Hallo an Alle,
ich bin per Zufall auf dieses Thema gestoßen.
Ich habe von Januar 2020 bis März 2020 insgesamt 12 EKT Behandlungen gemacht.
Insgesamt möchte ich die Angst vor dieser Behandlungsmethode nehmen. Man kriegt davon nichts mit.
Unter Vollnarkose wird ein kurzer epileptischer Anfall ausgelöst der dafür sorgen soll, dass die - salopp gesagt - Schaltungen im Gehirn wieder so funktionieren wie bei einem gesunden Menschen.
Vor der Behandlung führte die Oberärztin ein Aufklärungsgespräch durch, sowie die Anästhesie. Die Behandlung inkl. Narkose dauert circa 15 Minuten. Wer schon mal operiert worden ist, kennt das Prozedere. Man kommt im OP an, wird verkabelt, kriegt einen Zugang gelegt. Dann kriegt man eine Atemmaske auf + Propofol über den Zugang und dann ist man auch schon weg.
Die ersten 2-3 Behandlungen kann man Muskelkater haben, ist aber bei jedem Menschen anders. Auch Kopfschmerzen sind möglich. Mir hat man aber angeboten direkt über die Infusion ein bisschen Novalgin mit reinzumachen damit die Kopfschmerzen gar nicht erst aufkommen. Ich bin erst 32 Jahre alt, daher kann es gut sein, dass es jüngere Menschen besser verkraften. Wobei ich in der Klinik auch eine Patientin kennengelernt habe die 53 war und auch eine Stunde später wieder aufstand. Man kann nach der Behandlung auch direkt Essen Trinken, also man muss nicht im Bett liegen bleiben.
Ich habe in meinem Freundeskreis einen Neurochirurgen und habe auch ihn gefragt was er von dieser Behandlungs-Methode hält. All diese positiven Bewertungen haben dazu geführt, dass ich es am Ende gemacht habe. Ich neige dazu, mehr Nebenwirkung als Wirkung von Psychopharmaka zu haben, deshalb habe ich mich nach alternativen Methoden umgesehen. Man muss sich gedanklich einfach davon lösen, dass sowas noch mittelalterlich durchgeführt wird. Die EKT hat heutzutage eine extrem hohe Anspruchrate 80%. Aber am Ende des Tages sind wir alle Individuen, ob es bei jemandem wirkt oder nicht und in welcher Intensität muss schlichtweg ausprobiert werden. Eine Garantie wird natürlich niemals ausgestellt.
Ich für meinen Teil kann sagen, dass kein Medikament bis jetzt das erreicht hat was die EKT erreicht hat. Mir ging es nach der 6. oder 7. Behandlung wirklich richtig gut. Auch das ist ein weiterer Hinweis der Ärzte, dass nach Studien die ersten Effekte der EKT circa nach der 6. Behandlung eintritt. Daher muss man dem Ganzen auch ein wenig Zeit geben. Bei jüngeren Menschen kann es sein, dass der Effekt schon vorher eintritt. Jedoch sollte nach der 12. EKT ein Effekt spürbar sein, andernfalls bedeutet es, dass dieses Verfahren für denjenigen nicht anspricht.
Nebenwirkungen: Wie jedes Verfahren gibt es Nebenwirkungen. Von häufig bis sehr selten. Wir alle kennen die Beipackzettel unserer Medikamente. Die EKT hat bei mir Mundtrockenheit und eine Gedächtnisstörung ausgelöst. Aber auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass es für mich absolut in Ordnung war, wenn ich mal nicht mehr wusste womit mein Brötchen morgens belegt war. Und es hat auch immer nur das Kurzzeit-Gedächtnis betroffen. Zusätzlich möchte ich betonen, dass diese Störung nach circa 6 Wochen komplett verschwunden war und ich auch heute davon nichts mehr bemerke.
Aber wichtig ist und das sollte jedem klar sein, dass ist mein persönlicher Erfahrungsbericht. Bei jedem kann es einen unterschiedlichen Verlauf nehmen. Positiv wie negativ. Ich möchte nur ein wenig die Angst vor dieser Behandlungsmethode nehmen, weil das größte Risiko in der Narkose liegt was eigentlich schon mehr als genug aussagt.
Aus meiner persönlichen Sicht: Ärzte probieren sehr gerne zunächst die ganze Palette der Psychopharmaka aus, bis sie auf die Idee kommen eine EKT in Betracht zu ziehen. Das finde ich ein bisschen Schade. Wir alle wissen, dass das Einschleichen/Ausprobieren/Ausschleichen ein langer Leidensprozess ist. Wenn man dann irgendwann gefühlt schon 10 Präparate probiert hat, kostet das extremst viel Energie und Zeit. Eine EKT kann pro Woche 2x durchgeführt werden. Teilweise sogar 3x. Je nach Person. Sprich, man hat einen Aufenthalt von 6 Wochen und weiß dann definitiv ob es hilft oder nicht. Ohne rumprobieren mit den verschiedensten Medikamenten und Dosierungen. Es ist einfach plump gesagt, ein mechanischer Eingriff wo versucht wird, die Stoffwechselstörung die es am Ende des Tages ja ist, wieder in den Griff zu bekommen.
Wie lange der Effekt der EKT hält, kann einem niemand beantworten, deshalb ist es an einem selbst seinen Zustand immer so gut es geht selbst zu bewerten und dann zum richtigen Zeitpunkt zu einer Auffrischung wieder ins Krankenhaus zu gehen. Auch hier gibt es kein Standard. Manche machen es alle 4 Wochen, andere alle 2. Manche machen eine kleine Auffrischungs-Serie von weiteren 4 Behandlungen. Alles gesehen und gehört von Mitpatienten. Auch das hat mich immer wieder positiv beeinflusst, mit Menschen zu reden die im selben Boot saßen und von ihren Erfahrungen berichteten wie es ihnen mit der EKT ging.
Meine Oberärztin hat damals gesagt, wenn die Depression mittelschwer oder schwer + rezidivierend ist, ist man ein Kandidat für die EKT. Aber man muss es dann auch gezielt ansprechen, dass man dieses Verfahren gerne ausprobieren möchte, weil wie bereits oben erwähnt gerne erstmal das ABC der Psychopharmaka ausprobiert wird, was ich bei der Ansprechrate nicht verstehen kann. Die meisten Ärzte werden zur Stabilisierung auch vorschlagen eine Monotherapie mittels Psychopharmaka unter die EKT zu legen. Ob man das macht, bleibt einem selbst überlassen.
Falls Fragen sind, könnt ihr sie mir gerne stellen weil ich mit Sicherheit einige Sachen vergessen habe die interessant sein könnten.
LG,
Sebo
07.09.2020 11:21 •
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