir keiner einen Tipp geben, wo sich ein einfühlsamer Therapeut herzaubern lässt - vielleicht wollte ich mir den Frust von der Seele schreiben.
Ach so: die Krankenkasse hat bereits signalisiert, dass sie Privatkonsultation NICHT übernimmt, und meine Sozialrechtsanwältin hat mir gesagt, dass es sehr schwer würde, das juristisch zu erzwingen.
Danke für's Lesen!

15.05.2021 11:05 • 31.07.2021 x 2 #1


38 Antworten ↓


Hallo Xanaxdu,

es tut mir ganz unheimlich leid, was Dir da passiert ist. Das System kann einfach besch*** sein.

Und ich kann nur sagen, dass ich total nachvollziehen kann, dass einem da die Puste ausgehen und die Perspektive verloren gehen kann.
Ich kann Dir trotzdem nur wünschen, es weiter zu versuchen. Ich bin jetzt selber seit über 10 Jahren in diesem System, und ich weiß aus persönlicher Erfahrung und aus Erfahrungen von Mitpatienten aus klinischen Aufenthalten, wie zermürbend das sein kann, wie lange es dauern kann, einen ambulanten Therapieplatz zu bekommen, wie lange man suchen muss und wie viele Ablehnungen und schwierige Gespräche man ertragen und verarbeiten muss. Ertragen ist vielleicht ein etwas zu starkes Wort, aber was man zum Teil von solchen Gesprächen hört, trifft es imho manchmal einfach den Kern.

Jetzt mal einfach so, mit den Infos, die Du geschrieben hast, von außen draufgeschaut, würde ich es an Deiner Stelle vielleicht tatsächlich nochmal stationär versuchen, also von dem Psychiater, bei dem Du Patient bist, eine Verordnung für eine psychosomatische Klinik holen. Ich weiß, Du hast gesagt, dass Du Klinik nicht mehr möchtest, aber Psychosomatik läuft ja etwas anders als Psychiatrie und ich könnte mir vorstellen, dass es vielleicht nochmal einen Versuch wert wäre.
Denn auch wenn es schwierig sein kann, die Genehmigung für den Platz von der Krankenkasse zu bekommen, wirst Du auf diesem Weg vermutlich schneller an therapeutische Hilfe kommen als auf ambulantem Weg. Die Therapie dort ist intensiv, auch die Diagnostik könnte nochmal schriftlich bestätigt werden. Und oft kümmern sich die Kliniken auch um ambulante Nachversorgung ihrer Patienten, Du kannst (ärztlich/therapeutische) Kontakte knüpfen, die Dir vielleicht helfen können.

Krankenkassen wehren sich manchmal, was die Genehmigung angeht, wenn keine ambulante Therapie läuft, aber das ist kein Hinderungsgrund, der Psychiater kann begründen, warum aktuell die Versorgung ambulant nicht gewährleistet ist und warum ein stationärer Aufenthalt unumgänglich ist, das akzeptieren die Krankenkassen meistens. Zumindest habe ich viele Patienten kennengelernt, die ihren Platz auch ohne ambulante Therapie genehmigt bekommen haben.
Oder vielleicht erstmal eine psychosomatische Tagesklinik, wäre das etwas?

Falls Du Klinik wirklich so gar nicht möchtest, kann ich Dir nur die Daumen drücken, dass Du die Kraft wiederfindest, weiterzukämpfen.
Weitere hilfreiche ambulante Hilfestellungen, die ich sinnvoll und unterstützend fand, waren bei mir
- ambulante psychiatrische Pflege
- psychiatrische Ergotherapie
- Anbindung an die örtliche psychiatrische Institutsambulanz
Alles Stellen, wo man auf Leute treffen kann, die einen gesprächstherapeutisch unterstützen können, ohne niedergelassene Therapeuten zu sein.

Aber im Wesentlichen möchte ich Dir einfach nur sagen, wie leid es mir tut, wie das bislang bei Dir gelaufen ist.
Ich kenne auch ganz viele Patienten, die wirklich Ewigkeiten nach einem ambulanten Therapieplatz suchen mussten, gerade auch dann, wenn Diagnosen mit im Spiel sind, die einige Therapeuten nicht so gerne behandeln. Gib' nicht auf! Kämpfe weiter, es lohnt sich!
Und ich möchte Dir die Angst vor psychosomatischen Kliniken nehmen, da kann man wirklich gut Hilfe finden und sich gut aufgehoben fühlen (auch wenn es keine Psychiatrie ist). Du wirst auch dort auf Ärzte und Therapeuten treffen, die Dich ernst nehmen und Dir das Gefühl von Schutz geben können. Und Dir vielleicht auch bei der Suche nach einem ambulanten Therapieplatz helfen können.

Ich weiß, dass das, was ich Dir geschrieben habe, jetzt wahrscheinlich auch nicht hilfreich war und ich Dir auch nichts erzählen kann, was Du nicht schon vorher wusstest. Ich möchte Dir einfach nur Mut machen, weiterzukämpfen und Dir sagen, dass Du nicht alleine bist! Dir mein Verständnis und Mitgefühl rüberschicken, meine Solidarität und meinen geteilten Frust mit dem System, gegen das man da ankämpfen muss, übermitteln.

Ganz viel Kraft,
LG Silver

A


Kein Therapieplatz zu finden/Terminservicestelle sinnlos

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Silverleaf, vielen Dank, ich weiß Dein Mitgefühl zu schätzen. Klinik ist aus verschiedenen Gründen sehr schwierig für mich, weil ich eben eine multiple Angsterkrankung habe. Man merkt mir das nicht an, aus dem Stadium von Panikattacken bin ich shon lange raus - aber man muss es sich so vorstellen, dass ich stänig alle Sensoren ausgefahren habe, extrem vorsichtig bin - und das alles bei einem gleichmütigen freundlichen Auftreten. Für mich wäre eine Hospitalisierung also zunächst einmal Dauerstress, und FALLS es dann kippt, setzt bei mir der Fluchtreflex ein. So wie es mir augenblicklich geht, ist eine Klinik eher bedrohlich als beschützend. Es hat viel mit Vertrauen zu tun, und mir fehlen Anker.
Vielleicht schreibe ich später noch etwas dazu. Ich wollte mich zunächst erst einmal bedanken.

Hallo Xanaxdu,
Ich kann dich komplett verstehen, ich bin leider in einer ähnlichen Situation und finde auch einfach keinen ambulanten Therapeuten, der über die Kasse abrechnet. Jetzt bin ich bei einem privaten und versuche die Kostenerstattung, auch wenn es sehr wahrscheinlich nicht klappt. Eventuell kannst du noch Widerspruch einlegen, aber dazu muss man auch erstmal die Kraft haben, sich immer wieder mit der Kasse zu streiten.
Ich habe auch bei der psychiatrischen Institutsambulanz ziemlich schnell Hilfe bekommen und vielleicht versucht du es auch dort einmal (wenn es bei dir eine gibt in der Nähe). Ein weiterer Tipp ist eine Hochschulambulanz, da bekommt man meistens auch etwas früher einen Termin. Aber auch dort sind bei uns 2-3 Monate Wartezeit bis zum Erstgespräch normal.
Mehr Tipps kenne ich leider auch nicht, versuche einfach immer dran zu bleiben und es weiter zu versuchen, auch wenn es manchmal schwer ist.

Ja, mein Problem ist sicher auch, dass ich knapp 20 Jahre funktioniert habe. Unabhängige und gereifte Personen haben mich z.B. während einer beruflichen REHA als Person beschrieben, von der man denkt, da ruht jemand in sich selbst und ist völlig souverän. Ich habe also offenbar schauspielerisches Talent. Bei Ärzten schaffe ich es nicht, bei Erstgesprächen zu weinen, zu bitten, Verzweiflung zu zeigen oder ähnliches.
Meine Erkrankung hat man mir in der Psychiatrie wirklich erst geglaubt, als ich angesichts der vollen Besetzung einer Chefarztvisite überfordert war, flüchten wollte, ja nicht durfte und deshalb mein Sakko komplett durchgeschwitzt habe. Ich meine das genau so: Ich habe (ohne zu zittern oder zu stottern) körperlich so massiv durch Schweißausbrüche reagiert, dass eine Schwester mir Handtücher holte und ich plötzlich ganz anders angesehen wurde. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich ernst genommen und intensiv behandelt - eben auch mit dieser Fähigkeit, Normalität zu spielen, bis der Körper versagt.
Meinen aktuellen Ärzten, die mich ja gar nicht kennen (der behandelnde Psychiater kennt weder einen Klinikbericht noch die Akten der Rentenversicherung) werde ich weiter wie jemand erscheinen, der an sich gar nicht wirklich behandlungsbedürftig ist. Nur ist eben auch nie genug Zeit, das zu erklären - und als ich es in den mannigfaltigen Terminen durch die TSS versucht habe - endete es wohl eher in Unglauben und Abwehr. Ich kann es schildern, ich kann aber die Panik und Verzweiflung nicht auf Knopfdruck reproduzieren. Und die beiden letzten Therapeut*Innen haben in mir eine derartige Wut erzeugt, dass ich spontan die Gespräche abgebrochen habe. Sie haben so stark signalisiert, dass sie nur den Termin abrechnen wollen, aber keine weitergehende Behandlung leisten, dass es keinen Sinn machte auszuhalten. Zumal sie -anders als der Chefarzt damals- kein Vertrauen erweckt haben.
Insofern sehne ich mich nach den Leuten zurück, die hinter meine angelernte Fassade geguckt haben - und mich danach auch behandeln wollten. Leider ist der Professor emiritiert, dank einer neuen Klinikleitung sind alle bekannten Gesichter weg.
Ich denke, ich werde versuchen, mit den Tabletten irgendwie durchs Leben zu kommen. Subjektiv habe ich auch den Eindruck, dass man mir als 40-jährigem eher gewogen war als heute - es scheint ein wenig das Klischee dahinterzustecken, ich hätte es auf die Rente abgesehen gehabt - jedenfalls habe ich in 75% der Fälle Stirnrunzeln gesehen und auch deutliche Ablehnung. Wohlgemerkt - ohne dass diese Therapeut*Innen auch nur ansatzweise etwas von mir mitbekommen haben, eine ordentliche Anamnese gemacht hätten (was längert dauert als 10 Minuten) oder auch nur erwartungsvolles Wohlwollen gezeigt hätten.
Sigmund Freud hat mal gesagt, ab 50 seien Menschen nicht mehr therapierbar - vielleicht hat sich das so festgesetzt.

Mir war gar nicht bewusst, wie schwer es doch sein kann, einen Therapieplatz zu finden. Bist Du auf Zeit berentet?

@Herzenswaerme Nein, ich bin unbefristet verrentet und schwerbehindert. Was aber auf viele Ärzte und Therapeuten offenbar so wirkt, als sei ich damit versorgt. Mein Hausarzt sagte z.B. durchaus wohlwollend: Na, dann ist ja jetzt alles gut, allen meinen Patienten geht es in der Rente besser. Das ist halt falsch, mir geht es schlechter als zu Beginn des Rentenverfahrens, weil die Krankheit ja nur symptomatisch unterdrückt wird und nicht geheilt oder auf den Weg der Besserung gebracht werden konnte.
Was Therapietermine angeht, so sagte mir eine (vergleichsweise wohlwollende) Therapeut*In aus der TSS-Phase: Wenn natürlich zwei Patienten nachfragen, und einer hat eine frische Depression und der andere ist chronifiziert wie Sie, dann ist es klar, wen ich oder die Kolleg*Innen annehmen werden. Ich fand es erfrischend erhrlich, aber natürlich wäre das -übertragen auf somatische Erkrankungen- so, als würde jemand sagen: Was? Ihr Krebs ist schon meta-stasiert? Dann kann ich Sie leider nicht mehr behandeln.
Corona hat viele Menschen zusätzlich die Fassung verlieren lassen und diejenigen, die sich sowieso nur noch durchgeschleppt haben, sind unter der Belastung von Covid-19 vollends krank und therapiebedürftig geworden. Gegenwärtig herrscht der totale Therapieplatzmangel.

Vielen Dank für Deine Antwort. Dass generell ein Therapieplatzmangel herrscht, war mir natürlich bekannt aber dass man so oft abgewiesen werden kann, hätte ich nicht gedacht. Ganz im Gegenteil, ich hätte eher angenommen, dass Dir die Krankenkassen dabei behilflich sein könnten, einen neuen Therapeuten zu finden, aber wenn selbst das nicht möglich ist. Das tut mir wirklich sehr leid.
In meinem Fall ist es auch so, dass sich der Leidensdruck, allein Corona-bedingt, derzeit eher verschlimmert hat. Allerdings haben schon Ärzte in einem anderen Zusammenhang Bedenken hinsichtlich meiner derzeitigen Therapieform geäußert (TPT) und wenn ich mich in Deinen Fall so einlese, bekomme ich eher noch mehr Angst: dass es evtl. die falsche Therapieform sein könnte (ohne dass der Therapeut etwas dazu kann), schön und gut aber wenn man am Ende überhaupt keinen Therapieplatz mehr bekommt und vollkommen alleine dasteht, ist das doch auch nichts.

Vielleicht denken die Therapeuten in Deinem Fall eher andersherum und gehen davon aus, dass Du womöglich durch die vielen Therapien in Deiner Vergangenheit bereits genug Rüstwerkzeug erhalten haben müsstest, um alleine, d. h. ohne einen Therapeuten klarzukommen.

Mir tun die Therapiegespräche zwar auch sehr gut aber dadurch ändert sich nicht mein Leben, zumindest nicht mit der derzeitigen Therapieform. Wahrscheinlich müsste ich tatsächlich in eine Verhaltenstherapie, die ich jedoch ebenfalls aus verschiedenen Gründen scheue.

Alles Liebe nachträglich zum Geburtstag

@Herzenswaerme Also, eine so wertschätzende Haltung habe ich nicht erfahren - wie gesagt: ohne Kenntnis der Umstände habe ich bei telefonischen oder eMail-Anfragen ganz pauschal Absagen bekommen, und bei den Terminen durch die TSS sollte ich erzählen, aber was die Therapeut*Innen hörten, gefiel ihnen offenbar nicht. Drei von ihnen waren durchaus interessiert und einfühlsam, aber es gab immer Gründe, warum sie keine Termine vergeben konnten: 2 kleine Kinder, das eigene Alter und die damit verbundene Leistungseinschränkung, die Annahme, auf jeden Fall die falsche Therapieform anzubieten. Das waren so Argumente. Man fragt sich dann allerdings schon, warum sie der TSS Termine als frei melden. Nicht bei allen, aber bei einigen hatte ich das Gefühl, dass es auch darum ging, ohne großen Aufwand die doch recht üppige Pauschale für 50 Minuten berechnen zu können - ohne weitergehende Verpflichtung.
Persönlich glaube ich, dass die Wahl der Therapie auch damit zusammenhängt, welches Alter man erreicht hat und wo genau man steht. In meinem Fall war die Analyse im Liegen mit Anfang 20 die falsche Wahl - der Therapeut in Ausbildung hatte nun einmal Räumlichkeiten bei dem Psychiater gemietet, den ich konsultiert hatte, und so wurde ich quasi rübergeschoben. Das habe ich damals natürlich nicht erkannt und hinterfragt. Damals wäre VT passend gewesen, HEUTE passt sie nicht mehr - das haben mir einige Verhaltenstherapeut*Innen gespiegelt. Weil ich eben doch recht verhärtet bin in meinen Reaktionen, und eher damit zu rechnen sei, dass ich intellektuell noch etwas drehe, statt meine Persönlichkeit zu ändern.
Insofern musst Du schauen, wie Deine Therapieform zu Deiner Lebensphase passt. Aber ganz wichtig -wohl am wichtigsten- ist das Verhältnis zum Therapieerbringer. Wenn Du dich jetzt gut aufgehoben fühlst, ist die Therapieform sekundär. Wenn die Chemie nicht stimmt, ist jede Therapieform die falsche. Alles Gute Dir!

@Herzenswaerme Eins noch zu der Therapieplatzsuche: die Krankenkassen machen da gar nichts - sie verweisen auf die regionale Terminservivestelle (TSS) - und dort beginnt dann das Vermittlungscode-Roulette. Du bekommst einen Termin, das Formular PTV11 wird ausgefüllt von dem Therapeuten - ein neuer Vermittlungscode wird aufgeklebt - Du ruftst die TSS wieder an - gehst zum nächsten Therapeuten, bekommst ein PTV11 und einen neuen Code.... usw...

Hallo zusammen,

ja, das Thema Krankenkasse und ambulante Therapie kann einem wirklich den Schlaf rauben (und zum Teil den Glauben an die Menschheit).

Lieber @Xanaxdu, ich wünsche Dir, dass Du die Kraft zum Weiterkämpfen trotz allem behältst!
Ich drücke Dir die Daumen, dass Du doch noch einen ambulanten Therapieplatz findest!
Ich bin aktuell nicht gut beieinander und kann gerade nicht gut formulieren bzw. die richtigen Worte für Dinge finden, die ich ausdrücken möchte, wollte Dir aber trotzdem gerne noch ein paar (hoffentlich hilfreiche) Gedanken schicken, die mir beim Lesen Deiner Zeilen kamen, also bitte entschuldige, wenn ich inhaltlich vielleicht etwas zerfasert schreibe...

Ich wollte Dir gerne etwas Mut zusprechen, was einen möglichen Klinikaufenthalt angeht, auch wenn Du den aktuell für Dich ausschließt. Ich will wirklich keine Lanze für stationäre psychosomatische Therapien brechen, wollte aber noch ein paar Aspekte anführen, die vielleicht den einen oder anderen Gedanken bei Dir anstoßen oder modifizieren können...

Ich kann total nachvollziehen, dass Du Deine früheren Behandler, die Dich so gut verstanden haben, vermisst, das Gefühl kenne ich auch sehr gut. Auch die Angst, die einen beim Gedanken an unbekannte Behandler überfallen und mitreißen kann.
Die Angst davor, dass einen neue Behandler nicht verstehen können und diesen Blick hinter die Maske vielleicht nicht hinbekommen.
Zwei Dinge wollte ich ansprechen, einmal den Unterschied zwischen Psychosomatik und Psychiatrie und das Problem der Angst.
In psychosomatischen Kliniken trifft man viele Patienten, die noch sehr funktional sind, die im Alltag zum Teil noch durchaus gut zurechtkommen und die fast keinen Zugang zu ihren Emotionen haben. Die es über Wochen hinweg nicht schaffen, sich zu öffnen und in ihrem Funktionsmodus feststecken. Die Therapeuten dort kennen das, erwarten es zum Teil sogar und sind eher überrascht, wenn sich jemand schnell öffnen kann. Ich glaube, dass das einer der großen Unterschiede zur Psychiatrie ist, in der die meisten Patienten oftmals deutlich weniger funktional sind. Dadurch kommt es bei vielen Patienten in ihrem psychosomatischen Aufenthalt zu genau jenem wertvollen Erleben, wie du es auch geschildert hast: Das Gefühl, wie gut es sich anfühlt, wenn diese Maske dann doch fällt, wenn man gesehen wird, und für viele ist das die wesentliche Erfahrung ihres Aufenthalts. Was ich damit sagen möchte: Es besteht durchaus eine realistische Chance, dass Du es doch noch einmal schaffst, auf Behandler zu treffen, die Dir diese Erfahrung geben können. Dass Du wieder auf Behandler treffen kannst, die Dich ebenfalls sehen und Deinen Funktionsmodus durchschauen. Vielleicht gibst Du der Sache ja doch nochmal eine Chance, ich würde es Dir auf jeden Fall wünschen!
Auch was das Alter angeht, habe ich durchaus die Erfahrung gemacht, dass man in psychosomatischen Kliniken weiß, dass auch in hohem Alter noch Veränderung möglich ist. Ich habe Stationen kennengelernt, auf denen das Durchschnittsalter zwischen 60 und 70 lag. Auf denen es auch über 80jährige Patienten gab, die von einer VT gut profitieren konnten. Im gesamt-klinischen Durchschnitt würde ich sogar sagen, dass sich die U50 und Ü50 Patienten dort die Waage halten. Klar gibt es, je nach Schwerpunkt, auch Stationen, auf denen das Durchschnittsalter niedriger ist, aber im Gesamtschnitt gibt es doch sehr viele Patienten mittleren und hohen Alters.
Mich zerreißt die Angst vor jedem stationären Aufenthalt auch immer wieder aufs Neue. Und mit Angst meine ich absolute Panik. Tagelang nicht schlafen können, beachtlich fiese Panikattacken...
Die Panik, mit jemandem arbeiten zu müssen, der einen nicht versteht. Zu dem man keinen Zugang findet und der mit einem nichts anfangen kann. Probleme nicht erkennen kann. Sich von Fassaden und Funktionsmodi blenden lässt.
Und doch war die Erfahrung dann meistens nicht ganz so schlimm. Auch wenn es immer mal Behandler gibt, mit denen man gar nicht klarkommt, findet man mit den meisten doch irgendwie einen Weg, miteinander zu arbeiten, und auch wenn es vielleicht nicht an die sehr gute Erfahrung mit anderen Behandeln herankommt, hat man doch solide miteinander arbeiten können und gute Ergebnisse erzielen können.... Vielleicht öffnest Du Dich doch nochmal für eine solche Möglichkeit, darin liegt viel Potential auf mögliche Hilfe. Klar kann ein stationärer Aufenthalt ambulante Therapie nicht ersetzen, aber in schwierigen Phasen hilfreiche Unterstützung und Impulse geben. Einen Versuch ist es vielleicht wert!

Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute und schicke Dir liebe Grüße!

LG Silver

@silverleaf Antwort folgt Vielen lieben Dank!

@Xanaxdu

Als ich Deinen Bericht gelesen habe, wurde mir ganz anders, denn so einiges kommt mir bekannt vor. Ich hätte vor vielen Jahren ähnliche Erlebnisse, zum einen einen Reha-Aufenthalt, der mich traumatisiert hat, seitdem ist so was für mich absolut unvorstellbar, nie wieder liefere ich mich derartig aus. Zum anderen hatte ich später Vorgespräche für ambulante tiefenpsychologische Therapien, wo ich hinterher vollkommen im Eimer war und welche, wo ich dachte, dass mein Gegenüber eine Therapie noch viel dringender bräuchte und nicht auf Patienten losgelassen werden dürfte. Im besten Fall wurde ich weitergereich. Damals war mein Ziel, wieder arbeitsfähig zu werden mit Hilfe einer tiefenpsychologischen Therapie. Nach 10 teilweise unzumutbaren Erlebnissen habe ich mir dann gesagt, dass ich mir zu schade dafür bin, und diese Meinung war möglichweise sogar ein Erfolg meiner allerersten Therapie von vor über 10 Jahren davor bei einer netten Therapeutin, allerdings am früheren Wohnort. Davor hätte ich mich von den Therapeuten so abfertigen lassen und hinterher gesagt, egal, wie die einen behandeln, ich verdiene es, sonst hätten sie es ja nicht getan.

Inzwischen suche ich nach einer Verhaltenstherapie gegen meine Ängste, also ganz anderes Gebiet. Bist Du inzwischen erfolgreich gewesen? Ich suche seit gestern, habe inzwischen einen Gesprächstermin, aber ich weiß natürlich, dass das noch lange kein Therapieplatz ist, selbst wenn die Chemie stimmt.

LG
Smiley

Zitat von Xanaxdu:
Man kommt nach oft 4-5 Wochen Wartezeit zu einer Therapeutin/einem Therapeuten, die einem teilweise schon zu Beginn der Sitzung sagen, sie hätten aber keinen Therapieplatz frei. Dann spricht man 50 Minuten, bekommt einen neuen Code, ruft wieder die TSS an.

Das hört sich nach dem sog. Erstgespräch an.

Ich bin noch relativ neu im Thema Therapieplatzproblem, von daher sorry, wenn ich mit meiner Einschätzung falsch liege, aber ich gebe trotzdem mal meinen Senf dazu - diese Erstgespräche dienen nicht der Behandlung, sondern ichsagmal der Anamnese/Diagnose. Was für einen selbst schwer zu nachzuvollziehen ist, wenn man schon diverse Erstgespräche gehabt hat.
Soll heißen, für den Therapeuten ist dieses Gespräch eher ein bürokratischer Akt. So muss man das als Patient auch sehen und darf davon noch keine Hilfe erwarten. Dann kriegt man sich auch nicht so leicht mit denen in die Haare.

Ich kann deinen Ärger über die Therapeuten aber gut nachvollziehen - man rennt da überall hin und erwartet jemanden, der zuhört, der sich auch wirklich im Detail dafür interessiert, was man so zu erzählen hat. Und sei es nur, weil er dafür bezahlt wird. Und dann arbeiten die alle nur ihre Standardprozedere ab - der Hausarzt schreibt krank und überweist zum Psychiater, Psychiater/Notaufnahmen etc. verschreiben nur Psychopharmaka und rasseln ihre Texte bez. Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen ab, Beratungsstellen hauen ihre Listen mit Plätzen, Telefonnummern und Therapeuten raus.... einfach mal reden will keiner. Bzw. zuhören. Machen sie dann zwar alle halbherzig, man muss ja den Anschein des helfenden Philanthropen aufrecht erhalten, aber das eigentliche Desinteresse bemerkt man dann oft und kriegt sich mit denen in die Haare.

Dieses Erstgespräch-Problem ist mir kürzlich klar geworden, als ich angefangen habe, mich um eine Online-Therapie zu bemühen. Auch dafür muss ich ein persönliches Erstgespräch mit irgend einem Therapeuten machen. Also physisch da hin gehen, in die Praxis. Die eigentliche Online-Therapie macht dann aber ein ganz ANDERER Therapeut, von dem aus dem Erstgepsräch brauch ich also nix dolles erwarten. Zudem hatte ich nun zufällig schon ein echtes Erstgespräch bei einer Therapeutin, die mir dabei (bzw. vorher schon) zu Verstehen gab, einen Platz hätte sie erst in ca. drei Jahren frei. Ich bin da zwar hin, ich nehm ja was ich kriegen kann, hab mich aber natürlich gewundert, was das Ganze dann überhaupt soll.
Jedenfalls, ich also bei meiner Krankenkasse angerufen, ob ich mir das neuerliche Erstgespräch für die Online-Therapie nicht sparen könne, ich hätte ja schon eins gehabt, den Bericht könne ich weiterleiten. Nee, geht natürlich nicht, muss natürlich ein Therapeut sein, der abrechnungstechnisch auch mit der Online-Plattform verbandelt ist, die dann die eigentliche Therapie anbietet.

Soll heißen, bis man wirklich in der ersten, echten Therapiesitzung ist, ist man alleine.
Bis dahin sind das alles nur Verwaltungsakte, die man möglichst emotionslos abarbeiten sollte.

Hallo Marclifecrisis,

erstmal viel Erfolg für Deine Therapieplatz-Suche, ich drücke Dir die Daumen!

Du schreibst ja selber, dass die Thematik der Therapieplatzsuche für Dich noch neu ist, daher ist es vollkommen verständlich, wie Du den Beitrag von @Xanaxdu gelesen bzw. verstanden hast.

Ich kann natürlich nur für mich selber sprechen, aber das Problem, das viele der alten (sehr therapieerfahrenen) Hasen mit dem System haben, liegt meiner Erfahrung nach eher an einer etwas anderen Stelle, als Du vermutest. So erlebe ich persönlich es zumindest und weiß es auch aus Gesprächen mit Mitpatienten, denen es genauso geht.

Es ist nicht so, dass unzutreffende Erwartungen an ein Erstgespräch gestellt werden. Jeder, der schon jahr(zehnte)lang Therapie macht, weiß sehr genau, was ein Erstgespräch ist, wozu es da ist, was es leistet und vor allem: was es nicht leistet.
Therapierfahrene Patienten wissen, dass sie im Erstgespräch keinen detailliert interessierten Zuhörer antreffen, der ihnen zugewandt hilft.

Das Problem ist vielmehr, dass hilfebedürftige Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die Mühlen eines Systems geschickt werden, das zwar vorgibt, Hilfe zur Verfügung zu stellen, es aber nicht wirklich tut. Ein System, das dazu dient, dass Politiker erzählen können, sie würden hilfebedürftigen Menschen Therapeuten vermitteln, und das sogar ganz schnell, das sich aber in der Realität als Nebelkerze erweist.

Viele Patienten denken, sie könnten über die Terminservicestellen einen Therapieplatz bekommen, finden aber (selbst wenn es gut läuft) häufig nur Erstgespräche oder maximal 5 (oder so ähnlich) Termine zur Akutbehandlung jeweils bei einem Therapeuten, der sie nicht als Patient übernehmen wird und das auch vorher schon weiß. Natürlich kann das im Einzelfall auch mal anders sein, aber viele Patienten, die ich kenne, wurden durch genau dieses Vorgehen, ähnlich wie @Xanaxdu es beschrieben hat, jahrelang hingehalten, ohne jemals eine wirkliche Therapie zu bekommen.

Das Problem sind Therapeuten, die sich über die TSS Patienten für Erstgespräche vermitteln und bezahlen lassen, obwohl sie ganz genau wissen, dass sie keine freien Therapie-Plätze haben, denn (wörtliches Zitate der TSS):

Für die Terminvermittlung melden Ärzte und Psychotherapeuten ihrer Kassenärztlichen Vereinigung freie Termine.
Kreuzen Psychotherapeuten darauf (PTV11) an, dass eine ambulante Psychotherapie zeitnah erforderlich ist, hat der Patient Anspruch darauf, von der TTS innerhalb von vier Wochen einen Termin für eine probatorische Sitzung vermittelt zu bekommen.
Die Frist für die Terminvermittlung von psychotherapeutischen Akutbehandlungen beträgt statt vier nur noch zwei Wochen. Patienten benötigen weiterhin eine Bescheinigung auf PTV 11, dass eine Akutbehandlung erforderlich ist.

Im Wortlaut halten sich diese Therapeuten strenggenommen an die Vorgaben, aber wenn man den eigentlichen Sinn, der hinter dieser Vergabestelle stehen sollte, kennt, weiß man, dass das, was hier passiert, moralisch zumindest etwas zweifelhaft ist.
Vielleicht muss ja auch jeder Therapeut mit Kassenzulassung ein bestimmtes Kontingent an solchen Gesprächen abarbeiten, das weiß ich nicht, ich will ja auch niemandem böse Absicht unterstellen, aber ich habe trotzdem so meine Zweifel.
Ich kreide es auch nicht den Therapeuten an, an dieser Stelle ist das System imho einfach fehlerhaft.

Therapeuten melden freie Termine. Viele Leute denken, hier lassen sich Therapeuten registrieren, die einen freien Therapieplatz haben, was nicht der Fall ist. Oftmals haben sie lediglich eine zufällige Lücke im Terminkalender, die so ganz bequem und ohne viel Aufwand gefüllt und bezahlt werden kann (ok, das klang jetzt doch etwas vorwürflich, bitte nicht auf die Goldwaage legen ). Eine Hilfe erfährt, wie wir hier ja auch lesen konnten, ein Patient an dieser Stelle nicht. Aber politisch kann offiziell gesagt werden: Wir haben dem Patienten einen Termin bei einem Therapeuten verschafft.
Und falls der Patient falsche Vorstellungen hatte, könne man das ja nicht der Politik oder den Therapeuten anlasten.
Auch wenn selbst das im Wortlaut strenggenommen nicht falsch ist, so ist imho doch die Frage berechtigt, wie tief sich ein Patient, dem es schlecht geht, in all diese Vorgänge einarbeiten soll, um das alles verstehen zu können, gerade dann, wenn er noch keine Erfahrung mit dem System hat. Ist dieses Missverständnis an dieser Stelle dann wirklich alleine die Verantwortung des Patienten? Ich sehe das nicht ganz so. Aber es kann in der Öffentlichkeit politisch so dargestellt werden...

Warum gibt es beispielsweise keine Regelung, dass sich Therapeuten nur dann bei der TSS registrieren können, wenn sie neben einem Erstgespräch auch in einem zeitlich vertretbaren Rahmen (vielleicht 3 Monate oder so) einen regulären Therapieplatz anbieten können? Das würde schon helfen, aber soweit ich weiß, gibt es eine solche Vorgabe nicht, oder?
Einem Patienten zu sagen, man würde ihm eine probatorische Sitzung anbieten, beinhaltet im Wortlaut eigentlich auch, dass man Kapazitäten hat, ihn zu übernehmen, denn probatorische Sitzungen sind die Kennenlernen-Phase, die einer Kurz- oder Langzeittherapie von mindestens 25 Stunden direkt vorausgeht, eine Phase, in der man guckt, ob man zueinander passt. Das bedeutet, dass eine mögliche Passung impliziert ist, die dann auch zu einem Therapievertrag führen sollte.

Mir ist schon klar, dass hier ein gesamt-systemisches Problem vorliegt, das nicht so leicht zu lösen ist. Dass die Nachfrage die Kapazitäten übersteigt. Dass man sich ja keine Therapeuten schnitzen kann, dass die Politik keine Therapeuten aus dem Hut zaubern kann. Womit ich ein Problem habe, ist, dass es der Bevölkerung aber anders verkauft wird. Auch dafür gibt es sicherlich politisch vermeintlich gute Gründe (gesamtgesellschaftlicher Friede, die Leute protestieren nicht etc...), aber es ist trotzdem perfide, wenn man davon betroffen ist. Es klingt erstmal nach außen hin alles toll, aber erst, wenn man im System drinsteckt, entdeckt man die Fallstricke. Und die Öffentlichkeit denkt: Es ist doch alles gut, das System funktioniert, und der Aufschrei in der Bevölkerung bleibt aus, es entsteht kein Veränderungs-Druck auf das System. Und solche Gesetzesvorlagen wie die Rasterpsychotherapie können so vielleicht klammheimlich mit durchgedrückt werden, da ein Großteil der Bevölkerung die Probleme dahinter nicht sieht und sich in Sicherheit bzw. sicherer Versorgung wähnt.

Das eigentlich traurige ist imho, dass ja durchaus mehr Kapazitäten im System stecken könnten. Die Politik beschwert sich, dass der Bedarf an Psychotherapie nicht zu finanzieren ist, weil er einfach zu groß ist, aber an anderer Stelle werden zuhauf quasi sinnentleerte Erstgespräche bezahlt, die im Endeffekt keinen wirklichen Nutzen bringen (zumindest nicht so, wie es aktuell praktiziert wird), aber da wird nicht genau hingeschaut, weil es sich in der Öffentlichkeit so gut verkaufen und Politiker gut aussehen lässt.

Bitte entschuldigt meinen langen Text und den über all die Jahre angestauten Frust, der hier wohl gerade doch sichtbarer wurde, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte...

Ich drücke allen von Herzen die Daumen, die sich aktuell auf der Suche nach einem Therapieplatz befinden!
Ich möchte auch wirklich niemanden entmutigen, im Gegenteil! Daher hier ein kämpferischer und positiver Abschluss:
Lasst Euch nicht entmutigen und nicht unterkriegen, Ihr schafft das !

LG Silver

@silverleaf , danke für den erfahrenen Einblick. Ich setze/hoffe ja auf Online-Therapie, hast du zufällig eine Ahnung, wie es da terminlich aussieht?
Rein logistisch müssten solche Plattformen ja ne Menge an Kapazitätsproblemen lösen. Ich wundere mich sowieso, warum Online-Therapien hier bislang wohl nicht so sehr thematisiert werden, mir ist dazu hier noch nichts untergekommen. Ich kenne jetzt aber auch nicht das ganze Forum auswendig.
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Hallo Marclifecrisis,

vielen lieben Dank für Deine Antwort!

Ich kenne mich leider mit online-Therapie nur wenig aus, gehe aber auch davon aus, dass dieser Therapie-Weg künftig zunehmen wird. Hat ja auch auf jeden Fall seine Vorteile. Ich weiß nicht, ob das für mich etwas wäre, ich brauche, glaube ich, den direkten physischen menschlichen Kontakt (im Sinne von: im selben Raum sein). Aber das hat z.T. auch mit meiner Symptomatik zu tun.

Was ich weiß, ist, dass inzwischen sogar einige Kliniken dazu übergehen, in der Nachsorge mit online-Therapie-Anbietern zusammenarbeiten. Es war ja durchaus üblich, dass Kliniken ihren Patienten, die ohne ambulante Therapie waren, bei der Suche nach physischen ambulanten Therapeuten geholfen haben. Inzwischen habe ich schon erlebt, dass es da jetzt stattdessen Vermittlungen zu besagten Anbietern gibt. Ich bin mir noch unschlüssig, wie ich das finde. Positiv finde ich, dass es einem grundsätzlich ermöglicht, auch mit auf bestimmte Erkrankungsbilder spezialisierten Therapeuten zusammenzuarbeiten, unabhängig vom Wohnort. Allerdings wurde dieser Vorteil bislang eher gleich wieder ins Gegenteil verkehrt, da sich herausstellte, dass viele dieser Anbieter mit schwierigen bzw. schwereren Krankheitsbildern nicht online zusammenarbeiten wollen und bestimmte Diagnosen ablehnen. Das fand ich schon etwas speziell und hat mich doch etwas nachdenklich gemacht (das gilt ja aber bestimmt nicht für alle Anbieter).

Ich finde es grundsätzlich positiv, dass es diese Option gibt, halte sie für viele Patienten für sehr geeignet und bei bestimmten Krankheitsbildern auch für gleichwertig zu einer ganz normalen Therapie in einer normalen Praxis.
Ich hoffe, dass es auch bei einer Option belieben wird und die Krankenkassen nicht irgendwann dazu übergehen, ihre Kunden zu dieser Therapieform zu zwingen und normale Therapien nicht mehr zu übernehmen.

Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass man bei diesen Anbietern terminlich sehr viel schneller zu einem Therapeuten kommt. Aber persönlich habe ich keine Erfahrung damit. Was ich vom Hörensagen her sagen kann, ist, dass besagte von-einer-Klinik-vermittelten-Patienten wohl sehr schnell zu einem Therapie-Angebot bei besagten Vertrags-Partner-Plattformen gekommen sind, quasi fast direkt anschließend an den Klinik-Aufenthalt.
Ach ja, und meine Krankenkasse wollte mir auch mal so etwas anbieten, auch im Anschluss an einen Klinikaufenthalt. Das wäre wohl auch recht schnell gegangen, da diese Therapeuten wohl direkt in einem Partner-Unternehmen der Krankenkasse gearbeitet haben. Ich habe es damals nicht wahrgenommen und bin stattdessen bei meinem regulären Therapeuten geblieben.

LG Silver

Hallo zusammen, ich war eine Weile im wahren Leben so angespannt, dass ich nicht hier sein konnte.
@Marclifecrisis: Ich muss sagen, nein, ich habe die Schleifen der Erstgespräche sehr oft druchlaufen, obwohl sie von der Terminservicestelle bereits als probatorische Sitzung verkauft wurden. Als (wie @silverleaf es treffend nennt) alter Hase weiß ich schon, dass es zunächst darum geht, eine Begutachtung zu bekommen - in der ein mehr oder minder erfahrener Therapeut feststellt, ob man besser stationär, ambulant, gar nicht behandelt werden sollte. Oder suizidal ist.
Danach verspricht die Terminservicestelle entweder eine probatorische Sitzung oder eine Akutbehandlung. Silverleaf hat das sehr gut beschrieben. Leider scheint es so zu sein, dass Therapeuten ihre Vakanz melden, um die pauschalisierte Vergütung abzugreifen. Die letzten beiden Therapeut*Innen, bei denen auf dem PTV11 Akutbehandlung angekreuzt war, haben alles getan, um mich schnell wieder loszuwerden. Und wirklich: nach Jahrzehnten kenne ich das Gegenüber, und ich bin trotz Krankheit (oder vielleicht gerade deshalb) hochempathisch, erkenne also Strategien und auch Empfindlichkeiten - auch Gegenübertragung genannt.
Es ist leider nicht so, dass Bedürftigen ehrlich und wahrhaftig geholfen werden soll - teilweise oder sogar oft sind wir einfach eine einfache Einnahmequelle.
Zu Online-Therapien: Ich habe, kurz nachdem meine Krankenkasse diese auch für gesetzlich Versicherte freigab, bei einem großen Klinikkonzern eine Online-Therapie gebucht. Die Terminvergabe war so, dass die älter wirkenden Therapeut*Innen (die auch noch als Dipl.-Psych. firmierten) ausgebaucht waren, schnelle Termine bekam man bei den M.Sc.
Das soll nicht heißen, dass junge Therapeuten nicht auch hilfreich für alte Leute sein können. In meinem Fall war es wohl schieres Pech, dass die sehr junge Frau in der ersten Sitzung bereits meine Verrentung anzweifelte und das Ziel vorgab, mich wieder arbeitsfähig zu machen - ohne Anamnese, ohne meine Wünsche und Ziele und Probleme zu erfragen, ohne mich wirklich zu Wort kommen zu lassen.
Nun hätte ich das als probatorische Sitzungen ansehen wollen. Das Problem war aber, dass der Klinikkonzern in seinen AGB die Leistung behandelte, als unterliege sie dem Fernabsatzgesetz: wer nach 14 Tagen noch dabei war, sollte verpflichtet werden, auch das bewilligte Stundenpensum auszuschöpfen. Da ich die juristische Gültigkeit in so kurzer Zeit weder prüfen konnte noch überprüfen lassen konnte, sah ich die Gefahr, gegenüber dem Konzern privat zu haften, sollte ich dort keinen passenden Therapeuten finden. Also habe ich in der Tat nach diesen ersten beiden schlechten Gesprächen sicherheitshalber nach dem Fernabsatzgespräch gekündigt.
Ich fühlte mich unter Druck gesetzt, und die Therapeutin hatte für solche Nebensächlichkeiten sowieso kein Ohr.
Ich würde durchaus eine Online-Therapie in Erwägung ziehen, aber nur, wenn mir daraus als Kleinrentner nicht noch ein finanzieller Schaden erwächst. Die Krankenkasse hatte selbst viel zu wenig Informationen zu dem neuen Projekt, um irgendwie hilfreich zu sein. Da stand man allein da. Insgesamt hat dieses Experiment (mit Begutachtung) die Kasse 800 Euro gekostet - und damals war es wirklich noch im Betastadium. Es ist 2-3 Jahre her, deshalb muss das heute so alles nicht mehr stimmen.

Nachdem ich nun keinen Psychotherapeuten finden werde und meinen verschreibenden Psychiater 1 Jahr und 8 Monate nicht mehr gesehen habe, kommt jetzt der nächste Schlag: mein Hausarzt hat mich per Brief rausgeworfen. Kernaussagen: 1. Wir haben festgestellt, dass Sie in den sozialen Medien nach einer Ärzt*in gesucht haben, die noch freie Termine hat. Das stimmt - nachdem ich immer stärker das Gefühl hatte, dem männlichen Arzt in der Gemeinschaftspraxis 'lästig' zu sein, wollte ich sondieren, ob bei uns im Kreis überhaupt jemand neue Patienten annimmt. Damit habe ich aber noch lange keine Entscheidung getroffen, weil die weibliche Ärztin in der Praxisgemeinschaft immer sehr empathisch war. 2. Wir sehen uns außerstande, Ihre 'ausgeprägten' Anforderungen zu erfüllen. Das geht klar auf die Arzthelferinnen zurück. Ich habe nach wie vor Sorge wegen Corona, während die Praxis das Schild zur Maskenpflicht entfernt hat. Ich möchte die Praxis nur betreten, wenn unbedingt nötig. Für ein Rezept habe ich also von meiner KK einen Behandlungsschein für das gesamte Quartal bekommen - der aber nicht abzeptiert wurde. Also habe ich die Karte mit frankiertem Rückumschlag in den Briefkasten der Praxis geworfen. Und statt eines Rezeptes bekam ich die Aufkündigung der Behandlung. Man muss sich das vorstellen: Ich habe jetzt keinen Arzt mehr, und daher muss ich einen lang erwarteten Rheumatologie-Termin absagen, weil ich keine Überweisung bekomme. Cortison und Blutdrucksenker gehen aus. Säureblocker kann ich in der Apotheke in Kleingebinden privat kaufen. 3. Sehen Sie bitte von jeder weiteren Korrespondenz ab. Also keine Vorwarnung, kein Gespräch - einfach rausgeworfen nach 10 Jahren. Ich habe den männlichen Arzt einmal kritisiert, weil er mir eine Abhängigkeitsdiagnose, völlig daneben, in die Abrechnung mit der KK geschrieben hat. Ich bekomme meine Medikamente vom Psychiater und nicht am Bahnhof - und ich bin nicht polytoxikoman. Aber das dürfte ihn geärgert haben. Meine Suche bei Facebook war dann die willkommene Gelegenheit. Die weibliche Ärztin hat in der Praxis offenbar keinen Rückhalt und kein Veto-Recht. Oder ich täusche mich in ihr, kann ja auch sein. Jedenfalls hat das Team entschieden, dass ich bitte verschwinden soll. Und meine Frau direkt mit.

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Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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