in meinem Post kam das Thema auf, sich von Psychologen falsch eingeschätzt zu fühlen. Das möchte ich hier noch etwas ausführen. Wichtig ist mir dabei, dass es nicht um die Kritik an den Therapeuten geht. Viele der Therapeuten haben mir trotz allem sehr geholfen, mich in Krisenzeiten zu stabilisieren und an mir zu arbeiten. Ich beneide die Psychotherapeuten nicht um ihre Arbeit und finde es toll, dass es Menschen gibt die sie machen.
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Mein Problem ist, dass ich wenn ich mich falsch eingeschätzt oder ungerecht behandelt fühle, den Fehler stets bei mir suche und viel darüber nachdenke was ich falsch gemacht habe und wie ich mich ändern muss, um nicht wieder in die gleiche Situation zu kommen. Wenn ich auf diese Fragen keine Antwort finde, verunsichert mich das und lässt mich an mir und meinem Selbstbild zweifeln.
Ein Beispiel - um meinen letzten Post aufzugreifen - ist, dass ich verschiedene Diagnosen bekommen habe, die ich irgendwie nicht als passend empfinde. Darunter ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, schizoide Persönlichkeitsstörung und Lernbehinderung. Ich versuche zwar solchen Diagnosen nicht allzu viel Bedeutung beizumessen, aber verwende sie schon auch als Referenz um zu verstehen wie ich von anderen Menschen gesehen werde und woran ich bei mir arbeiten muss. Das fällt mir bei so einer Diagnose wie Lernbehinderung aber sehr schwer, weil ich da überhaupt keinen Anhaltspunkt habe wie sie zustande gekommen sein könnte. Ich sehe mich eher als Autodidakt und habe mit dem Lernen eigentlich keine Probleme (außer dass ich es manchmal vielleicht übertreibe), sondern im Gegenteil eigentlich immer ein Thema habe das mich gerade interessiert und das ich in meiner Freizeit Lerne. Als Jugendlicher habe ich ein Schachprogramm programmiert, mir während meiner Depression ein bisschen Gitarre spielen beigebracht und zur Zeit lerne ich in meiner Freizeit Japanisch - um ein paar Beispiele zu nennen.
Die Diagnose Lernbehinderung hatte ich - neben anderen - nach einer sechswöchigen stationären Therapie in einer Psychosomatischen Klinik auf meinem Arztbrief stehen. Ich wüsste nicht, dass es dazu besondere Tests oder Gespräche gegeben hätte und ich habe davon auch erst aus dem Arztbrief erfahren.
Was ich aus solchen Begebenheiten für mich mitnehme ist, dass ich offensichtlich auf andere Menschen ganz anders wirke, als ich mich selbst wahrnehme. Das merke ich nicht nur bei Therapeuten, sondern auch bei anderen Ärzten und anderen Menschen im Allgemeinen. Ich gehe nicht oft zum Allgemeinarzt, aber wenn ich dort bin habe ich oft das Gefühl, mein Anliegen nicht richtig rüber bringen zu können oder dass mir nicht geglaubt wird. Einmal ist mir bei einer Radtour im Wald ein Insekt ins Ohr geflogen (äußerst unangenehm; falls euch das mal passiert: das Ohr mit Wasser ausspülen hilft gut. Was nicht funktioniert ist, panisch herum zu rennen und sich gegen den Kopf zu hauen - habe es ausprobiert ). Weil ich danach ein komisches Gefühl im Ohr hatte und nicht wusste ob das Insekt wirklich raus ist habe ich es vom Arzt untersuchen lassen wollen. Er hat mir meine Geschichte nicht geglaubt und mich gefragt, weshalb ich wirklich zu ihm gekommen bin (ja, er hat dann pro forma auch ins Ohr geguckt und es war alles gut ).
Solche Erlebnisse, dass ich mein Anliegen nicht richtig rüber bringen kann oder mir nicht geglaubt wird, obwohl ich mich eher als extrem ehrlich betrachte, habe ich öfter. Bei Therapeuten hatte es mich nur mehr verwundert, weil ich Anfangs dachte es ist ihr Beruf und ganz bestimmt würden sie mich genau durchschauen, erkennen und verstehen. Heute weiß ich, dass das eine unrealistische Erwartungshaltung war. In meinen Therapien habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Therapeuten nicht genügend Wert darauf legen was ich ihnen sage, sondern sich mehr darauf konzentrieren wie ich es sage, wie ich mich verhalte und aus meinem Verhalten und meiner nonverbalen Kommunikation Schlussfolgerungen ziehen, die ich als nicht zutreffend erachte.
Ein Extrembeispiel war meine letzte teilstationäre Therapie. Die habe ich in einer Zeit gemacht, als ich nicht mehr in einer Krisensituation war, sondern bereits seit 5 Jahren im Berufsleben stand (wenn auch noch in Teilzeit). Zu der Zeit wollte ich gerne Kontakte knüpfen und halten können und habe einen externen Impuls gesucht, weil ich nach 5 Jahren Therapiepause das Gefühl hatte, allein dabei nicht weiter zu kommen und Angst hatte immer in Einsamkeit leben zu müssen. Ein Auslöser die Therapie anzufangen war dann, als ich zur Weihnachtsfeier der Arbeit gegangen bin, was ich sonst immer vermieden habe. Dort kam ich in eine Art sensorisches Überlastungserlebnis. Ich saß am Tisch und konnte nur in eine Ecke starren und versuchen alles um mich herum auszublenden, aber das Stimmengewirr wurde immer lauter, dazu kam dann das Klappern der Teller aus der Küche und irgendwann hat sich alles angefangen zu drehen und ich habe Panik in mir aufkommen gespürt. Da bin ich dann Wortlos aufgestanden und gegangen.
Bei der Therapie hatte ich riesiges Glück mit der Gruppe und ich habe zwei Leute gefunden, mit denen ich mich sehr gut unterhalten konnte, mit denen ich sogar gemeinsam spazieren gegangen bin. Ich war sehr optimistisch gestimmt - nur irgendwie ging es bei den Therapeutengesprächen nicht vorwärts und ich kam auch in keine der Therapiegruppen, sondern blieb in der Eingangsgruppe mit dem üblichen Anfangsprogramm.
Dazu muss ich sagen, dass mich solche Therapien auf Stationen schon immer sehr belasten und fordern. Ich habe manchmal das Gefühl während andere Probleme haben, die sie mit Hilfe und Unterstützung der Gruppe bearbeiten können, ist mein Problem die Gruppe; und mein Halt und meine Unterstützung suche ich in Phasen des Rückzugs und in den Einzelgesprächen mit den Therapeuten - oder in diesem Fall sogar erstmals mit einigen Mitpatienten.
Von den Therapeuten kam diesmal aber nichts zurück. Nach drei Wochen war das Einzige was ich bis dahin als Aufgabe mitbekommen habe, Situationsbögen zu schreiben. Das habe ich auch gewissenhaft und ausführlich gemacht, über diese Situationsbögen aber nie ein Feedback bekommen. Aus den Patientenakten weiß ich, dass ich diese Situationsbögen vielleicht zu gewissenhaft bearbeitet habe. Unter anderem stand dort, dass ich Formulierungsvorschläge des Personals verworfen und durch fast bedeutungsgleiche Wörter ersetzt hätte. Ich glaube, wenn die Therapeuten nicht bei dieser Beobachtung stehen geblieben und aus diesem bloßen Fakt ihre Schlüsse gezogen hätten, sondern mich statt dessen gefragt hätten worin denn für mich der Unterschied zwischen den beiden Begriffen liege, hätten sie vielleicht ein besseres Verständnis für mich entwickeln können.
Nach drei Wochen kam dann das zweite Oberarztgespräch. Ich kann mich nur schemenhaft daran erinnern, aber in meiner Erinnerung ging es zunächst um die Probleme und Schwierigkeiten die ich mit der Therapie habe und darum, dass sie es nicht gut finden, dass ich eine medikamentöse Behandlung ablehne. Irgendwann steht der Oberarzt auf, zieht die Vorhänge zu setzt sich mir gegenüber, meine Therapeutin mir rechts gegenüber und eine Schwester mir links gegenüber, mich eindringlich und ein bisschen mitleidig anguckend, und redet eindringlich auf mich ein, dass ich Medikamente nehmen soll, wenn die Therapie Erfolg haben soll. Ich sage ihm, dass ich das nicht möchte und auch nicht für notwendig halte, da ich durch deutlich schwierigere Zeiten ohne Medikamente gekommen bin und das eigentlich für den besseren Weg halte, wenn er möglich ist. Daraufhin sagt er dass wir in diesem Fall die Therapie jetzt beenden.
Es ist schwer das Gefühl zu beschreiben. Irgendwie ist in dem Moment alles zusammengebrochen und ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Ich habe mich sofort wieder gefragt was ich falsch gemacht habe, wie mich die Therapeuten wohl sehen, war auch Traurig über den Verlust nicht mehr in die Gruppe mit diesen großartigen Menschen gehen zu können - und das ganze war 1 oder 2 Tage vor Weihnachten.
Ich bin froh dass ich zu der Zeit eine etwas stabilisierte Lebenssituation hatte und das dadurch einigermaßen gut wegstecken konnte. Ich will mir nicht ausmalen, wie ich so etwas einige Jahre früher verkraftet hätte.
Meine Frage war dann an den Oberarzt, wann die Therapie dann genau aufhört, worauf er sagte jetzt gleich. Ich habe dann darum gebeten wenigstens noch den Tag normal in der Klinik verbringen zu können und ein Abschlussgespräch mit meiner Therapeutin zu haben und mich von der Gruppe verabschieden zu können. Dem haben sie zugestimmt - aber wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätte ich in dieser Minute aus dem Gebäude gehen können und das wars dann. Das finde ich irgendwie unfassbar und habe keine Worte dafür.
Ich habe dann hinterher für viel Geld die Patientenakten gekauft (nein nein, die sind natürlich kostenlos, es ist nur eine Verwaltungsgebühr ) um zu verstehen wie die Therapeuten das ganze sehen. Was mich überrascht hat, war dass die Therapeuten mich als extrem mißtrauisch eingeschätzt haben. Das habe ich überhaupt nicht so empfunden. Mir gegenüber Thematisiert haben das die Therapeuten nicht.
In der Akte stand dann auch drin: Eine empfohlene psychopharmakologische Behandlung unterstützend zur Psychotherapie lehnte der Patient ab. Die Behandlung in der Tagesklinik wurde daher einvernehmlich beendet. Abgesehen davon, dass ich das einvernehmlich eine ziemliche Frechheit finde, fehlt dieser Satz dann im Arztbrief. Dort wird als Grund nur noch eine starke emotionale Aktivierung und überforderung durch die Therapie angeführt.
Nun komme ich aber zum eigentlichen Punkt dieses Posts:
Nach solchen Erfahrungen weiß ich, dass ich von anderen Menschen ganz anders - oft falsch - eingeschätzt werde als ich mich selbst sehe. Ich reagiere darauf mit Zweifel an meinem Selbstbild, mit Verunsicherung, frage mich ob sie vielleicht Recht haben und ich wirklich so bin, wie sie mich sehen. Und ich bin ratlos was ich tun kann, um solche Situationen künftig nicht entstehen zu lassen.
Zur Zeit habe ich das Glück nach eineinhalb Jahren Wartezeit zu einem Psychologen gekommen zu sein, bei dem ich ein wirklich gutes Gefühl habe. Der sich bemüht mich zu verstehen und dazu auch in der Lage ist. Ich merke aber wie schwer das für ihn ist und wie viel Arbeit wir beide investieren müssen um Mißverständnisse zu erkennen und auszuräumen. Jedenfalls ist ein wichtiger Punkt den ich aus den Sitzungen jetzt für mich bisher mitnehmen konnte, dass der Fehler vielleicht nicht immer bei mir liegt, sondern dass vielleicht wirklich die Therapeuten die Situation falsch eingeschätzt haben oder nicht richtig mit ihr umgegangen sind.
Und er meint, dass es Menschen gibt, die sehr sensibel sind und sich vielleicht auch in ihrer Art zu denken so weit von der Masse unterscheiden, dass viele Menschen sie nicht verstehen können, auch wenn sie es versuchen - und dass das auch Therapeuten mit einschließt. Das war für mich eine wichtige Erkenntnis, dass das niemandes Schuld ist, sondern ich vielleicht wirklich einfach nicht auf einer Wellenlänge mit vielen Therapeuten liege.
Das möchte ich auch denjenigen als Gedanken mitgeben, die vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Vielleicht müssen wir einfach besonders lange und gründlich suchen, um den richtigen Therapeuten zu finden, vielleicht finden wir ihn auch nie. Aber das ist kein Grund an sich zu zweifeln
26.01.2019 14:13 • • 16.06.2019 x 3 #1