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Hallo zusammen,

ich leide seit 2006 an Flugangst, welche auf ein konkretes Ereignis zurückzuführen ist. In der Nacht vom 9. auf den 10. August 2006 sind in London einige Verdächtige wegen geplanter Flüssigsprengstoffanschläge auf Flugzeuge mit Start in London Heathrow festgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt war ich 16 Jahre alt und sollte nach London fliegen, um dann anschließend vier Wochen in einem Sprachcamp in den Sommerferien zu verbringen. Nun kam es aber so, dass meine Großmutter (ich bin nicht bei meinen Eltern aufgewachsen und schon wegen anderen Dingen wie Gewalt als Kleinkind traumatisiert) bereits im Wohnzimmer stand und die Nachrichten liefen. Aufgrund der vereitelten Anschläge waren erstmal alle Flüge bis nachmittags von und nach Heathrow an dem Tag ausgesetzt worden. Generell war die Medienberichtbestattung verängstigend wie es immer der Fall ist. Es wurde von einem Massenmord größer als 9/11 gesprochen und davon, dass die Terrorwarnstufe in England auf die höchste Stufe gesetzt wurde. Es wurde davon abgeraten auch ab nachmittags nur zu fliegen, wenn unbedingt nötig. Nach Anruf bei British Airways erfuhren wir, dass ich einfach 1-2 Tage später ein kostenloses Ersatzticket erhalten kann. Nun war ich mir sicher, dass ich an diesem Tag nicht fliegen möchte, sondern erstmal die 1-2 Tage warten bis sich die Lage beruhigt hat. Leider wurde ich von meiner Großmutter gezwungen und an den Flughafen gefahren!

Der nächste Flieger ging erst ab 15 Uhr von Stuttgart nach Frankfurt und dann von Frankfurt nach London. Nach langer Wartezeit am Flughafen ging es dann los nach Frankfurt. Der Flug nach Frankfurt war kein Problem. Leider verpasste ich den Anschluss in Frankfurt. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es mein Fehler war oder die Umsteigezeit nicht ausreichte. Ich stellte mich an einem Schalter an und wartete gefühlt wieder eine halbe Ewigkeit. Auch in Frankfurt war es sehr chaotisch. Ich wurde dann spontan auf den nächsten Flug gebucht. Beides waren scheinbar keine regulären Flüge sondern Ersatzflüge. Da ich mich bereits im Abflugbereich befand wurde mein Handgepäck nicht nochmal durchleuchtet, was ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht wusste und dachte sie hätten einfach nicht kontrolliert. Auch war ich verwundert überhaupt Handgepäck dabei haben zu dürfen. Aber scheinbar war das auch dem Umstieg geschuldet, da das Gepäck ja bereits kontrolliert und der Koffer aufgegeben, beides habe ich aber erst im Nachhinein herausgefunden. Damals hat es mich irritiert.

Zumal in der Reihe vor mir vier Männer saßen, die auch einen Laptop dabei hatten. Sie wirkten auf mich auch etwas seltsam nervös. Zudem hatten sie auch noch Ähnlichkeit mit den in den Medien gezeigten Attentätern. Ich weiß es ist absolut falsch solche Schlüsse zu ziehen, aber damals mit 16 habe ich das nicht richtig einordnen können und war da bereits nervös. Ich war in meinem Leben auch noch nie mit Terrorismus in Flugzeugen bzw. Terrorismus überhaupt konfrontiert, wer ist das schon? Selbst 9/11 war damals irgendwie etwas an mir vorbeigegangen. So ist das eben, wenn einen etwas selbst nicht betrifft. Während des Fluges fiel der Dame neben mir auf, dass ich aufgeregt bin und recht jung alleine reise. Sie sprach mich an und ich erzählte ihr meine Sorgen, dass ein Attentat passiert und sie nicht alle gefunden bzw. festgenommen haben, sie beruhigte mich etwas. Später beim Flug schrie eine Frau in den hinteren Reihen ständig laut wegen Turbulenzen (gibt es oft vor London). Das machte mich total kirre, da ich sowieso schon nervös war.

Nun aber zu der eigentlich angstauslösenden Situation. Zwei der Männer, die vor uns saßen gingen nacheinander zusammen in dieselbe Toilette. Erst der eine, kurz danach der andere hinterher. Was natürlich auch ein Trigger war, da in den Medien kam, dass die Flüssigsprengstoffe in den Bordtoiletten gezündet werden sollten. Dann meinte die Dame neben mir von sich aus, dass es ihr jetzt auch komisch vorkäme und wurde selbst nervös und wendete sich an eine Flugbegleiterin, die erstmal sehr genervt und zickig reagierte. Ich weiß bis heute nicht, ob sie selbst Angst hatte oder dachte die Frau sei verrückt.
Die Flugbegleiterin ging trotzdem hin und klopfte an die Tür. An mehr kann ich mich nicht erinnern, da mir in dem Moment gefühlt das Herz stehen blieb. Aber soweit ich es in Erinnerung habe, sind die beiden von selbst wieder rausgekommen. Sie wies sie an sich auf ihren Platz zu setzen. Da waren wir auch schon im Landeanflug. Leider gab es aber keine freie Landebahn und wir mussten weiter über London kreisen. Es müssten so 30-45min gewesen sein. Dann bekam ich wieder Panik, dass ich das Flugzeug nicht verlassen kann. Gelandet hatten wir auch noch keinen freien Exit. Nochmal warten. Als ich ausstieg war ich froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich musste mich aber noch darum kümmern, dass mich jemand abholt (war meiner Oma auch egal) und dachte erst mein Koffer sei verloren gegangen wegen dem Chaos, der kam dann aber noch. Hatte aber schon in den Kofferstapeln in der Ankunftshalle gesucht. Scheinbar mussten die Menschen morgens den Flughafen verlassen ohne auf ihr Gepäck warten zu dürfen. Jedenfalls waren da wirklich tausende Koffer das war krass. Mal abgesehen davon, dass die Sprachreise auch nicht so der Hammer war, war dann nach vier Wochen die Rückreise angesagt. Ich war nervös, zumal die Handgepäckkontrolle wieder erstaunlich lasch war. Hatte noch ein angetrunkenes Getränk und ein Feuerzeug in der Handtasche. Klar, traut niemand einem 16-jährigen Mädel etwas zu, aber eigentlich muss ja jeder richtig kontrolliert werden. Beim Flug hatte ich komischerweise wenig Angst.

Das dumme ist nur, dass ich nach dem allem einfach total angepisst war und gar nicht mehr fliegen wollte. Um genau zu sein habe ich es 8 Jahre danach vermieden und das Erlebnis nie aufgearbeitet und jetzt habe ich den Salat. Panik vor dem Fliegen vom Feinsten. Beim Einsteigen mustere ich immer alle Passagiere, ob sich jemand komisch verhält etc. Wenn jemand alleine reist, dann halte ich ihn bereits für verdächtig. Im Moment fliege ich wieder gar nicht, die Angst ist zu groß. Außerdem träume ich immernoch wieder davon in einem Flugzeug zu sitzen und nicht raus zu können. Manchmal frage ich mich, ob diese Erfahrung schon eine traumatische Komponente haben könnte. Wir waren z.B. vor ein paar Wochen in Sinsheim im Technikmuseum, in welchem man auch ausgestellte Flugzeuge betreten kann und selbst das ist mir bereits sehr schwer gefallen, obwohl da ja wirklich nichts passieren kann. Eine Zeit lang hatte ich sogar immer Panik, wenn ein Flugzeug über unser Haus geflogen ist. Irgendwie bin ich echt mit meinem Latein am Ende. Komischerweise habe ich in anderen Situationen zwar auch Angst vor Terrorismus, aber deutlich weniger, also ist schon sehr an dieses Erlebnis geknüpft. Manchmal frage ich mich das heute noch wie ein Tag die ganze Einstellung plötzlich ändern konnte. Davor bin ich sogar sehr gern geflogen, zwar nicht sehr oft, ich glaube 4 Mal, mit Hin- und Rückflug 8 Mal und wollte sogar Flugbegleiterin werden. Es macht mich traurig, dass mir das genommen wurde. Zumal ich als Kind eben wirklich nicht oft verreist bin und das als Erwachsene alles nachholen wollte. vielleicht hat ja jemand einen Rat?

Liebe Grüße
Eure Deprimaus

26.04.2024 17:07 • 27.04.2024 x 1 #1


4 Antworten ↓


Ist natürlich sehr schwer hier abzuschätzen wie tief das sitzt und ob man dafür nicht in Therapie müsste um es aufzuarbeiten.
Ich würde es erstmal mit Logik versuchen.
Fliegen ist sicherer als jemals zuvor. Seit dem 11. September kann keiner mehr ins Cockpit und seit dem London Dingsi was du erlebt hast (was ja auch nur gezeigt hat dass die Sicherheitssysteme funktionieren) gibts auch keine Flüssigkeiten mehr im Flieger.
Fliegen ist die sicherste Reiseform. Die Wahrscheinlichkeit, dass du auf den weg von oder zum Flughafen verunglückst oder auf dem Weihnachtsmarkt Terroropfer wirst ist etliche Male höher. Sobald du an Bord des Fliegers bist kannst du dich sicher wie noch nie fühlen. Nirgends bist du sonst auf einem abgegrenzten Raum auf dem alle anderen extrem streng kontrolliert und durchleuchtet wurden. Es ist eigentlich fast egal was du statt dem Flug machst...dein Risiko in der Zeit zu sterben ist wahrscheinlich höher wenn du dich nicht gerade irgendwo einschließt und still in der Ecke sitzt.
Die Wahrscheinlichkeit mit dem Flieger abzustürzen liegt bei ca 0,000002 Prozent ( und da sind alle Ursachen eingeschlossen). Zum Vergleich..die Wahrscheinlichkeit das du irgendwann an Krebs stirbst liegt bei ca 25%.
Es gibt viele Dinge vor denen man Angst haben kann, aber die Angst vorm fliegen, so echt Sie sich auch anfühlt, widerspricht jeglicher Logik.

A


Flugangst / Angst vor Terror

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@Urkelwurkel Danke für deine Antwort. Vom Kopf her weiß ich ja auch, dass es so ist. Ich fühle mich auch bei anderen großen Veranstaltungen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln teilweise unwohl, aber da habe ich die Angst noch im Griff und kann es trotzdem machen und mich wieder beruhigen. Ich habe auch weniger Angst vor einer Flugzeugentführung oder sonstigem Terror wie das mit dem LKW. Meine Angst bezieht sich fast ausschließlich auf Sprengstoffattentate, vor allem in Flugzeugen. Und ja man hat sie 2006 rechtzeitig gefasst. Aber an dem morgen bevor ich geflogen bin, war nicht klar, ob sie alle gefasst haben. Und es gibt einfach keine 100%ige Sicherheit. Z.B. siehe diesen Unterhosenbomber 2009. Klar gibt es jetzt Körperscanner an großen Flughäfen, aber selbst die übersehen mal was. Zudem gibt es ja auch noch Frachtpost usw...ich glaube ich muss da eher an mir arbeiten zu glauben, dass MIR sowas nicht passiert. Irgendwie ist das halt schwierig. Es ist ja auch schon total unwahrscheinlich genau an dem Tag zu dem Flughafen zu fliegen, an dem sowas vereitelt wurde, wenn man nicht in England wohnt und dann noch eine komische Situation im Flieger zu haben. Ich war auch nicht die einzige, die an dem Tag nervös war oder ein schlechtes Gefühl beim Fliegen hatte. Ich glaube die wenigsten würde das wirklich kalt lassen. Leider wird es durch mehrmals fliegen und Konfrontation auch nicht besser geworden, sondern eher wieder schlimmer...:/

Also ich hatte keinen konkreten Auslöder, aber ich habe auch Angst vor dem Fliegen, d.h. vor dem Abstürzen und fliege deswegen nicht. Mir ist klar, dass die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ist, aber es passiert doch gelegentlich und da möchte ich einfach nicht dabei sein. Ist halt so, man kann auch ohne zu fliegen an viele Orte kommen. Ich vermisse es jedenfalls nicht.

@Schlaflose Auch dir danke für deine Antwort. Ich glaube das hilft mir zwar nicht bei der Frage wie ich darüber hinweg komme, aber es beruhigt mich etwas damit nicht alleine zu sein. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass ich total verrückt bin und alles deswegen verpasse. Dabei waren wir auch schon mit dem Auto in Südfrankreich, Italien und den Niederlanden am Meer und das war auch total schön. Mich wurmt es aber einfach, dass ich etwas nicht machen kann, nur wegen so einem dummen Erlebnis und ein paar Verrückten, die so etwas planen. Und auch wegen meiner Oma, die mich an dem Tag genötigt hat zu fliegen, obwohl es total unnötig war und selbst BA meinte ich soll einfach mein Ticket umtauschen und in 1-2 Tagen fliegen...




Prof. Dr. Borwin Bandelow
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