Hallo Duftblume,
nicht zu glauben, es gibt wirklich Leidensgenossen! Ich dachte auch immer, ich wäre mit dieser Macke ganz allein auf der Welt. Seid meiner Kindheit teile ich deine Angst vor den schwarzen Linien auf dem Schwimmbeckengrund.
Genau wie bei dir war sie ursprünglich, beim schwimmen lernen, noch überhaupt nicht vorhanden (ich erinnere mich noch dunkel an meine ersten Schwimmzüge im tiefen Becken, und da waren mit diese Linien vollkommen egal), und dann hat sich nahezu plötzlich, mit ca. 7 Jahren, eine nahezu panische Angst daraus entwickelt. An ein Schlüsselerlebnis kann ich mich nicht erinnern, kann mir aber gut vorstellen, dass es eines gegeben hat. Bemerkenswert ist, dass sich meine Angst nur zweitrangig auf die Linien im mittleren Beckenbereich bezieht, sondern fast ausschließlich auf das T am Beckenende.
Es ist für mich schon seit ca. 25 Jahren wieder möglich, in ein Schwimmbecken zu gehen und meine Bahnen zu ziehen, aber immer dann, wenn sich die Bahn dem Ende entgegen neigt, kommt bei mir eine T-Panik auf und nur unter großer Überwindung und mit geschlossenen Augen schwimme ich bis zum Beckenende durch - natürlich genau mittig zwischen den Bahnen. Problem: irgendwann muss man die Augen wieder öffnen, um nicht an den Beckenrand zu knallen .
Je tiefer das Becken ist, desto erträglicher ist das Ganze (auf der Sprungturmseite sind die Linien schön weit weg, warum kann ein Becken nicht durchgehend 4m Tiefe haben?). Auch bei mir gilt übrigens: ein leeres, glattes Becken ist unerträglich schlimm. Diese klaren Konturen und dann wölbt sich alles nach oben rauf...fürchterlich! Ich kann nicht hingucken.
Nun ist es so, dass mir Sport sehr wichtig ist, und ich leider aufgrund von Knieproblemen momentan beim Laufen und Radfahren recht eingeschränkt bin. Was bleibt also als gelenkschonender Ausdauersport? Kraulschwimmen (Brust soll ja auch nicht optimal für die Knie sein.)! Also hatte ich mir im Sommer überlegt, es mal mit der Schocktherapie Schwimmbrille auf und auf die glasklar und messerscharf erkennbaren Linien starren zu probieren. Und tatsächlich muss ich sagen: es ist möglich. Momentan wage ich mich wieder ein bis zwei Mal die Woche ins Wasser und zu einem gewissen Maß konnte ich mich daran gewöhnen. Allerdings nur in einem Hallenbad mit 50m-Bahn, wo eine Seite knapp 4m und die andere Seite immerhin 2m tief ist (flacher als 2m ist mir zu unheimlich), was es in meinem Arbeitsort zum Glück gibt. Vor dem flachen Ende muss man sich also nur alle 100m gruseln, was für mich gerade noch vertretbar ist. Beim flachen T muss allerdings weiterhin die Augen schließen, wobei ich diese Zeit schon verkürzen konnte, denn man braucht die Augen ja tatsächlich, um zu sehen, wann man den Beckenrand erreicht! Und tatsächlich erkennt man irgendwann, dass die Linien keine bösen Monster sind, die einen umbringen wollen, sondern tatsächlich eine sehr nützliche Orientierungshilfe. Auch dieses rede ich mit beim schwimmen immer wieder ein, wenn sich doch mal wieder ein Angstschub abzeichnen sollte. Hilfreich ist auch, dass Kraulschwimmen sehr anstrengend ist, was ein wenig ablenkt. Und wenn man durch die Brille ins Wasser schaut, hat man zwar alles klar, aber in den realen Distanzen und nicht so verzerrt wie beim Blick von oben auf das Wasser. Hilfreich ist bei mir auch, dass meine Brille recht schnell beschlägt, dann sieht man alles nicht so deutlich (wobei man dann auch manchmal wieder zu wenig sieht und Gefahr besteht, dass man mit anderen Schwimmern zusammenstößt ).
Also: ich bekomme es mit dem Schwimmen so einigermaßen hin, aber weg ist die Angst nicht. Man muss sich jedes Mal wieder ein bisschen überwinden. Und ganz schlimm ist, wenn man im Internet oder beim Zeitung lesen plötzlich von einem leeren Schwimmbecken-Foto o.ä. überrascht wird. Auf
http://www.emotion.de gibt es ein Dossier Ängste überwinden mit ebenfalls einem interessanten Bericht zu der Angst vor den Schwimmbecken-Linien. Aber Duftblume, ich muss dich warnen: das dazugehörige Bild ist so fürchterlich, dass es mir eine schlaflose Nacht bereitet hat. Also nur anschauen, wenn du gerade sehr stabil bist, oder den Artikel von einem anderen vorlesen lassen.
Auch wenn ich so halbwegs damit umgehen kann: auf Dauer nervt mich diese Angst vor einer völlig harmlosen Sache und mich würde interessieren, ob man es therapieren kann bzw. ob ein Gang zum Psychologen wohl Sinn machen könnte? Duftblume, wie gehst du nun damit um?
Viele Grüße!