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Ich bin white_cat und ich wende mich an dieses Forum, weil ich schon seit meinem 11. Lebensjahr von Ängsten geplagt werden.

Es begann zunächst mit Emetophobie (Angst vorm Erbrechen), was fälschlicherweise als Anorexie (Essstörung) diagnostiziert wurde. Von meiner Familie gab es leider kein Verständnis und so kam es, dass ich mit 12 so abgemagert war, dass ich kurz vor der Zwangsernährung stand. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft die Angst halbwegs zu überwinden und wieder zu essen und zuzunehmen. In den Jahren von 13 bis 16 ging es mir ganz gut. Ich war meist fröhlich und nahm am Sozialleben teil, hatte viele Freunde.

Mit 16 kam dann die erste große Liebe und das Schicksal nahm seinen Lauf: Enttäuschungen führten dazu, dass die Ängste wieder getriggert wurden und ich fiel in alte Muster zurück. Dies führte dann auch zur ersten Depression. Die Fehlzeiten in der Schule wurden immer häufiger. Meine Noten litten auch etwas, aber nicht so, dass es besorgniserregend gewesen wäre. Dennoch begann ich auf anraten der Ärzte meine erste Therapie. Die half auch ganz gut und ich begann zusätzlich Antidepressiva zu nehmen. Durch die Medikamente war es mir zumindest wieder möglich nicht mehr so oft in der Schule zu fehlen und halbwegs normal zu leben.
Die Angst blieb aber dennoch mein ständiger Begleiter. Mittlerweile war es nicht mehr nur die Angst vorm Erbrechen, sondern auch Versagensängste, Zukunftsängste und die Angst nicht geliebt zu werden.

So hangelte ich mich durch bis zum Abitur, dass ich auch ganz ok abschloss. Danach folgte eine extrem negative Erfahrung bei meiner ersten Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte: Ich arbeitete in einer sehr strengen Kanzlei und eigentlich lief es ganz gut. Zumindest hatte ich keine Fehlzeiten wegen der Psyche. Dann war ich allerdings eine Woche krank wegen einer Grippe. Das war meinem Arbeitgeber schon zu viel und er kündigte mich drei Tage vor Ablauf der Probezeit. Vor dem Gespräch gab mir eine Kollegin einen Hinweis und meinte, ich solle es sagen, falls ich irgendeine Krankheit hätte. Ich geriet in Panik und erzählte meinem damaligen Chef unter Tränen von meiner Depression. Sein einziger Kommentar war: Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie gar nicht eingestellt!

Diese Worte haben sich leider in meinen Kopf gebrannt und ihr könnt euch sicher vorstellen, was das mit meinen Ängsten gemacht hat... Zum Glück fand ich schnell eine andere Ausbildungsstelle, aber da ich dort total unterfordert war, schlichen sich auch hier schnell wieder alte Muster ein. Ich hatte einfach zu viel Zeit zum Denken und ich wollte nur noch weg. Die Fehlzeiten wurden wieder mehr und ich wurde sogar zum Personalgespräch gebeten. Ich hatte wieder Panik und erzählte von meiner Erkrankung. Es wurde mir nahegelegt wieder eine Therapie zu machen (die letzte war vor dem Abi beendet). Dem folgte ich und so schaffte ich es die Ausbildung zu beenden (mit Bestnoten). Aber natürlich wurde ich nicht übernommen - trotz der Top-Noten. Sie würden es natürlich nie zugeben, aber es war sicher wegen meiner Erkrankung, denn eine Mitauszubildende mit deutlich schlechteren Noten, wurde übernommen...

Nach fast einem Jahr Arbeitslosigkeit (denn jeder möchte nur Leute mit Berufserfahrung) schaffte ich es dann in einem der größten IT-Unternehmen weltweit Fuß zu fassen. Die ersten eineinhalb Jahre lief es auch gut. Ich war motiviert und die Arbeit machte mir Spaß. Dann gab es strukturelle Veränderungen und der Stress und Druck wurden immer höher. Es nagte an mir und ich war oft sehr erschöpft. Dann, nach zwei Jahren, folgte eine Kündigungswelle und alle hatten nur noch Angst um ihren Job.
So lebte ich noch ein Jahr mit dem Damoklesschwert der möglichen Kündigung stets über mir (kombiniert mit einigen betriebsinternen Intrigen) und brach dann nach drei Jahren zusammen. Ich kaufte mit meinem Partner eine Eigentumswohnung, was den finanziellen Druck erhöhte, und nach dem Umzug konnte ich einfach nicht mehr. Ich hatte panische Angst wieder ins Büro zu gehen.
Man muss dazu sagen, dass ich davor schon immer wieder erschreckende Gedanken auf dem Weg zur Arbeit hatte. Ich wünschte mir oft, ich hätte einen Unfall, damit ich nur ein paar Wochen meine Ruhe hätte ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen... Auf Grund dieser Gedanken hatte ich mir vorsorglich wieder einen Therapieplatz besorgt, aber die Therapie brachte kaum Erfolg und ich beschloss, zusammen mit meinem Therapeuten, mich um eine Klinikbehandlung zu kümmern.

Ich fang relativ zügig einen Platz in einer Tagesklinik. Der Aufenthalt dort half mir tatsächlich, auch wenn es einige Krisen gab. Zumindest fand ich den Mut endlich anzuerkennen, dass dies nicht der Job ist, den ich für den Rest meines Lebens machen möchte und dass ich etwas ändern muss. Ich beschloss zu studieren, wollte aber vorher unbedingt noch zur Stärkung und Vorbereitung eine Reha machen. Der Antrag wurde aber leider von der Rentenversicherung abgelehnt und es folgte ein langer Rechtsstreit, den ich am Ende verlor. Ich war am Boden zerstört und fühlte mich vom Gesundheitssystem im Stich gelassen (ich war zwei Jahre krank daheim), schaffte es dann aber doch mich mit Hilfe meines Partners wieder aufzurappeln. Mein Therapeut war leider keine allzu große Hilfe, da wir irgendwie nicht so richtig auf einer Welle waren. Ich wollte es mir aber leider nicht wirklich eingestehen und hatte auch ehrlich gesagt nicht die Kraft mir einen anderen Therapeuten zu suchen, denn ihr wisst sicher alle, wie lange man auf einen Platz warten muss.

Naja und jetzt bin ich hier: 30 Jahre alt und studiere im 3. Semester. Das erste Semester lief auch super und alles war ok. Klar gab es ab und an kleine Rückfälle, aber ich kam zurecht. Dann gab es leider im 2. Semester eine Situation, wo ich eine Studie leiten musste. Ich sollte eine Diskussionsgruppe leiten, die auf Video aufgezeichnet und hinterher ausgewertet wurde. Nun, ich HASSE es vor Menschen zu sprechen und zur Diskussion gehörte natürlich auch eine kurze Präsentation zur Einführung. Ich hatte panische Angst, denn wir hatten nur diesen einen Termin im Labor und bis zur Abgabe hätte es keine Alternative gegeben. Ich stand wahnsinnig unter Druck und durfte das nicht versauen. Am Tag zuvor war alles noch ok und der Testdurchlauf mit einer kleineren Gruppe lief gut. Doch dann kam es drauf an und es ging mir elend... Ich hatte kaum geschlafen, mir war kotzübel und morgens brach ich sogar in der Uni in Tränen aus. Er war total peinlich, aber meine Teamkollegen hatten Verständnis und bauten mich wieder auf. Die Diskussion kam und mir ging es wieder elend. So elend, dass ich zitterte und kurz vor der Ohnmacht war (obwohl keiner es mir ansah). Ich musste nach der Hälfte abbrechen und eine Kollegin musste übernehmen (zum Glück gab es eine Pause). Es war so peinlich und unangenehm...

Ein paar Wochen später folgte die Präsentation des Ganzen wo mir auch wieder elend war, aber es ging noch. Viel schlimmer, war der Durchfall, der mich plagte. Seit dem war ich total verunsichert, was Prüfungssituationen angeht. Das gipfelte dann in der mündlichen Prüfung am Ende des Semesters: Absoluter Totalausfall! Ich wachte nachts schweißgebadet und mit Herzrasen auf. Mir war schlecht, ich hatte Kopfschmerzen, Durchfall, Zittern, das volle Programm. Ich zwang mich die Prüfung trotzdem durchzuziehen und bekam auch fast die Bestnote. Dennoch war es eine der schlimmsten Erfahrungen seit langem und seither geht es nur noch bergab...

Die Ferien kamen und ich machte ein 4-wöchiges Praktikum. Lief so weit auch noch gut. Dann folgten zwei Wochen Urlaub und ich brach wieder innerlich zusammen. Zumindest bin ich seither wieder so von Ängsten und Panik geplagt, dass ich es nicht geschafft habe zum Praktikum zurückzukehren. Meine Chefs sind zum Glück äußerst verständnisvoll und es wurde zudem eine leichte Schilddrüsenunterfunktion festgestellt, die ich seither als Ausrede bei der Arbeite benutze. Ich will jetzt aber neben dem Studium in der Firma auf 450 EUR-Basis arbeiten um den Kredit für die Wohnung weiter bedienen zu können. Und heute wäre die erste Vorlesung gewesen - leider ein kompletter Tag von 10 bis 19 Uhr - und ich sitze hier mit Panik und Angst. Ich habe mich krank gemeldet, wie die letzten zwei Wochen auch. Noch ist es nicht schlimm, da es keine Anwesenheitspflicht gibt und der Kurs nicht sooo wichtig ist. Morgen wäre aber noch so ein 9h Tag und übermorgen muss ich arbeiten und ich hab gerade keine Ahnung, wie ich das schaffen soll...

Naja, ich hab jetzt ewig viel geschrieben, aber ich wollte euch nur ein Bild davon geben, wie mein Leben bisher verlaufen ist. Meine Diagnosen sind: Dysthymie (chronische Depression), Angststörung und Verdacht auf Persönlichkeitsstörung. An Antidepressiva hab ich so ziemlich alles durch, was es zu dem Thema auf dem Markt gibt, aber nichts hat wirklich geholfen. Jetzt bin ich seit einer Woche dabei Schilddrüsenhormone zu nehmen.

Ich hoffe, ich finde hier Leute, die ähnliche Probleme/Erfahrungen haben und die mir Tipps geben können um aus der Angstspirale wieder rauszufinden. Eigentlich weiß ich ganz genau, was ich tun müsste, aber die Umsetzung ist so schwer... Aber wem erzähl ich das? Momentan hab ich einfach das Gefühl, ich schaffe das alles nicht mehr...

Liebe Grüße,
white_cat

04.10.2016 07:06 • 04.10.2016 #1





Prof. Dr. Borwin Bandelow
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