@Meteora
Hallo,
ich wollte am Anfang ebenfalls die Diagnostik nicht machen. Deswegen habe ich auch erst zwei Monate später zugestimmt, als die Psychologin und ich vieles durchgegangen sind.
Welche Vorurteile hast du denn gegen Autismus?
Tatsächlich war ich erst schockiert, als die Psychologin dieses Thema und den Verdacht ansprach, da ich auch nur Autismus kannte im Hinblick auf den frühkindlichen Autismus. Danach habe ich mich damit auseinander gesetzt und sie hat mir auch sehr viel erklärt. Ich denke für mich war es auch gut, mich mit dem Thema nicht auszukennen. Denn somit konnte ich mir nichts ausdenken -ich hoffe du verstehst, wie ich das meine.
Ich habe ebenfalls versucht erstmal Gründe zu finden, die bei mir gegen Autismus sprechen.
Bei dem was du schreibst, kann ich durchaus verstehen, dass es dann wohl kein Autismus ist und deine Therapeutin ihre Meinung geändert hat. Bei dir scheint es für diese Verhaltensweisen einige Erklärungen zu geben.
Bei mir lassen sich so jedoch keine Gründe finden. Erst später durch ein Trauma (da war ich schon im Teenager Alter), dass ich deswegen noch schwieriger mit Körperkontakt umgehen kann. Das war vor dem Trauma allerdings auch schon so und das Trauma hat es nur verschlimmert.
Zum Beispiel, dass ich so schlecht bin in zwischenmenschliche Beziehungen, dagegen kann ich keinen Grund finden. Denn ich war zwar ab ein gewisses Alter ein Mobbingopfer, allerdings habe ich eine sehr gute Familie und auch einen Bruder. Lernen konnte ich soziale Regeln nur indem sie mir sehr deutlich und direkt erklärt wurden ohne Drumherum und sogar dann mach(t)e ich noch viele Fehler.
Spezialinteressen können sich aber auch ändern. Das ist kein Grund gegen eine Diagnose. Meine haben sich im Laufe der Zeit ebenfalls geändert. Zwar wenig, aber es gab einen Wechsel.
Meine Körperwahrnehmung ist sehr verwirrend. Ich bin extrem Licht- und Geräuschüberempfindlich. Dass ich Geräuschüberempfindlich bin kann mit meiner Hörschädigung zusammenhängen, ist allerdings kein Muss. Ich laufe auch im Winter mit einer Sonnenbrille umher. Ich habe grüne Augen.
Schmerzunterempfindlich bin ich ebenfalls und es gibt Materialien die ich überhaupt nicht anfassen kann (zum Beispiel Ton) oder nicht essen kann (Zwiebeln, Trauben etc.) auf Grund der Konsistenz oder Farbe (keine gelbe Marmeladen). Zudem habe ich zwei Synästhesie Formen.
Ich verstehe auch nicht, wie Menschen keine Routinen mögen können. Aber die meisten Menschen klammern sich nun mal nicht so sehr daran. Bei mir geht ohne Routinen gar nicht. Dann ist es pures Chaos in meinem Kopf. So kann ich auch kein bisschen flexibel sein.
Das mit dem Blickkontakt habe ich hier schon erklärt, aber nochmal: Vor allem als Kind hatte ich keine Angst davor. Aber mir wurde dabei sehr unwohl und ich konnte/kann einfach nicht verstehen, weshalb der Blickkontakt für Menschen wichtig ist. Ich kann da nichts erkennen und es ergibt keinen Sinn für mich. Die Angst davor kam mit der Zeit, als der Druck von Außen immer größer wurde, dass ich die Menschen ansehen MUSS. Zum beispiel hat mich ein Lehrer bei der Verabschiedung am Ende des Schultages immer wieder nach hinten in die Reihe geschickt, wenn ich ihm beim auf wiedersehen sagen nicht in die Augen geschaut habe. Solche Sachen haben dann mit den Jahren Angst hervor gerufen, weil da von meiner Seite auch einfach die Frage war, wieso? und ich verstehe das einfach nicht.
Aber letztendlich KANN ich es einfach NICHT. Ich kann beim Anschauen mich nicht konzentrieren. Denn dann muss ich mich darauf konzentrieren und dann kann ich weder reden, noch zuhören. Und wie gesagt, es ergibt für mich einfach keinen Sinn.
Was bei mir z.B. gegen Autismus sprechen würde, ist tatsächlich die Sprache. Ich kann zwar mehrere Sprachen, jedoch keine perfekt. Was auch größtenteils an meiner Hörschädigung liegt, bzw. am ausschließlich visuellem Denken.
(Die Hörschädigung wird für meine restlichen Symptome übrigens ausgeschlossen als Ursache)
Der Grund, dass viele autistische Symptome sich durch andere (z.B.) psychische Störungen erklären lassen, ist natürlich der Grund, dass die Diagnostik so lange dauert und viel ist. Denn es ist wichtig die Abgrenzung zu machen. Ich finde das ebenfalls sehr wichtig.
Bei mir kommt vielleicht dazu, dass mein Cousin selber einen atypischen Autismus hat (sofern ich weiß) und in meiner Familie gehäuft autistische Züge vorkommen. Die Frau Dr., welche meine Diagnostik macht, kann sich auch vorstellen, dass z.B. mein Vater betroffen ist.
Die Diagnostik mache ich nicht für andere, sondern nur für mich. Natürlich geht es auch darum, dass meine Familie lernen kann mich besser zu verstehen -aber vor allem möchte ich mich, mein Verhalten und meine Wahrnehmung besser verstehen. Ich würde auf keinen Fall jedem von der Diagnose erzählen. Wozu auch? Wichtig ist es vielleicht für das Studium und später für die Arbeit. Aber ansonsten möchte ich als die Person akzeptiert werden, die ich bin. Und nicht weil Menschen sich denken oh, sie ist autistisch, so ist sie eben. Ich bin ich und nicht eine Diagnose.
Ich habe auch lange überlegt, ob ich überhaupt eine Diagnose möchte. Eben weil man sie dann sein ganzes Leben lang hat und viele Menschen Vorurteile haben.
Für mich ist es aber wichtig die geeignete Hilfe dafür zu bekommen. Und auf all meine Fragen eine Antwort zu erhalten. Ich habe mich mein gesamtes Leben anders und falsch gefühlt. Ich wollte immer normal sein (gesellschaftlich betrachtet) -bzw. ab dem Mobbingbeginn- und ich habe es nie geschafft.
Ob etwas eine Modediagnose ist... was das angeht habe ich keine Ahnung. Damit habe ich mich nie beschäftigt und darum habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich finde das auch nicht wichtig, sofern eine gute und professionelle Diagnostik gemacht wird.
Letztendlich kann es durchaus sein, dass es kein Autismus ist. Das ist eine Möglichkeit.
Ich versuche mir da gerade gar nicht so viele Gedanken drüber zu machen. Ich werde abwarten was dabei raus kommt und je nachdem, was raus kommt, werde ich mir die geeignete Hilfe holen.
Vor den kommenden Terminen habe ich allerdings trotzdem Angst. Nicht selber vor dem Ausfüllen der Fragebögen, aber eben vor dem Termin zu denen meine Eltern gehen müssen und vor dem Fragebogen, den sie ausfüllen müssen.
Einerseits, weil ich auch irgendwie Angst davor habe mehr über mich herauszufinden, andererseits weil vor allem meine Mutter mich häufig anders darstellt, als ich bin und meine Probleme oft verharmlost/mir die Schuld zuschiebt.
19.06.2019 12:52 •
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