Hallo liebe Forenmitglieder.
Mir geht es wie vielen von Euch - eine halbe Ewigkeit lang glaubt man, man ist alleine auf der Welt mit seinem Problem und irgendwie nicht “normal” - und auf einmal schaut man sich im Internet um und findet direkt jede Menge Gleichfühlende.
Und direkt auch noch den richtigen Begriff - Emetophobie - wovon ich vorher gar nichts wusste, aber jetzt hat das Kind einen Namen und vielleicht kann man es gezielter angehen.
Bei mir hat sich die Lage ein kleines bißchen verlagert - weg von der Angst, selber zu brechen, als mehr dahin, dass es Menschen in meiner Umgebung tun.
Bei mir selber war es vor etlichen Jahren mal schlimm, eine extreme Phase, die sich etwa ein Jahr lang hingezogen hat und bei der Essen schon zur Qual wurde (vor allem abends, da ja wenn man was nicht verträgt oder krank wird, das meistens nachts auftritt oder zumindest hab ich mir das eingebildet). Wenn ich abends mal Hunger hatte, musste am besten sofort was fertig sein und mir vorgesetzt werden - die Zeit, etwas zuzubereiten, war schon oft zu lang und die Angst hat sich aufgebaut. Einladungen zu Festen mit phantastischem Buffet waren Tortur - oft bin ich in ein anderes Zimmer gegangen, um nicht damit konfrontiert zu werden. Und wehedem, ich hab mal was gegessen, was auch nur ein bißchen komisch schmeckte...
Die Phase hat sich dann irgendwann gelegt, und ich gehöre auch zu den Menschen, denen eigentlich nicht so schnell schlecht wird und die Male in meinem Leben, an denen ich mich übergeben musste, kann ich an einer Hand abzählen (und zähle immerhin schon 42 Lenze). Ich trau mich auch ins Flugzeug und sogar auf Achterbahnen - fast schon kurios - und mache auch Urlaubsreisen in die Ferne. Allerdings ist meine Reiseapotheke immer noch reichhaltig mit Magenmedizin bestückt - gerüstet sein für den Fall der Fälle.
Wie gesagt, schlimmer ist es jetzt für mich, andere Menschen dabei zu erleben - und da ist es auch noch differenziert - wenn jemand krank ist, ist es ein bißchen weniger schlimm, als wenn jemand unter Alk. steht, und bei Fremden oder auch mehr oder weniger Bekannten kann man ja noch eher “flüchten” - aber ganz ganz schlimm ist es für mich, wenn meinem Herzallerliebsten durch Alk. schlecht wird.
(Dafür kenne ich möglicherweise auch die Ursache - meine erste längere Beziehung war eine Katastrophe dahingehend, und ich hab viele schlimme Dinge mit diesem Menschen unter Alk. erlebt.)
Irgendwann war die Angst dann nicht mehr so gegenwärtig und ich hatte schon die Hoffnung, es würde gewisse Erlebnisse nicht mehr geben bzw. wenn doch, wäre ich mittlerweile alt und reif genug, um nicht mehr so sehr dadurch belastet zu werden.
Als es vor fast drei Jahren dann bei meinem jetzigen Partner (der ein wundervoller Mensch ist und unsere Partnerschaft ist bestens) eine kleine Entgleisung in der Richtung gab, kam die riesige Enttäuschung darüber, dass ich immer noch so darunter leide, mit einem Paukenschlag und direkt mit einem richtigen Panikanfall mit allem was dazugehört, Atemnot, Schwindel, Verkrampfung, Zittern...
Seitdem war mir bei jeder Gelegenheit, wo Alk. getrunken wird, ziemlich mulmig und mehr als anderthalb Jahre später gab es nochmal eine ähnliche Situation (wo aber noch andere Faktoren mitspielten, weil es ihm von vornherein nicht so ganz gut war an dem Tag, aber dennoch zählen für mich immer die Signale, wenn Alk. im Spiel ist) und seitdem hatte ich mich über die Feiern und sonstigen Events immer nur so hinweggeschleppt und war jedesmal erleichtert, wenn ich es überstanden hatte, ohne dass irgendwas passiert ist.
Aber jedes noch so kleine Zeichen versetzt mich in Angst und Schrecken - erste Anzeichen der Alk. wie leicht schleppende Stimme und ähnliches, Dinge die noch lange nicht bedeuten, dass es jemandem schlecht werden muss, versetzen mich aber doch in Panik, dass es ja passieren KÖNNTE.
Und jetzt kürzliche war wieder eine ähnliche Situation mit Hinweisen (zumindest für mich so gedeutet), dass es passieren könnte und da ist bei mir irgendwie der Faden gerissen und jetzt geht gar nichts mehr.
Hab mit meinem Partner darüber geredet aber es ist schwer, sich verständlich auszudrücken, dass man da wirklich Panik kriegt und dass es richtiger Horror ist. Kann man sich ja selber nicht erklären, was daran eigentlich so schlimm ist, aber so ist das mit den Phobien.
Klar kann man jetzt jeglichen Alk. auf Null fahren oder im Extremfall nirgendwo mehr dran teilnehmen. Aber das packt nicht das eigentliche Problem bei der Wurzel. Ich will mich auch nicht verkriechen, aber ihm auch nicht die Gläser B. in den Mund zählen oder ihn bei jeder Gelegenheit ermahnen.
Andererseits kann ich auch nicht bei jeder Unternehmung darauf warten, wann es soweit ist, dass mal wieder was passiert, und auf jedes noch so kleine Signal lauern und voller Ungewissheit bleiben, ob es nun noch ein Jahr dauert bis zum “nächsten Mal” oder zwei Jahre oder fünf oder vielleicht auf überhaupt niemals mehr vorkommt. Das steh ich nicht durch.
Es belastet mich jetzt nicht so sehr in meinem normalen Tagesablauf, obwohl ich doch jeden Tag einige Male daran denken muss. Aber vor den Wochenenden baut sich erst Nervosität und dann richtige Angst auf.
Habe bis jetzt noch keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen - bisher war da eine Hemmschwelle, darüber zu reden.
Jetzt am Wochenende sind wir wieder unterwegs - ich glaube nicht, dass nach so kurzer Zeit wieder Gefahr besteht, dass “was passiert” - aber ich hab mich für alle Fälle mal mit den Rescue-Notfalltropfen versorgt.
War jetzt viel Text, ich hoffe, dass der Thread, den ich ausgewählt hab, überhaupt richtig dafür ist, und entschuldige mich nochmal für die Textlänge.
14.08.2008 18:04 •
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