Hallo Pacinomino,
ich kann sehr genau nachempfinden, wie es Dir geht, mir ging/geht es ganz genauso. Ganz genauso. Inklusive Verstärkung dieser Annahmen durch zufällige Ereignisse, die diesen Glauben verstärkt haben. Seit Jahrzehnten.
Die gute Nachricht: Ja, das kann besser werden, mit therapeutischer Hilfe und dem absoluten Willen zur Veränderung.
Die schlechte Nachricht: Niemand anders kann Dir diese Gedanken nehmen, das kannst nur Du alleine.
Ich versuche mal, zu erklären, was ich damit meine:
Hoffnungen wie Kann mir bitte jemand sagen, dass dies oder jenes nicht passiert bzw. keinen Einfluss auf meine Angehörigen/Liebsten hat, funktionieren nicht. Das ist eine Sackgasse, das kann ich Dir aus eigener Erfahrung ganz sicher sagen. Es führt nur dazu, dass Du anfängst, Dich nach einer Abschwächung/Regulierung Deiner Ängste durch eine andere Person (Menschen hier im Forum, Therapeuten,...) zu sehnen, aber das funktioniert leider nicht und ist der falsche Weg.
Ich bin auch noch nicht ganz raus aus diesen Gedankenmustern, aber es geht mir schon sehr viel besser damit als noch vor einigen Jahren.
Was mir geholfen hat, war eine sehr deutliche Ansage eines Therapeuten, die in etwa wie folgt lautete:
Sie können sich entscheiden, weiter in diesen Mustern zu denken, dann wird das nie aufhören und man wird Ihnen nicht helfen können. Genauso können Sie sich entscheiden, aus diesen Mustern auszusteigen, aber dafür müssen Sie eine Sache verstehen: Innerhalb Ihrer Systematik zu denken werden Sie gegen alle Argumente, die ich bringe, immer einen Gegenbeweis finden. Sie werden immer Beispiele finden, mit denen Sie beweisen können, dass Ihre Gedanken eben doch Einfluss auf das haben, was passiert.
Sie müssen verstehen, dass Ihre Art zu denken ein Symptom einer Erkrankung ist. Sie müssen mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, dass Ihre Ängste unbegründet sind und es diese Zusammenhänge nicht gibt, Sie müssen nur die Möglichkeit zulassen, dass ich recht haben könnte.
Sie sehen Zusammenhänge, wo es keine gibt. Wir brauchen über diesen Fakt nicht zu diskutieren, wie gesagt, Sie werden mir Beweise über Beweise für Ihre Sichtweise liefern.
Was ich von Ihnen brauche, um Ihnen helfen zu können, ist, dass Sie zumindest die Möglichkeit zulassen, dass es eine alternative Erklärung für die Dinge geben könnte, die passiert sind.
Und das war mein Weg heraus aus diesen Ängsten und Zwangsgedanken (zumindest die ersten Schritte auf diesem Weg). Ich habe mich der Möglichkeit geöffnet, dass es eine andere Erklärung für diese merkwürdigen Zusammenhänge geben könnte, und alleine diese Möglichkeit hat mir dann geholfen, immer besser zu erkennen, dass es ein Symptom einer Erkrankung ist.
Ich habe verstanden, dass es für mich auch einen Sinn (gemacht) hat, so zu denken. Diese Begründung bzw. diese Funktion sieht wie folgt aus:
Der Mensch kann das Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein ganz schlecht ertragen. Es ist oftmals das Gefühl, das am schwersten von allen auszuhalten ist. Darum fühlen wir uns lieber als schuldig als hilflos. Es gibt uns die Illusion von Kontrolle.
Leichter erträgt man also z.B. den Gedanken, durch die eigenen Gedanken schuld an dem Tod einer Katze zu sein, als auszuhalten, einem Universum ausgeliefert zu sein, indem man den Ereignissen völlig hilflos ausgeliefert ist.
Zwänge, auch Zwangsgedanken, haben immer eine Funktion für uns, auch wenn diese nicht immer leicht zu erkennen ist: Wir regulieren/neutralisieren damit Ängste, die wir haben.
Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich dem öffnen konnte, aber es wird langsam besser.
Und es ist so ein bisschen wie das Prinzip von Kausalität vs. Korrelation: Nur weil zwei Dinge in zeitlicher Nähe zueinander passieren, müssen sie deswegen nicht in einem Zusammenhang zueinander stehen.
Wie das Beispiel von den Störchen: In einer Region wurden plötzlich mehr Störche als sonst gesehen. Gleichzeitig wurden mehr Kinder als üblich geboren. Das bedeutet aber deshalb nicht, dass der Storch die Kinder bringt.
Ich wünsche Dir alles Gute auf Deinem Weg heraus diesen Gedankenmustern! Es ist ein langer Weg, und man braucht Geduld, aber es ist möglich.
LG Silver
01.08.2021 21:17 •
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