Danke @nib und die andere Kommentierer für die offenen Beiträge (auf das Ausgangsthema des Threads bezogen ), das ich wirklich wichtig finde!
Ich kann diesen Eindruck des nicht richtig Verstandenwerdens bzw. abweichender Einschätzungen gut nachvollziehen, habe ebenfalls damit zu kämpfen. Teilweise liegt es sicherlich an mir, teilweise am jeweiligen Gegenüber. Die Schnittstelle zwischen Behandler und Behandeltem ist entscheidend und wenn da eine große Diskrepanz vorliegt, kann der Rest schon völlig umsonst sein.
Anfangs hatte ich zwar sehr große Schwierigkeiten, mich zu öffnen und es gehört weiterhin zu meinem kritischen Bewusstsein, auch das, was im Behandlungszimmer passiert, nötigenfalls zu hinterfragen, trotzdem bin schon seit einigen Jahren extrem kooperativ gegenüber Behandlern. Ich rede mir den Mund teilweise echt fusselig, aber sehr mit Bedacht, weil ich hoffe, dass die Person umso besser helfen kann, je präziser ich die Problematik schildern kann. Ironischerweise gehört es gerade zu meinen Symptomen/zum Krankheitsbild, das ich starke Probleme mit dem Artikulieren habe, mir passende Ausdrücke oder wichtige Infos im richtigen Moment nicht einfallen! Deshalb bereite ich meine Therapiestunden und Arztbesuche oft gezwungenermaßen langwierig und so akribisch wie möglich vor, versuche alles wichtige vorher festzuhalten. Häufig ist die Mühe am Ende leider umsonst und es bleibt das Gefühl, dass die entscheidenden Punkte nicht angekommen sind.
Auf der einen Seite rührt es wohl echt daher, dass Psychotherapeuten Fachärzte, Sozialarbeiter auch nur begrenzte Kapazitäten in Sachen Aufnahmefähigkeit und Einfühlungsvermögen besitzen, wie alle anderen Menschen auch. Die teilweise strukturell bedingte Oberflächlichkeit, unter denen Menschen behandelt werden müssen, trägt ihren Teil bei.
Das Andere hat offenbar mit der Art und Weise zu tun, wie ich auftrete. Meine Lage wird wohl weniger kritisch eingeschätzt als sie ist, weil ich selten deutlich sichtbare emotionale Ausbrüche zeige, mich als Selbstunsicher-Vermeidender eben zurückhaltend, vorsichtig und devot verhalte, Informationen eher auf sachlicher Ebene rüberbringe als sie mit Vehemenz abzusondern. Da steckt tief in mir immer noch dieses Muster, es stets dem Anderen Recht machen zu wollen, sich keine Blöße zu geben und nicht zu viel vom Gegenüber einzufordern. Auch aus Scham relativiere ich manchmal sogar Positionen in dem Moment, in dem ich sie ausspreche. Oder ich will dem Therapeuten nicht auf den Schlips treten, obwohl ich mit den Tipps nichts anzufangen weiß.
Zitat von Schlaflose:Gruppenzwang? Von welcher Gruppe denn? Ich habe als Frau noch nie unter irgendeinem Gruppenzwang gestanden.
Sorry, das halte ich für etwas blauäugig. Das Normative der Leistungsgesellschaft, die Konventionen und der Anpassungsdruck lauern doch allerortens. Wenn man das immer links liegen lassen könnte - super, aber ich bin überzeugt, man sich ihnen wohl kaum dauerhaft entziehen, außer man lebt allein fernab der Zivilisation. Gruppendynamiken sind sowieso ein Ding, das unter Menschen nicht aussterben wird, sobald mehr als zwei Individuen aufeinandertreffen, aber gerade in konservativen bzw. strukturell von sich in der Rente befindenden oder sich dieser bedenklich annähernden Menschen dominierten Gesellschaften wie Deutschland schlagen diese besonders zu Buche, was ein gewisses Repräsentationsproblem unserer Demokratie zurzeit aufzeigt (Naja gut, stärker ist dies vielleicht noch verbreitet in Überwachungsdiktaturen wie China oder dem speziellen Kapitalismus japanischer Prägung... aber das ist sowieso wiederum ein anderes Thema ).