Bei mir hängt das mit der Depression zusammen. In meiner Klinikzeit erklärte ein Oberarzt es mal so: Wenn man depressiv ist, fühlt man sich schlecht, egal woran man denkt. Es ist alles grau, alles traurig, alles zu schwer oder man fühlt sich leer. Kurz: Der Zustand ist furchtbar! Versucht man nun an etwas schönes zu denken, entsteht im Gehirn daraus eine Dissonanz. Der Kopf merkt, dass da etwas nicht zusammenpasst, weil sich das Fühlen nicht dem Denken anpasst. Also reagiert er anders herum. Dem Fühlen folgen graue Gedanken; die wiederum stimulieren einen bestimmten Bereich im Gehirn der für Angst zuständig ist, es wird noch grauer im Kopf und die negativen Erinnerungen kommen hoch - das passt ja auch: Der Schritt rein könnte ganz abstrakt ein ich kann das eh nicht oder ein abstraktes Angstgefühl vor anderen Menschen sein, das wiederum die Erinnerung hoch holt. Dadurch wird dann ein bestimmter Gehirnbereich stimuliert, der nicht zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem unterscheiden kann und somit reagiert wie auf eine echte, gegenwärtige Bedrohung. Also wird daraus ein Teufelskreis: Man fühlt sich schlecht, denkt darum an negative Erlebnisse, etwas im Gehirn reagiert, als ob das jetzt passieren würde, man fühlt sich noch schlechter, denkt an noch mehr negative Dinge, die noch mehr negative Erinnerungen hoch holen...
Der Ansatz der Klinik lautete, diesem Denken bewusst etwas entgegen zu setzen. Achtsamkeit, zB: 5 Dinge, die ich gerade höre, auf der Haut fühle, schmecke, sehe, rieche benennen; Genuss: ein Stück Schokolade oder etwas Obst essen, einen Schluck Kaffee trinken und zwar ganz langsam, indem man das im Mund zergehen lässt und jede Nuance des Aromas wahrnimmt; Entspannung: progressive Muskelentspannung, Atmemeditation, Yoga; Beschäftigung mit Dinge, die einem früher Freude bereitet haben: Lesen, malen, kochen, handwerkliche Tätigkeiten, Sport oä. Und wenn es wirklich bestimmte Muster in den Gedanken gibt, also vielleicht immer die Erinnerung an Bedrohungssituationen, kann es eben auch helfen, mal therapeutisch zu schauen, ob man da wirklich so abgeklärt ist und es einen nicht beschäftigt. Verdrängte Emotionen können natürlich dazu beitragen, dass sich bestimmte Gedanken aufdrängen.
Am Ende konnte ich mit allen Tricks aus der Klinik damals nur wenig erreichen; allerdings hat mir der Aufenthalt dort auch in Bezug auf die Depression einfach nichts gebracht. Zu wissen, was da im Gehirn passiert, fand ich aber langfristig doch irgendwie nützlich, weil ich mir klar machen konnte, dass das normal ist, wenn es mir so schlecht geht. Als die Depression mithilfe einer guten ambulanten Therapie auf dem Rückzug war, wurde es von selbst besser mit solchen Gedanken... es gibt immer noch Tage, an denen ich da nicht herauskomme, aber es ist doch besser geworden.
LG,
Chaosdenkerin
08.10.2016 10:06 •
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