vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort
Ich habe versucht so ein Arrangement zu finden, wo es ein Mindestmaß an Reinigung gibt, was mich beruhigen könnte. Hat leider immer nur bis dahin funktioniert, bis irgendwas passiert ist, was sich meiner Kontrolle entzog (z.B. mein Mann mit dem Kinderwagen durch Kot fuhr und den dann bis hier oben über alle Fußmatten in den Flur schob).
Zitat von Abe:Wäre ich also Du, dann würde ich wie folgt vorgehen:
Sichtkontrolle Reifen und Schuhe unten am Eingang. Wenn ES eingetreten ist oder Du Dir unsicher bist, dann dort Wechsel der Schuhe auf diese günstigen Plastikbadelatschen, welche man im Schwimmbad benutzt. Wenn unsicher am Reifen, dann über den Reifen einen festen Gefrierbeutel drüber und fixieren. Beides hast Du ja immer mit dabei in einer Tüte am Buggy. Hast Du doch, oder?!
Einen großen Bottich bedarf es gar nicht auf dem Balkon. Reichen doch dann 2 Frischhalteboxen, ein paar Einweghandschuhe und Deine Chlormischung.
Badelatschen könnte ich unten nicht im Hausflur stehen lassen. Ist ein 13 Parteien Haus. Ich könnte aber über die Fußmatte steigen und müsste dann eben nur den Boden normal abwischen, über den in ging oder ich müsste auf Socken laufen.
Die Räder sind riesig, geschätzt 25 cm Durchmesser, da passt wohl eher ein Müllbeutel als ein Gefrierbeutel Ist so ein Geländebuggy mit 3 luftbefüllten Rädern.
Mit den Frischhalteboxen ist an sich eine gute Idee (fertig machen und Buggy mit den Rädern in die Boxen stellen), aaaber...die riesen Reifen...das müssten dann schon Frischhalteboxen in Übergröße sein.
Die meisten Buggies haben ja die relativ kleinen und profilfreien Kugellagerräder (meist dann 8 Räder, weil 2 immer nebeneinander sind zur besseren Stabilisierung). Meine Reifen sind gefühlt 5 Mal so groß wie die Räder des Durchschnittbugies. Ist für jemanden mit Hundekotphobie also nicht gerade ideal...aaarg.
Die Schwiegermutter muss ich eher nicht überzeugen. Denke mein Mann ist da schwieriger, der findet die Geländegängigkeit des Buggies ja gerade so toll und zudem denkt er sich: Warum einen neuen kaufen, wenn man doch einen hat. Aber wir brauchen eh einen Reisebuggie, den ich dann einfach stattdessen immer nutzen könnte ...und den jetzigen könnte man dann...aaarg, wir hätten gar keinen Platz den zu lagern.
Zitat von Abe:Zierfische und Zierfisch Artige z. B. brauchen glaub gar keinen Auslauf auf Wiesen und Felder.
Da könntest du recht haben
Zitat von Abe:Ggf. könntest Du Dich mal mit der Form der systematischen Desensibilisierung im Netz bissle kundig machen, ob diese Methode was für Dich wäre,
Generell sicher, ist ja das gleiche Prinzip wie Expositionstherapie (nur eben Schritt für Schritt...und nicht mit dem schlimmsten Reiz begonnen, wie bei manchen Expositionsverfahren). Also es muss ja immer eine Gegenkonditionierung stattfinden bei Ängsten, der Reiz muss emotional neu besetzt werden (nicht mehr panisch).
Zitat von Abe:Gedanke an sich: Könnte es sein, dass Du Dir bei ES, gegenüber den anderen Gefahren von Außen (Leiter im Haushalt, Bakterien am Telefon, etc.), viel mehr Sorgen machst, weil da der Ekelfaktor, der uns glaub angeboren ist, stark mit hineinspielt, obwohl die Wahrscheinlichkeit viel mehr für den Leiterunfall beim Gardinenabhängen spricht?
Der Ekelfaktor spielt mit Sicherheit eine Rolle. Zudem kommt aber auch ein Gefühl des Ausgeliefertsein (das Gefühl nicht verhindern zu können, dass Fuchsbandwurmeier in die Wohnung kommen, z.B. weil ich nicht alleine wohne). Gefühlsmäßig muss ich immer was extrem bedrohliches abwehren, was andere verursacht haben. So habe ich Angst durch Nachlässigkeit was Schlimmes zu verursachen, wobei es sich ja gefühlsmäßig auch meiner Kontrolle entzieht. So kann ich mir keinen wirklich sicheren Handlungsplan zurecht legen. Denke da ist noch was viel tiefer liegendes hinter dem Gefühl des Ausgeliefertseins.
Warum gerade die Alveolöre Echinokokkose so ängstigt liegt wohl an dem nicht ganz klaren Infektionsweg, daran, dass Parasiten generell schon was ekliges haben und vor allem, weil die Krankheit nicht heilbar ist (man kann mit Medikamenten nur das Fortschreiten aufhalten, aber mit starken Nebenwirkungen). HIV kein Problem für mich, obwohl unheilbare Infektionskrankheit, weil der Infektionsweg für mich plausibel ist und ich genau weiß wie man sich schützen kann.
Aber wie sind die ca. 500 Deutschen an die alveoläre Echinokokkose gekommen, die haben ja auch kein ganzes Stück Kot gegessen? Also muss der Kot vom Fuchs oder Hund irgendwie durch Umwege in deren Körper gelangt sein. Wegen der langen Inkubationszeit kann man aber nicht wirklich Rückschlüsse über den genauen Hergang der Infektion ziehen. Die meisten waren Hundebesitzer und / oder haben viel gegärtnert (Arbeit mit Erde) in offenen (für Füchse zugängliche) Gärten. Vom Berufsstand waren/ sind die meisten Landwirte (hier auch wieder die Arbeit mit Erde, gleichzeitig haben die meisten Landwirte aber auch Hunde, die sicher auch schon Mal die Mäuse in den Kornspeichern jagen und fressen). Aber ein gewisser Prozentsatz hat weder gegärtnert, war Hundebesitzer (oder Katzenbesitzer), war Landwirt, Jäger oder Tierarzt noch hat er wilde Beeren gegessen. Es bleibt also eine Lücke, aus der man keine Rückschlüsse ziehen kann.
Wobei man mittlerweile für Waldfrüchte Entwarnung gibt. Früher hieß es ja immer, man solle bloß nie Waldbeeren essen. Aber die meisten wachsen zu hoch, da kotet ein Fuchs eher nicht hin und wenn, würde man es sehen und riechen (Fuchskot muss wohl bestialisch stinken). Eher die Erde oder sehr erdnahe Beeren (z.B. ungewaschene wilde Erdbeeren oder Erdbeeren aus eigener Zucht in einem für Füchse zugänglichen Garten in Gebieten mit vielen infizierten Füchsen) sind ein Risiko und natürlich der Kot von Füchsen oder Mäuse fressenden Hunden (aber den isst ja keiner bewusst...glaube ich zumindest. Walderdbeeren sind sooo lecker, ich weiß nicht, ob ich selbst noch ungewaschene (und ungekochte natürlich) Beeren aus dem Wald essen könnte. Wobei Füchse ja eigentlich eher ihr Geschäft in exponierten Lagen verrichten, da sie ihr Revier damit markieren wollen und es dafür gut sichtbar sein muss. Zudem kann man Fuchskot leicht am Geruch und an den Beerenkernen erkennen. Das ist ja das doofe am Hundekot, der ist ja wirklich überall zu finden und im Herbst dann von Laub, im Winter von Schnee bedeckt.
Jedenfalls muss der Kot (von Fuchs oder Hund) immer indirekt aufgenommen worden sein, was heißt, dass es wohl auch nie riesen Mengen gewesen sein können. Man weiß eben nicht, wie sich die Betroffenen konkret infiziert haben. Ebenso ist unklar, wie viele Eier für eine Infektion nötig sind und welche Rolle das Immunsystem spielt (man nimmt an, dass viel mehr Menschen mit den Fuchsbandwurmeiern in Berührung kommen -diese also irgendwie verschlucken- als es Infizierte gibt). Da man aus ethischen Gründen natürlich auch auf Menschenversuche verzichtet, werden viele Fragen hinsichtlich der Infektionswahrscheinlichkeit in Bezug auf bestimmte Tätigkeiten auch künftig ungeklärt bleiben.
Es ist also -wie die meisten seltenen Krankheiten- eine noch ziemlich unerforschte Krankheit. Und da sie selten ist, ist die Pharmaindustrie auch nicht interessiert hier nach Heilmitteln zu forschen (ist ja bei ganz vielen seltenen Krankheiten ein Problem).
Zusammenfassend kann ich also sagen, dass der Fuchsbandwurm aus drei Gründen für mich beängstigend ist.
1. für mich gefühlt unkontrollierbar ( a) mangelndes Wissen hinsichtlich der genauen Infektionswege (ich muss annehmen, dass nicht sichtbare Mengen an Kot reichen - unsichtbar = unkontrollierbar, b) Hundekot ist überall ( ich kann ihn kaum meiden, da es keine Städte ohne Hunde und demnach ohne Hundekot gibt) und man sieht ihm nicht an, welche Parasiten und Keime sich eventuell in ihm tummeln.
c) selbst wenn ich vorsichtig bin und alles was nach Kot aussieht gründlichst reinigen würde, handeln Menschen um mich rum, mit denen mein Kind und ich Gegenstände teilen, anders.
2.Die Erkrankung ist wirklich schlimm. Sie gilt als schlimmste Helminthose Europas. Es gibt bei den meisten Infizierten keine Heilung. Wenn die Krankheit früh entdeckt wird können die Herde in der Leber manchmal komplett entfernt werden, hängt von der Lage der Herde ab. Die Medikamente können nur ein Fortschreiten verhindern und haben starke Nebenwirkungen. Manche Patienten vertragen die Medikamente nicht (Nutzen-Kosten-Abwägung - die Menschen würden an den Nebenwirkungen eher sterben als an dem Wurm) und müssen die Therapie deshalb abbrechen. Unbehandelt führt die Erkrankung in 90% der Fälle zum Tod
3. Würmer, die meine Leber nach und nach zerstören, im eigenen Körper durch die Sch..ße von anderer Leute Hunden bekommen zu können ist eine absolut widerliche Vorstellung. Ich fühle mich machtlos gegenüber Menschen, die ihre Hunde überall hinkoten lassen.
Nun das dazu, warum gerade dieser Wurm Objekt meines wohl grundsätzlichen Gefühls, ausgeliefert zu sein, geworden ist. Tatsächlich haben die äußeren Umstände seit dem Tod meiner Mutter, vor weniger als 2 Jahren, Ping-Pong mit mir gespielt...alles passierte und ich war machtlos. Mutter starb, ich wurde 2 Monate später schwanger mit meinem ersten Kind (gut, dazu habe ich schon einen Beitrag geleistet). Als ich ausgezählt war, wollte das Kind nicht kommen, jeden Tag Kontrolle beim Arzt, am 10 Tag musste dann die Geburt eingeleitet werden, am 12 Tag kam er dann, alles total unangenehm und mit starken Ängsten verbunden. Dann, als der Kleine nicht mals 4 Wochen alt war, ein riesen Wasserschaden in unserer Wohnung. Schlafzimmer unter der Tapete und unter dem Teppich verschimmelt. Vermieter wird nicht tätig und als er was tut leben wir 3 Monate lang auf einer Baustelle (Bad und Schlafzimmer komplett alles raus, trockengelegt, neue Böden rein) total beengt. Deshalb sind wir dann gezwungenermaßen im Oktober umgezogen, hohe Kosten für uns (doppelte Miete, normale Umzugskosten mit Transporter, Kartons, Renovierung, Anpassung der Küche etc halt) und vor allem schwer zu stemmen mit Säugling, ich konnte außer Kartons packen nichts machen und da wir hier weder Familie noch Freunde haben musste mein Mann fast alles alleine machen.
Jetzt wohnen wir etwa 4 Monate hier und vieles ist noch nicht fertig. Langsam könnte ich endlich zur Ruhe kommen...aber in der Ruhe kommt nicht selten der Schmerz über den Tod meiner Mutter hoch. Verdränge ich den Gedanken an den blöden Fuchsbandwurm, kommt mir der Tod meiner Mutter in den Sinn. Ich fühle mich schrecklich alleine. Gefühlt (ob Illusion, Wunsch oder zumindest teilweise Realität) war meine Mutter der sichere Ort für mich, der Platz ist jetzt weg und ich fühle mich völlig schutzlos.
Jetzt bin ich weit von meiner Ursprungsfrage abgewichen. Aber durch dein vorsichtiges formulieren ohne mir was in den Mund zu legen, hast du Abe mit deinen Fragen und Überlegungen zum Ursprung der Angst und zur Behandlung mich ein wenig dahin gebracht Wenn es einmal bei mir fleißt, dann fließt es und ich schreibe wie eine Irre...
15.02.2020 23:15 • x 1 #21