ich habe momentan schwer mit meiner Arachnophobie zu kämpfen und hoffe, hier Menschen zu finden, die ebenfalls betroffen sind oder schon eine Therapie hinter sich haben. Ich schreibe mir jetzt einfach mal alles von der Seele, deshalb Vorsicht, könnte ein längerer Text werden. Und Vorsicht, TRIGGER! Neben der extremen Arachnophobie leide ich auch noch unter einer stark ausgeprägten sozialen Angststörung.
Ich bin 26 und habe schon seit ich denken kann Angst vor Spinnen. Vor allem Weberknechte und diese dicken, bösen Winkelspinnen sind mein persönlicher Erzfeind. Generell alle Spinnen ab 1cm machen mir wahnsinnige Angst und ich empfinde auch Ekel, vor allem davor, dass sie mich berühren könnten. Ich habe auch große Angst vor stechenden und fliegenden Insekten wie Wespen (bin noch dazu allergisch), Bienen etc. und diesen großen Stechmücken, die aussehen wie Weberknechte mit Flügeln. Ich kriege jetzt schon Gänsehaut, wenn ich nur daran denke!
Ich bin Pflegekraft in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung und arbeite momentan nur nachts. Während meiner 10-Stunden-Schicht bin ich (abgesehen von den Bewohnern) alleine, kann also niemanden um Hilfe rufen, wenn mal ein Biest auftaucht. Noch dazu ist das Wohnheim in der Nähe von Wäldern, es gibt also vor allem während der Sommermonate enorm viele Krabbel- und Flugtiere. Während der Wintermonate bin ich relativ entspannt. Danke schon vorab für Ratschläge wie der Job scheint nicht geeignet zu sein, ich finde meine Arbeit sehr schön und hatte mit den Spinnen am Anfang auch relativ wenige Probleme (die zeigten sich auch erst etwa ein halbes Jahr später).
Ich war vor 3 Wochen auf einem Festival, wir haben in einem Zelt geschlafen, das natürlich nicht unbedingt krabbeltiersicher ist. Ich hab akribisch darauf geachtet, dass das Zelt immer geschlossen ist und sich kein Tier da rein verirrt, aber im Vorzelt waren einige Spinnen, ab und zu mal eine Wespe und unzählige Grashüpfer, schrecklich! Ich war die komplette Woche absolut unentspannt, zum einen wegen der vielen Leute (soziale Angststörung) und zum anderen wegen der Insekten. Tagsüber waren unglaublich viele Wespen unterwegs, Es verging kaum eine halbe Stunde, in der uns kein Tierchen besucht hat - alles in allem also purer Stress und ich war heilfroh, als ich wieder zuhause war.
Kurz danach hatte ich einen Nachtschicht-Block und in der - glücklicherweise - letzten Nacht hatte sich wieder eine der Winkelspinnen in ein Bewohnerzimmer verirrt. Ich selbst kann mich den Tieren nicht mehr als 10 Meter nähern, habe deshalb einen Bewohner geweckt, damit der die wegmacht. Ich bin nicht stolz drauf, aber ich weiß keinen anderen Ausweg und der Bewohner freut sich immer sehr, wenn er mir helfen kann, egal bei was.
Jedenfalls - die letzten 3 Wochen hat sich meine Arachnophobie so massivst verschlimmert, dass ich jeden Tag komplett ständig angespannt und unter Druck bin, ich bin einfach nur noch gestresst und erschöpft. Meine Symptome sind auch so einschränkend... ich kann nicht mehr durch Türen gehen, ohne vorher die Wand über der Tür und den Türrahmen zu inspizieren. Wenn ich einen Raum betrete, MUSS ich zuerst alle Wände und den Boden anschauen um mich zu vergewissern, dass da keine Spinne ist. Es muss absolut lächerlich aussehen, wie ich zuerst die Tür anstarre, dann schnell durchlaufe, mich umdrehe und die Rückseite der Tür sowie die Wand, in die die Tür eingelassen ist, abscanne, dann dreh ich mich einmal im Kreis und hoffe, hoffe, hoffe dass da nichts ist.
Wenn ich doch eine Spinne sehe, bleibe ich wie angewurzelt stehen, bin nicht mehr fähig mich zu bewegen, mein Herz rast und meine Gedanken setzen einfach aus, fühlt sich an wie ein kleiner Hirnschlag mit Todesangst.
Ich mag keine Fenster mehr öffnen und unbeaufsichtigt lassen, es könnte ja sonstwas reinkrabbeln oder reinfliegen. Ich hab jetzt Insektenschutznetze für jedes Fenster zuhause bestellt, vielleicht geben die mir etwas mehr Sicherheit. Ich hab vor so ziemlich allem Angst, was ich nicht auf einen Blick einsehen kann: Möbel (ich kann ja nicht jedes mal drauf, drunter und dahinter schauen... wer weiß, was sich da verbirgt), Kleidung (könnte ja eine Spinne ihr Netz darin gesponnen haben), das innere von Klopapierrollen (ich hab da mal ein Bild gesehen auf Facebook, oh Mann...), hinter Bildern, Spiegeln und was sonst noch so an der Wand hängt, ich mag auch nicht mehr in die Nähe von Wänden, außer die Wand ist komplett *beep*, dann kann ich ja alles sehen.
Ich rufe nächste Woche einen Psychiater an und hoffe, der kann mir recht schnell einen Termin geben, das ist momentan absolut nicht mehr tragbar. Ich scanne permanent meine Umgebung ab, kann mich nicht mehr wirklich konzentrieren - geschweigedenn entspannen oder mich unbeschwert fühlen -, muss mich im 5-Minuten-Takt umdrehen, um zu überprüfen, ob sich eine Spinne hinter mich geschlichen hat. Eine Art Spinnen-Paranoia.
Wenn ich eine Spinne entdeckt habe, kann ich sie nicht mehr aus den Augen lassen. Denn noch schlimmer als eine Spinne ist eine Spinne, die nicht mehr da ist. Das ging so weit, dass ich eine Spinne im Wohnheim von einem anderen Gebäudeflügel aus beobachtet habe (Luftlinie bestimmt 40 Meter), sicher getrennt durch eine Balkontür, einen Innenhof und die Eingangstür. Ich stand da sicherlich 30 Minuten, hab immer wieder versucht, mich zu bewegen, mit einem Besen hinzugehen und die kaputtzumachen, aber ohne Erfolg, ich KANN einfach nicht, ich bin wie paralysiert.
Ich habe öfter das Gefühl, dass irgendwo auf mir etwas krabbelt oder ich meine Spinnweben an meinen Armen zu fühlen, ein ekelhaftes Gefühl.
Ich muss ständig an Spinnen denken und daran, dass sie uns permanent umgeben - den Gedanken verbiete ich mir ganz oft, weil ich sonst verrückt werden würde. Ich will mich mit meiner Phobie auseinandersetzen und versuchen, dahinterzukommen, aber besonders weit bin ich noch nicht gekommen. Ich denke, es hat ganz viel mit Kontrollverlust zu tun. Spinnen tauchen unkontrollierbar auf (anders als z.B. Hunde, die sich durch Hecheln/Gebell/Laufgeräusche bemerkbar machen und die noch dazu nicht komplett aus dem Nichts erscheinen wie eine Spinne, die unerwartet hinter einem Möbelstück auftaucht), sie können mich erschrecken und - im Fall von Wespen - mich sogar ernsthaft verletzen. Vor 2 Jahren wurde ich auf dem gleichen Festival wie vorhin erwähnt von einer Wespe in die Hand gestochen und die schwoll für 1 Woche aufs doppelte an.
Wenn, wie gesagt, eine Spinne auftaucht, will ich um jeden Preis wissen, WO sie sich aufhält und falls ich sie aus den Augen verliere, wird meine Panik nur noch größer. Meine Gedanken drehen sich mindestens 3/4 der Zeit, die ich wach bin, um Spinnen und Insekten.
Nachts, während meinen Schichten, schwitze ich durchgehend von Schichtbeginn bis -ende, obwohl es meistens garnicht besonders warm ist, so stark stehe ich unter Spannung. Mein Kiefer und mein Genick sind verkrampft und ich bekomme schnell Kopfschmerzen. Außerdem ist es wahnsinnig anstrengend, ständig so aufmerksam meine Umgebung zu scannen.
Ich rufe am kommenden Montag zur Praxisöffnung bei einem Psychiater in meiner Nähe an und hoffe, dass der mir zeitnah helfen kann. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen Zustand noch durchhalten kann. Heute ist meine letzte Nachtschicht, dann habe ich 4 Tage frei - ein bisschen erholen und den Kopf freikriegen - aber ich habe schon Panik vor dem nächsten Nachtwachenblock, dann hab ich 5 Nächte am Stück, 50 Stunden und in jeder einzelnen könnte ich auf Spinnen treffen.
Puh... das ist wirklich ein langer Text geworden. Bitte verurteilt mich nicht oder lacht mich nicht aus, wenn doch, dann behaltet es für euch und verzichtet darauf, meinen Beitrag zu kommentieren. Mir wurde schon vorgeschlagen, meinen Arbeitsplatz zu ändern (bitte keine solchen Ratschläge) - aber erstens ist das nicht so einfach, zweitens mag ich meinen Job wirklich sehr und drittens ist das für die (wahrscheinlich anstehende) Konfrontations- und Verhaltenstherapie doch die ideale Umgebung, oder?
Die Situation ist sehr schlimm für mich und ich würde mich freuen, wenn es hier Leute gibt, denen es ähnlich geht oder die mit einer Therapie oder Medikamenten positive Erfolge erzielt haben.
Danke schonmal an jeden, der meine Story gelesen hat.
Liebste Grüße,
aequinox
19.08.2017 01:44 • • 25.08.2017 #1