@tropfen
Das mit dem Unterschied zwischen zulassen und aushalten fragen mich viele und ich habe festgestellt, daß es nicht einfach ist, es verständlich zu erklären.
Was auch mit daran liegt, daß Angstpatienten (mich früher selbst eingeschlossen) eine Patentlösung haben wollen, die in sekundenschnelle wirkt. Das geht beim Zulassen nicht, weil man es nicht sofort schafft, zuzulassen. Wenn man es aber einmal nur für Sekunden geschafft hat, dann versteht man es besser. Und dann fragt man sich auch, wieso um alles der Welt man vorher immer so gekämpft hat und das völlig kontraproduktiv war.
Aushalten heißt für mich Scheuklappen anlegen, Zähne zusammenbeißen, Muskeln anspannen und mit aller Gewalt durch.
Aushalten hat für mich etwas von Kontrollieren wollen und unterdrücken.
Angst IST Kontrolle haben wollen und Angst kann man nicht unterdrücken - sie kommt immer irgendwie an die Oberfläche und sei es nur durch Schwindel (das ist dann schon die Kontrolle über die ohnehin unbewußt ablaufende Kontrolle haben wollen).
Du kannst bestenfalls lernen, daß Du Angst aushältst, aber das bringt Dir nichts, weil sie dadurch ja nicht verschwindet.
Zulassen heißt für mich dagegen der Angst möglichst ohne Gegenwehr zu begegnen. Sie durch sich ohne Widerstand durchfließen lassen.
Das funktioniert natürlich nicht sofort, aber man kann es lernen.
Zulassen heißt auch Loslassen von allen Gedanken rund um die Angst. Jeder Gedanke nährt sie.
Stell Dir vor, die Angst wäre ein ungebetener Besucher.
Je mehr Du ihn anschreist zu gehen, desto boshafter wird er, weil er merkt, daß du reagierst. Natürlich ist es auch nicht richtig, ihm überfreundlich ein Bett anzubieten. Ich würde sagen, der richtige Weg ist höfliche Ignoranz: Das heißt, ohne wenn und aber akzeptieren und nicht damit hadern, daß er jetzt halt nun mal da ist, aber möglichst ignorieren.
Wenn er nach x boshaften Versuchen merkt, daß Du nicht reagierst, wird es ihm zu fad und er geht von selbst.
Ist bei der Angst genau daselbe Prinzip.
Natürlich gelingt das am Anfang nicht sofort auf Knopfdruck. Aber genauso, wie man gelernt hat, ununterbrochen (sinnlos) dagegen zu kämpfen, so kann man auch lernen sie und ihre Symptome zuzulassen.
Es wird nichts Schlimmes passieren. Schlimm ist es nur, wenn man sich quer legt, dann wird sie immer größer.
Du schreibst aber auch über Schwindel:
Was ich an Deiner Stelle mal machen würde (wenn Du es nicht ohnehin schon getan hast) ist, abzuklären, ob Dein Schwindel organische Ursachen hat oder nicht.
Wenn er organische Ursachen hat, dann wirst Du mit reiner Psychologie nicht weiterkommen, weil die Angst quasi die Folgereaktion auf den Schwindel ist. Dann sollte man als allererstes die organische Ursache behandeln.
Wenn er psychischer Natur ist (oder Schwindel ohne Befund wie es so oft heißt), dann kann Dir meine Anleitung helfen. Dann bist Du vermutlich ein ziemlich kontrollierter Mensch - so wie ich es war.
Ich dachte nämlich dann auch immer, ich falle um - bin aber nicht ein einziges Mal umgefallen. Die Ursache dafür war ganz einfach, daß ich ständig bewußt meine Gleichgewichtsregulation kontrolliert habe. Die läuft ja normalerweise unbewußt ab und man braucht es natürlich nicht kontrollieren. Und dadurch, daß sie dann durch das in sich hineinhören ins Bewußtsein rückt, wird man schwindlig, weil man jede Veränderung des GGW als bedrohlich wahrnimmt (also etwas wahrnimmt, was ein anderer gar nicht wahrnimmt, weil es unbewußt abläuft).
Wie gesagt, psychogener Schwindel ist meiner Ansicht nach schon die Folge einer dauerhaften Angsterkrankung. Man versucht die Symptome der Angst zu unterdrücken, man versucht alles zu kontrollieren - und dann steigt die Angst einem - weil sie halt nirgends anders wo ein Ventil findet - in den Kopf.
Egal ob psychogen oder organisch. Für organischen Schwindel gibt es gute Therapien und den psychogenen kann man genauso (Schritt für Schritt) wieder verlernen genauso wie man ihn sich eingelernt hat.
16.08.2008 00:34 •
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