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Hallo zusammen,

ich habe aktuell ein Problem mit meiner Therapie, die ich schon 1,5 Jahre mache. Es ist eine Tiefenpsychologische Therapie. Ich habe schon seit Jahren Probleme mit Angst und Depression und beides ist in den letzten Monaten deutlich schlimmer geworden. In der Therapie geht es viel um meine Familiengeschichte und prägende Erfahrungen und wie diese mein heutiges Denken beeinflussen. Inzwischen habe ich das Gefühl mich dahingegen gut verstanden zu haben, allerdings fehlen mir konkrete Hilfen meinen Alltag mit den Ängsten und depressiven Phasen zu Verbesserung und ich fühle mich mit meinen Problemen nicht wirklich ernst genommen.
Mein Therapeut meinte dazu, dass ja alle meine wichtigen Themen in der Übertragungsreaktion in der Therapiebeziehung stecken und damit durchgearbeitet werden. Allerdings fühlt sich mich für dieses alleinige Reden in den Sitzung sehr nach Zeitverschwendung an und oft geht es mir danach nochmal deutlich schlechter und der Tag ist gelaufen für mich.

Wie sind eure Erfahrungen mit tiefenpsychologischen Therapien?

Merkt man hier den Effekt der Therapie einfach nicht so deutlich? Ich hatte vor Jahren auch mal eine Gruppentherapie in Bereich der Verhaltenstherapie und dort fast jede Sitzung verlassen mit einen Gefühl, einen neuen Impuls für meine Alltagsschwierigkeiten bekommen zu haben.

03.05.2021 14:55 • 05.05.2021 x 1 #1


13 Antworten ↓


Huhu

hast Du das Gefühl, dass Du nur redest und der Therapeut eher nur zuhört?

A


Gefühl, dass Therapie mich nicht weiterbringt

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Hi,
das ist unterschiedlich. Ich habe auf jeden Fall deutlich mehr Redeanteil. In manchen Sitzungen erzähle ich viel, was ich für Ängste und Gedanken habe und durch seine Nachfragen reflektiere ich woher aus meiner Vergangenheit das kommt und manchmal kommt von ihm auch eine etwas längere Einschätzung wie er etwas wahrnimmt bei mir. Oft bleibt aber das Gefühl zurück, dass meine Erläuterungen meiner Probleme von ihm einfach nur notiert werden ohne, dass ich eben Anregungen bekomme, wie ich meinen Alltag zwischen den Sitzungen besser hinbekommen kann. Spreche ich das an, werde ich eben auf die Wirkung der Übertragungsreaktionen in der Therapiebeziehung verwiesen. Diesem Wirkungsmechanismus sehe ich bei mir nur irgendwie nicht

Zitat von Filli:
Allerdings fühlt sich mich für dieses alleinige Reden in den Sitzung sehr nach Zeitverschwendung an und oft geht es mir danach nochmal deutlich schlechter und der Tag ist gelaufen für mich.

Hallo,
es kann vorkommen, das man in der Therapie zu einem Stillstand kommt.
Ein Therapeut sollte das auch selbst sehen (können)

Eine TPT ist was völlig anderes als eine VHT. In der VHT werden primäre Strategien entwickelt und an ungünstigen Verhaltensmustern gearbeitet. In der Regel geht der Therapeut nur wenig in die Hintergrundgeschichte.

TPT = Fokus auf Biografie, VHT Fokus auf Lösungen.

Ich fand zB, dass eine Theraomich überhaupt nicht ge-challenged hat. Sie hat viel zugehört aber wenig gesagt.

Dann habe ich mal im Tv eine gesehen, die hat den Patienten manchmal gereizt, um irgendwas hervorzurufen u dann ist er durch den Schmerz gegangen und konnte so aufarbeiten.

Zitat von cube_melon:
TPT = Fokus auf Biografie, VHT Fokus auf Lösungen.


Danke für deine Antwort. So habe ich es auch von Anfang an verstanden.

Ich habe mir inzwischen selber mit Büchern und Videos viele VT Tipps rausgesucht und versucht umzusetzten.

Allerdings zweifel ich nun daran, ob mich die Tiefenfundierte Therapie noch weiterbringt. Also wie kann mir das Verstehen meiner Biografie konkret helfen?

Zitat von portugal:
Dann habe ich mal im Tv eine gesehen, die hat den Patienten manchmal gereizt, um irgendwas hervorzurufen u dann ist er durch den Schmerz gegangen und konnte so aufarbeiten.


Das klingt irgendwie brutal. Wie extra etwas zu triggern um zu gucken, was passiert

Zitat von Filli:
Also wie kann mir das Verstehen meiner Biografie konkret helfen?


Alles was du in der Kindheit, in der Jugend erlernt, erfahren hast, sitzt in dir drinnen. Sind das gute Erfahrungen, braucht man keine Therapie, da hat man ein gutes Gerüst für Probleme.

Hast du aber schlechte Erfahrungen gemacht , prägen sie dein jetziges Leben immer mit. Und hier geht es dann darum, das zu erkennen und andere Sichtweisen zu entwickeln.

Allerdings ist das viel Arbeit, da die so tief sitzen und meistens überhaupt nicht angesehen werden wollen. Und solange du wartest, bis ein Therapeut dir den Weg weist, wird das nix.

Hallo Filli,

ich war mal an einem ganz ähnlichen Punkt wie Du jetzt. Ich habe damals mit TPT angefangen, fand das gar nicht so schlecht, war auch meine erste Therapie damals. Aber nach einiger Zeit (ca. 2 Jahre) bemerkte ich bei mir ähnliche Empfindungen, wie Du sie beschrieben hast, habe die TPT aber erstmal weiter durchgezogen.

Es kam bei mir dann durch äußere Umstände zu einem vollständigen Crash, der mich in die Klinik gebracht hat. In der Klinik wurde nach VT gearbeitet, ich fand es zu dem Zeitpunkt für mich passender und habe im Anschluss an den Klinikaufenthalt auch ambulant zu einem VT-Therapeuten gewechselt.

Ich finde, es ist eine Frage des Zeitpunkts (bzw. des Punktes, an dem man gerade therapeutisch steht), wann welche Therapieform sinnvoll angezeigt ist. Ich denke tatsächlich, dass es sinnvoll ist, beide zu machen. Beide haben ihre Vorzüge und ihre Nachteile, ergänzen sich aber imho gut und sind ohne die andere Therapieform unvollständig. (Frei nach dem Motto: There is a time and place for everything.)

Ich habe viele Patienten kennengelernt, denen es wir Dir und mir ging, die in der TPT auf Dauer etwas zu wenig Praxis-/Alltagsbezug gesehen haben. Etwas überspitzt formuliert: Schön, dass wir drüber geredet haben, und was nun? So hat mir gegenüber mal ein Verhaltenstherapeut explizit seine Vorbehalte gegen die TPT erläutert (sind also nicht meine Worte).

Andersherum habe ich auch viele Patienten kennengelernt, die direkt mit VT angefangen haben und dann darunter gelitten haben, dass man die biographischen Hintergründe nicht intensiv genug beleuchtet und berücksichtigt hat.

Ich war mit dem Wechsel zufrieden. Auf Grundlage der intensiven biographischen Arbeit war ich dann in der Lage, die verhaltenstherapeutischen Ansätze ganz gut aufnehmen und umsetzen zu können.
Inzwischen bin ich jetzt an einem Punkt, wo ich mich von der Alltags-Schiene wieder etwas entferne und trauma-therapeutisch im Rahmen der VT arbeite (an dieser Stelle verzahnen und überlappen sich die beiden Therapieformen auch etwas).
Ich schätze Therapeuten, die flexibel beide Formen miteinander kombinieren (auch wenn natürlich aus abrechnungstechnischen Gründen ein Etikett draufgeklebt werden muss).

Ich würde Dir raten, flexibel zu bleiben und auf Dein Bauchgefühl zu hören. Jede Therapie kommt irgendwann an ihre Grenzen, und wenn der Zeitpunkt erreicht ist, sollte man offen sein und den Therapeuten und die Therapieform wechseln. Oftmals können einem auch Therapeuten direkt einen Kollegen aus der anderen Therapieform nennen und einen sogar dahinempfehlen, ich würde da ganz offen das Gespräch suchen, Therapeuten kennen das Problem und sind meistens aufgeschlossen.
Das klingt jetzt vielleicht sehr leicht dahingesagt, mir persönlich ist es immer sehr schwergefallen, mich von vertrauten Therapeuten zu lösen.
Aber die Therapie hat insgesamt von den verschieden Einflüssen und Richtungen profitiert.

LG Silver

Zitat von Filli:
Das klingt irgendwie brutal. Wie extra etwas zu triggern um zu gucken, was passiert


Das mag sicher ein etwas heftigeres Beispiel gewesen sein, aber grundsätzlich kann man schon sagen, dass Verhaltenstherapeuten die härteren Hunde sind, die einen gerne mal provozieren, schubsen oder einfach sehr deutliche Worte finden. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man TPT gewöhnt ist, war es zumindest für mich.
Sie wollen, dass man etwas verändert, und manchmal setzen sie den Verhaltensimpuls zur Veränderung auch etwas nachdrücklicher als ein Tiefenpsychologe das tun würde.
Klar gibt es immer Ausnahmen, das Naturell und den persönlichen Stil des Therapeuten, aber selbst die/der sanfteste VT-Therapeut/in, den/die ich so kennengelernt habe (und es waren so einige im Laufe der Jahre), war meistens noch deutlich zackiger drauf als ein/e fordernder Tiefenpsychologe/in. So zumindest meine Erfahrung, und ich habe es auch von vielen anderen Patienten so gehört.

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!

Ich möchte die Therapie nicht vorschnell aufgeben, ich habe dadurch ja auch viel gelernt und mir echt schwere Themen bei mir bewusst gemacht und meine unschönen Muster erkannt. Nur hänge ich jetzt gefühlt fest und frage mich, wie diese Erkenntnisse in Veränderungen in meinem Alltag umgesetzt werden können

Ich finde auch wie oben bereits gesagt, dass jede Therapieform ihre Zeit und Grenzen hat. Wenn Du das Gefühl hast, dass nix mehr zu finden ist, würde ich das klipp und klar sagen.

Therapeuten sind ein bisserl wie Trainer - sie sind nicht immer gut, auch wenn sie teuer sind.
Aber wenn Du meinst, er hätte noch einen Benefit in der Hand, dann fordere den ein - selbst wenn Du es damit erzwingen musst, indem Du den Wunsch nach Therapiebeending äußerst.

Sprich das doch einfach mit Deiner Therapeutin an, dass ist ja kein Vorwurf an sie und das wird sie auch so nicht sehen.

@portugal Meine ich auch. Selbst wenn es als ein Vorwurf aufgefasst würde, muss das offen angesprochen werden.
Ein Freund von mir ist seit 12 Jahren beim selben tiefenpsychologischen TP und macht erst jetzt entscheidende Fortschritte, wo er zu einem Suchtberater (!) geht! Das hätte er auch schon ein paar Jahre früher haben können...

Meine Therapeutin meinte mal beim Entlassen aus der TK, als ich fragte, ob ich schwierig war: schwierig gibt es nicht, nur Uneinsichtig.
Sie meinte, sie hatte auch Patienten, die sie total missachtet haben u schreckliches Benehmen hatten.
Sind wahrscheinlich welche gewesen, die Therapie machen mussten (Straftäter).

A


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Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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