Sammelthema
Hallo liebe Mit-Foris,
ich möchte endlich mal meinen Erfahrungsbericht über meinen Klinikaufenthalt posten und damit vielleicht auch ängstlichen Zweiflern Mut machen, ähnliche Schritte zu unternehmen.
Ich war Anfang dieses Jahres neun Wochen in der psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim. Dem ist eine monatelange Wartezeit vorangegangen und ein ambulantes Vorgespräch in der Klinik. Das mit dem Warten fand ich nicht schlimm, denn es ging mir wie vielen vor einer solchen Maßnahme - ich hatte tierisch Schiss und war für jeden Aufschub dankbar...
Als es dann so weit war, sollte ich bis spätestens 11 Uhr einchecken. Ich wurde - wie hier beschrieben - von meiner Cotherapeutin (Krankenschwester mit Zusatzausbildung, die auf meiner Station bzw. in dem Team arbeitete, dem ich zugewiesen wurde) in der Lobby abgeholt und auf mein Zimmer gebracht. Ich hatte ein Einzelzimmer, es gibt aber auch reichlich Zweibettzimmer, die Verteilung ist u.a. altersabhängig... Die Cotherapeutin erklärte mir erstmal alles und gab mir die ersten Termine. Am Ankunftstag waren das nur das Aufnahmegespräch bei meiner Bezugstherapeutin und abends Wiegen und Blutdruck messen. Außerdem meldete sich noch ein Mitpatient, mein Pate, bei mir, um mir die Klinik zu zeigen. Das wars zunächst, und weil ich dienstags ankam, die Einführungsveranstaltungen für Neue aber erst donnerstags beginnen, war das ziemlich blöd. Beim Essen gab es für Neue reservierte Tische, und das war mehr oder weniger die einzige Gelegendheit, Kontakte zu knüpfen, falls der jeweilige Pate sich nicht sehr darum bemühte, seinen Schützling zu integrieren.
Ab der zweiten Woche hatte ich volles Programm: Morgens um 8:45 gabs einen Frühtreff, da versammelten sich alle Patienten eines Teams und die diensthabenden Cotherapeuten zur Besprechung von Organisatorischem, Nachfrage, wie es den Patienten ging und ob jemand etwas brauchte. Danach fanden die sonstigen Gruppen statt. Ich war zuerst in der Angstbewältigungsgruppe. Die umfasste ca. 12 Personen mit hauptsächlich agoraphobischen Ängsten und entsprechendem Meideverhalten. Die Gruppe ging über drei Wochen mit vier Terminen pro Woche. Höhepunkt war ein gemeinsamer Ausflug mit der Straßenbahn nach Mannheim, wo dann weitere Expositionsübungen gemacht wurden. Vorbereitet wurde das Ganze theoretisch, indem das Zustandekommen der verschiedenen Symptome erklärt wurde, die Aufrechterhaltung der Angst, das Aushalten von Panik etc. Außerdem wurden Körperübungen gemacht, kleine Mutproben, absichtliches Hyperventilieren etc. Die Gruppe hat mir sehr viel gebracht, und aus Mannheim sind alle mit einer gewissen Euphorie zurückgekommen... Für Angstpatienten gab es außerdem noch die sog. Großgruppe Angst, das war eine Vortragsreihe mit einem Vortrag pro Woche, zusätzlich konnte man noch in eine dazugehörige Kleingruppe. Es war auch sinnvoll, sich die Vortragsreihen Depression und Persönlichkeitsstile anzuhören. Die waren auch durchaus unterhaltsam, u.a. hat die medizinische Supervisorin, die Vorträge zur Depression hielt, dabei einen Loriot-Sketch vorgespielt. Blöd war nur, dass die Vorträge immer am späten Nachmittag stattfanden und der Saal meist überfüllt war, das war beides der Konzentration eher abträglich.
Im Laufe meines Aufenthaltes war ich noch in anderen intensiven Kleingruppen, z.B. in der Zwangsbewältigungsgruppe (bei der es um Zwangsstörungen und Zwangssymptome ging) und in der Problemlösegruppe (die war teamintern, und man konnte dort - wenn man wollte - eigene Themen/Probleme mit der Gruppe besprechen). Bei den Kleingruppen galt Schweigepflicht gegenüber Außenstehenden.
Wichtiger Bestandteil der Therapie war Sport. Parallel zur Angstbewältigungsgruppe sollte man ausdrücklich, sofern man in der Lage dazu war, am Zirkeltraining teilnehmen. Ansonsten wurde man je nach Fitnessstand einer Sportgruppe zugeteilt, wo dann Gymnastik und/oder Spiele auf unterschiedlichem Niveau gemacht wurden. Und man konnte reichlich schwimmen, wenn man wollte. Dazu gab es noch weitere Angebote, an denen man teilnehmen konnte, wenn der Therapieplan und die eigene Motivation es zuließen.
Ergotherapie, Soziotherapie, Krankengymnastik, Mass., Ernährungsberatung u.v.a.m. gab es natürlich auch.
Ich hatte im Schnitt zwei Einzelgespräche pro Woche bei meiner Bezugstherapeutin. Sie hat mit mir zu Beginn überlegt, welche Gruppen ich wohl am besten mitmachen würde. Dann lief die Einzeltherapie parallel zu den Gruppen, hatte aber nicht unbedingt die gleichen Inhalte. Grundsätzlich war es aber auch Aufgabe der Bezugstherapeuten, z.B. das Angstexpositionstraining für den Patienten anzuleiten und zu planen und auch zu begleiten. Als Unterstützung bei Verhaltensänderungen und Expositionen standen auch die jeweiligen Cotherapeuten zur Verfügung. Bei meiner Cotherapeutin hatte ich ca. ein Gespräch pro Woche, hätte sie aber jederzeit ansprechen können. Da wäre auch ein Gespräch pro Tag drin gewesen.
Medikamente waren abzugeben, und zwar alle. Verordnete Medikamente oder Bedarfsmedikamente (wie z.B. Schmerz- oder Beruhigungsmittel) konnte man sich dann in der medizinischen Zentrale abholen. Das war natürlich vom Prinzip her sinnvoll, aber leider nervig, wenn man z.B. vergessen hatte, sich ein Nasenspray verschreiben zu lassen. Dann hätte man nämlich erst den diensthabenden Arzt rufen müssen... Das Motto bezüglich der Medikation war offensichtlich soviel wie nötig, so wenig wie möglich, das Absetzen von Medikamenten wurde unterstützt, soweit ich das überblicken kann.
Für mich waren die ersten Tage in der Klinik schrecklich, aber es hat sich gelohnt, durchzuhalten. Wenn ich nicht auf Fragen, wie es mir geht, reflexartig gut antworten und meine Fassade aufrecht erhalten würde, hätte ich in den unangenehmen ersten Tagen viel mehr Unterstützung durch meine Cotherapeutin z.B. bekommen können. Im Hellsehen sind die alle ganz schlecht, man muss als Patient seine Bedürfnisse daher irgendwie zum Ausdrck bringen, dann wird sich auch um einen gekümmert. Und ich hatte den Eindruck, dass das gesamte therapeutische und medizinische Personal sehr engagiert war.
Stand der Dinge für mich ist jetzt, dass ich meine Ängste überwinden kann, wenn ich will (soll heißen, wenn ich wirklich hinter dem stehe, was tue). Ich habe endlich wieder Dinge allein unternommen (Fahrten nach Mannheim, nach Neustadt, lange Spaziergänge, längere Bahnfahrt etc.) und dabei eine gewisse Normalität erreicht. Zwar kann ich das auch, wenn ich nicht will, stürze dann aber meist depressiv ab. Überhaupt hat sich gezeigt, dass hinter der Angst ganz schöne Depressionen stecken. Vermutlich deshalb habe ich hier zu Hause wieder mit massiven Motivationsproblemen zu kämpfen. Vielleicht greife ich den Thread in den nächsten Wochen nochmal auf, um zu berichten, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Liebe Grüße
Christina
P.S.: Wer Fragen hat, nur zu!
ich möchte endlich mal meinen Erfahrungsbericht über meinen Klinikaufenthalt posten und damit vielleicht auch ängstlichen Zweiflern Mut machen, ähnliche Schritte zu unternehmen.
Ich war Anfang dieses Jahres neun Wochen in der psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim. Dem ist eine monatelange Wartezeit vorangegangen und ein ambulantes Vorgespräch in der Klinik. Das mit dem Warten fand ich nicht schlimm, denn es ging mir wie vielen vor einer solchen Maßnahme - ich hatte tierisch Schiss und war für jeden Aufschub dankbar...
Als es dann so weit war, sollte ich bis spätestens 11 Uhr einchecken. Ich wurde - wie hier beschrieben - von meiner Cotherapeutin (Krankenschwester mit Zusatzausbildung, die auf meiner Station bzw. in dem Team arbeitete, dem ich zugewiesen wurde) in der Lobby abgeholt und auf mein Zimmer gebracht. Ich hatte ein Einzelzimmer, es gibt aber auch reichlich Zweibettzimmer, die Verteilung ist u.a. altersabhängig... Die Cotherapeutin erklärte mir erstmal alles und gab mir die ersten Termine. Am Ankunftstag waren das nur das Aufnahmegespräch bei meiner Bezugstherapeutin und abends Wiegen und Blutdruck messen. Außerdem meldete sich noch ein Mitpatient, mein Pate, bei mir, um mir die Klinik zu zeigen. Das wars zunächst, und weil ich dienstags ankam, die Einführungsveranstaltungen für Neue aber erst donnerstags beginnen, war das ziemlich blöd. Beim Essen gab es für Neue reservierte Tische, und das war mehr oder weniger die einzige Gelegendheit, Kontakte zu knüpfen, falls der jeweilige Pate sich nicht sehr darum bemühte, seinen Schützling zu integrieren.
Ab der zweiten Woche hatte ich volles Programm: Morgens um 8:45 gabs einen Frühtreff, da versammelten sich alle Patienten eines Teams und die diensthabenden Cotherapeuten zur Besprechung von Organisatorischem, Nachfrage, wie es den Patienten ging und ob jemand etwas brauchte. Danach fanden die sonstigen Gruppen statt. Ich war zuerst in der Angstbewältigungsgruppe. Die umfasste ca. 12 Personen mit hauptsächlich agoraphobischen Ängsten und entsprechendem Meideverhalten. Die Gruppe ging über drei Wochen mit vier Terminen pro Woche. Höhepunkt war ein gemeinsamer Ausflug mit der Straßenbahn nach Mannheim, wo dann weitere Expositionsübungen gemacht wurden. Vorbereitet wurde das Ganze theoretisch, indem das Zustandekommen der verschiedenen Symptome erklärt wurde, die Aufrechterhaltung der Angst, das Aushalten von Panik etc. Außerdem wurden Körperübungen gemacht, kleine Mutproben, absichtliches Hyperventilieren etc. Die Gruppe hat mir sehr viel gebracht, und aus Mannheim sind alle mit einer gewissen Euphorie zurückgekommen... Für Angstpatienten gab es außerdem noch die sog. Großgruppe Angst, das war eine Vortragsreihe mit einem Vortrag pro Woche, zusätzlich konnte man noch in eine dazugehörige Kleingruppe. Es war auch sinnvoll, sich die Vortragsreihen Depression und Persönlichkeitsstile anzuhören. Die waren auch durchaus unterhaltsam, u.a. hat die medizinische Supervisorin, die Vorträge zur Depression hielt, dabei einen Loriot-Sketch vorgespielt. Blöd war nur, dass die Vorträge immer am späten Nachmittag stattfanden und der Saal meist überfüllt war, das war beides der Konzentration eher abträglich.
Im Laufe meines Aufenthaltes war ich noch in anderen intensiven Kleingruppen, z.B. in der Zwangsbewältigungsgruppe (bei der es um Zwangsstörungen und Zwangssymptome ging) und in der Problemlösegruppe (die war teamintern, und man konnte dort - wenn man wollte - eigene Themen/Probleme mit der Gruppe besprechen). Bei den Kleingruppen galt Schweigepflicht gegenüber Außenstehenden.
Wichtiger Bestandteil der Therapie war Sport. Parallel zur Angstbewältigungsgruppe sollte man ausdrücklich, sofern man in der Lage dazu war, am Zirkeltraining teilnehmen. Ansonsten wurde man je nach Fitnessstand einer Sportgruppe zugeteilt, wo dann Gymnastik und/oder Spiele auf unterschiedlichem Niveau gemacht wurden. Und man konnte reichlich schwimmen, wenn man wollte. Dazu gab es noch weitere Angebote, an denen man teilnehmen konnte, wenn der Therapieplan und die eigene Motivation es zuließen.
Ergotherapie, Soziotherapie, Krankengymnastik, Mass., Ernährungsberatung u.v.a.m. gab es natürlich auch.
Ich hatte im Schnitt zwei Einzelgespräche pro Woche bei meiner Bezugstherapeutin. Sie hat mit mir zu Beginn überlegt, welche Gruppen ich wohl am besten mitmachen würde. Dann lief die Einzeltherapie parallel zu den Gruppen, hatte aber nicht unbedingt die gleichen Inhalte. Grundsätzlich war es aber auch Aufgabe der Bezugstherapeuten, z.B. das Angstexpositionstraining für den Patienten anzuleiten und zu planen und auch zu begleiten. Als Unterstützung bei Verhaltensänderungen und Expositionen standen auch die jeweiligen Cotherapeuten zur Verfügung. Bei meiner Cotherapeutin hatte ich ca. ein Gespräch pro Woche, hätte sie aber jederzeit ansprechen können. Da wäre auch ein Gespräch pro Tag drin gewesen.
Medikamente waren abzugeben, und zwar alle. Verordnete Medikamente oder Bedarfsmedikamente (wie z.B. Schmerz- oder Beruhigungsmittel) konnte man sich dann in der medizinischen Zentrale abholen. Das war natürlich vom Prinzip her sinnvoll, aber leider nervig, wenn man z.B. vergessen hatte, sich ein Nasenspray verschreiben zu lassen. Dann hätte man nämlich erst den diensthabenden Arzt rufen müssen... Das Motto bezüglich der Medikation war offensichtlich soviel wie nötig, so wenig wie möglich, das Absetzen von Medikamenten wurde unterstützt, soweit ich das überblicken kann.
Für mich waren die ersten Tage in der Klinik schrecklich, aber es hat sich gelohnt, durchzuhalten. Wenn ich nicht auf Fragen, wie es mir geht, reflexartig gut antworten und meine Fassade aufrecht erhalten würde, hätte ich in den unangenehmen ersten Tagen viel mehr Unterstützung durch meine Cotherapeutin z.B. bekommen können. Im Hellsehen sind die alle ganz schlecht, man muss als Patient seine Bedürfnisse daher irgendwie zum Ausdrck bringen, dann wird sich auch um einen gekümmert. Und ich hatte den Eindruck, dass das gesamte therapeutische und medizinische Personal sehr engagiert war.
Stand der Dinge für mich ist jetzt, dass ich meine Ängste überwinden kann, wenn ich will (soll heißen, wenn ich wirklich hinter dem stehe, was tue). Ich habe endlich wieder Dinge allein unternommen (Fahrten nach Mannheim, nach Neustadt, lange Spaziergänge, längere Bahnfahrt etc.) und dabei eine gewisse Normalität erreicht. Zwar kann ich das auch, wenn ich nicht will, stürze dann aber meist depressiv ab. Überhaupt hat sich gezeigt, dass hinter der Angst ganz schöne Depressionen stecken. Vermutlich deshalb habe ich hier zu Hause wieder mit massiven Motivationsproblemen zu kämpfen. Vielleicht greife ich den Thread in den nächsten Wochen nochmal auf, um zu berichten, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Liebe Grüße
Christina
P.S.: Wer Fragen hat, nur zu!
06.04.2009 17:22 • • 24.07.2021 x 3 #1
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