@Sabse1983
Huhu
Also erstmal ist das echt eine schwierige Situation, in der ihr euch befindet. Einerseits die Angst, dass deine Tochter sich irgendwann vollkommen abkapselt und andererseits die Angst sie zu überfordern, wenn sie sich quasi aus ihrer Komfortzone rauswagt. So wie ich es verstanden hab, geht deine Tochter auch zu einer Therapeutin? Ist das eine Verhaltenstherapie? Es gibt wahrscheinlich nicht ganz so Viele, die sich mit Emetophobie auskennen, aber wurden schon dort ein paar Strategien erarbeitet, wie sie mit der Angst umgehen könnte oder generell, wie sie überhaupt die Situation einordnet kann? Gerade am Anfang und bestimmt auch als junges Kind ist es schwieriger überhaupt das Ganze einzuordnen, vor allem wenn auch körperliche Symptome im Spiel sind. Zumindest war es bei mir Anfangs so, dass ich erstmal gar nicht so recht verstanden hab, dass das nur” die Psyche ist und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das eintrifft, was man befürchtet, aber es fühlt sich einfach so real an.
Unter Emetophobie leide ich, seit ich denken kann. Bzw. Was heißt leiden….^^ Als Kind war die Phobie noch nicht in dem Sinne ausgeprägt, dass sich alles nur um dieses Thema drehte und mein Alltag eingeschränkt hat. Es hat sich erstmal darin geäußert, dass ich immer angefangen hab zu weinen, wenn sich jemand übergeben musste und wenn ein Kind sich übergeben hat, dann bin ich immer weggerannt und konnte nicht in dessen Nähe sein.
So richtig ging es mit der Angst los, als ich 14 war (bin jetzt 25). Wahrscheinlich hat der weitere Schulwechsel das Fass zum überlaufen gebracht. Es kam dort zu einer für mich unangenehmen Situation, in der Übelkeit eine große Rolle spielte. Da ich schüchtern war, fiel es mir schwer Anschluss zu finden und dadurch wurde ich irgendwann ausgegrenzt. Dadurch kommt neben der eigentlichen Angst vor dem Erbrechen auch der soziale Aspekt hinzu, dass ich auch Angst hatte, dass es in der Öffentlichkeit passiert und ich mich damit blamieren könnte. Nun ja, wie das dann so ist, drehte sich mein Alltag nur um dieses Thema… vom Aufstehen bis hin zum schlafengehen - überall einfach :/
Diese Übelkeit im Hals, von der du geschrieben hast, ist auch so ziemlich typisch.
Ich war auch bei einer Therapeutin, aber leider kann ich darüber nichts Positives berichten Die Chemie stimmte einfach nicht, aber immerhin war ich bei ihr ein Jahr (leider aber nichts gelernt) und danach habe ich das auch abgebrochen. Ich ging auch einige Jahre zu einer Jugendberaterin. Klar, sie war keine Therapeutin, aber um ehrlich zu sein hat sie mir mehr geholfen als die professionelle” Dame Wie es bei vielen Ängsten so ist, spielt auch das Selbstwertgefühl eine enorme Rolle, gerade auch bei Angst sich vor anderen Menschen übergeben zu können: Angst vor negativen Reaktionen, Ablehnung, Kontrollverlust etc. Es ist einfach wichtig überhaupt jemanden zu haben, wo man einfach alles von der Seele reden kann. Dadurch verschwindet der Druck erstmal.
Trotzdem sollte man professionelle Hilfe nicht unterschätzen und eigentlich ist sehr wichtig die Angst professionell behandeln zu lassen, aber es ist einfacher gesagt als getan. Es ist nicht so einfach jemanden Gutes zu finden, dem man vertrauen kann.
Ich meine aber auch, dass man sich über die Jahre auch selbst einige Strategien erarbeitet oder weiß, welche Hilfsmittel etwas bringen für den Moment. Vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, um das zu behaupten, aber über die Jahre lernt man diese Zustände” immer besser kennen und weiß auch, dass auch wieder bessere Zeiten kommen. Bei mir war es so, dass ich 2 Jahre überhaupt keine Probleme hatte und als es dann wieder soweit war” ^^, konnte ich es einfach besser einordnen, dass es nur” die Angst ist, als noch zu Beginn der Angststörung.
Wenn ich unterwegs bin, habe ich oft ein paar Gegenstände dabei, die mir etwas Sicherheit geben, wie z.B. starke Pfefferminzbonbons (betäubt” dieses komische Gefühl im Hals), einen Knetball oder ein kleiner Stein, weil es mir irgendwie hilft, wenn ich etwas in der Hand hab und seit neustem nehme ich auch eine kleine Flasche mit ätherischem Öl und rieche daran, da gibt es viele Geruchsrichtungen, aber Lavendel ist richtig gut
Ich muss auch zugeben, dass mir die medikamentöse Behandlung (wegen generalisierter Angststörung) sehr viel geholfen hat. Ab da habe ich gemerkt, dass es besser wurde. Die psychosomatischen Beschwerden gingen zurück, daneben auch diese Übelkeit. Allerdings war ich um einiges älter (18) als deine Tochter… Ich verteufel Medikamente nicht, aber bei so jungen Kindern ist das vielleicht noch was anderes und vielleicht zu hart”, wenn du verstehst was ich meine? Bin natürlich keine Mutter, aber falls du Bedenken diesbezüglich hast, dann verstehe ich das auch vollkommen! Da ist es eher wichtig, dass eventuell auch mithilfe ihrer Therapeutin Hilfsmittel (wie z.B. bestimmte Gegenstände) gefunden werden, dir ihr helfen könnten, wenn sie Angst hat. Medikament allein ist auch nicht alles, da werden erstmal nur die Symptome behandelt, aber nicht primär der Umgang mit den Problemen.
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Ich bin von der Angst nicht geheilt und Heilung an sich, ist für mich persönlich nicht mehr das große Ziel, sondern das Ziel ist es zu lernen mit der Angst umzugehen, sei es durch eine Therapie, egal welche Art etc. Durch die letzten 11 Jahre habe ich auch selbst viel über Ängste gelernt, auch im Austausch mit anderen Betroffenen, denn irgendwie muss man sich auch helfen ^^ Durch die lange Zeit kommt man vielleicht immer besser mit der Situation/ Erkrankung klar oder kann besser damit umgehen (zumindest bei mir). Ich möchte auch nichts pauschalisieren, weil jeder Mensch anders ist und auch deine Tochter einen ganz individuellen Weg gehen wird. Das Wichtigste und Schönste ist einfach, dass du ihr Ängste ernst nimmst und sie sich bei dir nicht verstecken braucht Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meine Mutter (ich möchte sie nicht verurteilen und bin auch nicht darüber sauer), nicht so oft Verständnis dafür hatte und durch dieses Unterdrücken” und zu versuchen, dass alles in Ordnung ist, kam dann noch dieser zusätzliche Druck auf, was die ganze Sache nicht besser machte :/ Aber naja, so ist das halt und man muss nach vorne schauen
Ich wünsche deiner Tochter und dir alles Gute! Falls du noch fragen hast oder dir noch welche einfallen, kannst du mich gerne fragen
Liebe Grüße
27.07.2022 12:54 •
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