Auch ich habe jahrelang an fürchterlichen Angstzuständen Panikattacken gelitten, die mir das Leben schlichtweg unmöglich machten. Ich bin eigentlich ein sehr reiselustiger und überhaupt unternehmungslustiger Mensch, aber die Panikattacken nahmen mir jegliche Freude an allem, jeder Schritt wurde zur Qual, jede Einladung artete in stundenlangem Abwägen aus, ob ich es den nun wagen könnte, anzunehmen oder nicht. Ich weiß nicht, wie viele Ärzte ich in den Jahren meiner Panik besucht habe - es waren auf jedem Fall verdammt viele und natürlich konnte mir keiner helfen. Denn meine zahlreichen Panik-Symptome - Schwindel, Herzrasen, Schweißausbrüche, Atemnot, Todesangst, etc.....rührten ja nicht, wie ich vermutete, von einer schlimmen Krankheit her. Bis mir überhaupt mal jemand sagte, dass ich unter einer Angststörung litt, waren bereits mehrere qualvolle Jahre vergangen.
Irgendwann bekam ich dann den (für mich) lebensrettenden Tipp von der Freundin einer meiner besten Freundinnen. Eine Konfrontationstherapie an der Christoph-Dornier-Stiftung in Münster. Mir war zu jenem Zeitpunkt schon alles egal, ich war bereit, alles mit mir anstellen zu lassen, Hauptsache, diese Zustände hörten auf. Das war ja kein Leben mehr, jeder Supermarktbesuch war inzwischen zu einem Spießrutenlauf für mich geworden, der nicht selten damit endete, dass ich alles stehen und liegen ließ und hektisch die Flucht ergriff. Von Aktivitäten mit Freunden ganz zu schweigen......da war die Angstattacke schon vorprogrammiert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Konfrontationstherapie setzt letztendlich darauf, die von mir selbst vorgenommene Programmierung zur Angst wieder außer Kraft zu setzen.
Zwei Wochen lang musste ich mich täglich von morgens bis abends in Begleitung meiner Therapeutin (und mit zunehmender Dauer der Therapie auch ohne) meinen schlimmsten Angststituationen stellen. So also z.B. stundenlang in den Menschenmassen am Kölner Hauptbahnhof verharren (eine Horrorvorstellung für mich damals), ohne meine Sicherheitsanker (Handy und Traubenzucker) durch die volle Fußgängerzone marschieren, Gondel fahren, alleine in der Tiefgarage ausharren, etc..... Mit anderen Worten, ich musste all das tun, was ich in den Jahren davor so erfolgreich vermieden hatte und das Ganze dann solange auf die Spitze treiben, bis mich die Panikattacken so richtig schüttelten. Es ging dabei darum, die Erfahrung zu machen, dass die Katastrophe, die ich befürchtete (tot umfallen, ohmmächtig werden, mich lächerlich machen,etc) in Wirklichkeit nie eintritt. Und die Erfahrung zu machen, dass die Attacke irgendwann von selber verschwindet, auch ohne dass ich dazu vorher flüchten musste.
Klingt übel, ich weiß...und das war es in den ersten Tagen auch...aber nach nur 5 Tagen (!) kam für mich dann der Durchbruch. Ich hatte an diesem ersten Freitag nach Beginn meiner Therapie einen denkbar schlechten Tag: ich hatte nicht gut geschlafen, hatte meine Tage bekommen und war dementsprechend müde und angeschlagen und war überhaupt völlig k.o. von den Ereignissen der vorhergegangenen Tage. An diesem Tag ging meine Therapeutin mit mir in ein - typisch Freitagnachmittag - hoffnungslos überfülltes, stickiges Kaufhaus und ließ mich dort über eine Stunde allein. Ich hätte schon losheulen können, als sie mir sagte, was ich heute tun solle - ich war doch so schlecht drauf und hatte das Gefühl, heute überhaupt nichts aushalten zu können. Aber nun denn....ich wußte ja vorher, worauf ich mich eingelassen hatte und ich wollte ja unbedingt aus diesem Teufelskreis der Angst herauskommen...also denn.......ans Werk. Tja, was dann in dieser Stunde im Kaufhaus folgte, war die absolute Hölle für mich. Kaum war ich allein, wurde ich von Hitzewellen und Schwindelanfällen geschüttelt, und es dauerte nicht lang, da war ich sicher, dass dies definitiv meine letzte Attacke war - gleich würde ich sterben, davon war ich überzeugt.
Es war wirklich furchtbar. Die Attacken kamen in Wellen, schwollen wieder an und flauten wieder ab, beruhigen konnte ich mich jedoch nicht. Jede Sekunde fürchtete ich, ohnmächtig oder tot zu Boden zu sinken. Doch dann...nach einer qualvollen Stunde (plus-minus) geschah das Erstaunliche: Ich beruhigte mich von selber wieder. Die Angst ließ nach, ich konnte wieder klar sehen und der Boden bebte nicht mehr unter meinen Füßen. Als dann meine Therapeutin zurückkam begrüßte ich sie mit den Worten: Ich habe Sie ehrlich gesagt noch nie so gehasst wie heute - aber jetzt gehts mir gut. Wir sind dann noch Kaffee trinken gegangen, in einem Straßencafé in der überfüllten Innenstadt - und ich habe geheult vor Freude. Ich bin förmlich durch die Straßen geschwebt! Weil auf einmal die Angst weg war, einfach weg!! Ich kannte dieses Gefühl gar nicht mehr, es war wie eine Wiedergeburt. Klingt wirklich kitschig...ich weiß...aber ich kann es nicht anders beschreiben. Es war ein unglaubliches Glücksgefühl.
Und es hielt an. In der zweiten Woche meiner Therapie gelang es meiner Therapeutin kaum noch, mich überhaupt in Unruhe zu versetzen - und sie hat sich wahrlich Mühe gegeben ;o) Nach zwei Wochen war meine Therapie dann vorbei ich der glücklichste Mensch auf Erden. Nie hätte ich gedacht, dass ich so schnell geheilt werden könnte - und dass ich die Panikattacken überleben würde.
Ich maße mir nicht an zu sagen, dass Konfrontation das alleinige Allheilmittel gegen Angstattacken ist. Mir aber hat es zu einem neuen Leben verholfen. In diesem Sinne: gebt nicht auf, auch wenn es oft nicht so aussieht - es gibt einen Weg aus der Angst!
08.06.2009 13:22 • • 19.06.2009 x 1 #1