P
Peter1
Hallo!
Nachdem ich seit langem wieder in das Forum geguckt und
mich in vielen Beiträgen wiedererkannt habe, will ich auch
nochmal schreiben. Aber es hat sich viel verändert.
Früher hab ich eigentlich mehr aus Verzweiflung, oder
weil ich mir Hilfe erhofft habe geschrieben. Inzwischen
ist mir das aber alles ziemlich gleichgültig.
Bewußt fing es eigentlich an als ich so ca. 15 war. Sobald
ich ein bischen nervös war, habe ich angefangen zu zittern.
Nervös wurde ich vor allem in Gegenwart anderer Menschen.
Und irgendwann habe ich richtige Angst vor gesellschaftlichen
Anlässen entwickelt. Hinzu kam, daß ich schon seit ich denken
kann Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Durchfall hatte.
Mir war das alles peinlich und ich hab mich dafür geschämt.
Bis ich so 25 war, habe ich deshalb ein sehr zurückgezogenes
Leben geführt. Langweilig wurde mir nie. Ich hatte viele
technische Hobbys, die mir auch sehr viel Spaß gemacht haben.
Aber ich war immer sehr traurig und wollte nie Einzelgänger
sein.
Warum war immer ich derjenige der nichts auf die Reihe
bekommen hat? Ich fand es demütigend. Ich kann mich erinnern
Zeiten gehabt zu haben, wo ich schon in der Realschule mit
ner Schnapsflasche in der Tasche rumgelaufen bin, um mich
vor kritischen Situationen etwas zu beruhigen und weil ich
nicht wollte, daß man mein Zittern bemerkt (gottseidank
habe ich mir das wieder abgewöhnt . Am schlimmsten war
es immer wenn ich irgendwo zum Essen mit hin sollte. Weil
es da blöd kommt, wenn man einfach so geht weil einem alles
zu viel wird und weil man da das Zittern besonders leicht
bemerken konnte.
Im Prinzip habe ich mich mit der ganzen Sache arrangiert.
Nur ne Freundin hätte ich gerne gehabt. Das war eigentlich
das einzige was mir wirklich gefehlt hat.
Mit 25 wurde es mir zu bunt, ich hab's einfach ignoriert.
Da bin ich dann auch endlich bei meinen Eltern ausgezogen,
hab das meiste von meinem elektronischen Krempel verkauft,
Studium angefangen und angefangen abends wegzugehen. Mir hat
Tanzen sehr viel Spaß gemacht (wenn die Bauchschmerzen
mal wieder nicht zu schlimm waren) und ich war nachts meistens
in der Disco. Ich hab auch die eine oder andere Frau
kennengelernt, aber einsam gefühlt habe ich mich trotzdem.
Ich hab's schon mal geschafft 1-2 Tage was vorzuspielen,
meine Deprilaune zu verbergen, die Tatsache daß ich das
Zusammensein mit jemand anderem kaum genießen konnte und
es eigentlich sehr anstrengend fand (was ja auch nicht
verwunderlich ist, wenn man dauernd schauspielern muß).
Deswegen haben solche Bekanntschaften auch selten viel
länger gedauert.
Aber ich hab es mit der Zeit gelernt und es hat immer besser
funktioniert. Und ich habs immer besser beherrscht mir
etwas Zärtlichkeit und schöne Illusionen zu holen (um Sex
gings mir dabei garnicht so). Jeder sagte mir immer man
könne es garnicht verstehen, weshalb ich keine Freundin
hätte, schließlich würde ich ja nicht schlecht aussehen.
Ich habe mich immer eher desinteressiert gegeben. Ich
wollte nicht zugeben was der eigentlich Grund war.
Glücklich war ich nicht, aber es ging so.
Dann hab ich ne Frau kennengelernt mit der
ich lange irgendwie zusammen war. Ich habe sie nicht
wirklich geliebt, aber sie hat mich so akzeptiert wie ich
war. Oder doch nicht? Jedenfalls hatte ich keine
Lust mich zum braven Schwiegersohn machen zu lassen.
Eigentlich hätte ich auch lieber ein Punk sein wollen als
so 'n zerstreuter Wissenschaftler, oder blöder Spießer.
Aber irgendwie sind die meisten Leute um mich rum so und
alle haben alles daran gesetzt, daß ich genauso werde.
Aber wenigstens im Kopf haben sie mich nicht klein
gekriegt .
Vor zwei Jahren haben meine ganzen Beschwerden angefangen
sich nochmal deutlich zu verschlimmern zusammen mit anderen
neurologischen Erscheinungen. Da wurde dann Multiple
Sklerose diagnostiziert und mein bis dahin notdürftig
aufgestelltes Kartenhaus ist wieder umgefallen.
Die Behinderungen von der MS haben sich glücklicherweise
bis jetzt alle immer wieder zurückgebildet (zumindest
die sichtbaren). Am Anfang war das ein ziemliches Drama.
Inzwischen lässt es mich völlig kalt. Mein Leben war
bisher schon völlig verdorben, da reißt es die MS auch nicht
mehr raus.
Jetzt ist Weihnachten und bald ist das Jahr vorbei. Das
war für mich immer eine besonders depri gefährdete Zeit.
Eine glückliche Beziehung, Liebe, wirklich schöner Sex
und nicht bloß F...en und sowas war für mich immer das
Maß aller Dinge.
Jetzt ist bald wieder ein Jahr zuende, ich bin fast 30
und ich bin dem allen wieder nur wie ein verdurstender
in der Wüste dem Wasser nachgelaufen.
Früher dachte ich immer: Naja, hast ja noch lange Zeit.
Aber seit der MS hab ich vielleicht nicht mehr so lange Zeit.
Ich war immer schon etwas ungewöhnlich. Nicht nur im
negativen Sinne wie ich meine. Ich konnte mit den perversen
Moralvorstellungen der Gesellschaft nicht viel anfangen,
im inneren wohl eher ein Querdenker, unkonventionell,
kritisch, hätte vielleicht auch beruflich relativ erfolgreich
sein können (aber wollte ich das überhaupt?), handwerklich
und technisch recht begabt, aber ich war viel zu sehr
in meine Probleme verstrickt um irgend was daraus
machen zu können.
Ich hab mir immer ne Freundin gewünscht, die was damit
anfangen kann, mich versteht und die ich auch wirklich
lieben kann. Ich hab mich schon oft verliebt, aber das
hat immer nur weh getan.
Selbstmord war für mich eigentlich schon das halbe Leben
ein Thema. Inzwischen gibt es wirklich nicht
mehr viel was mich hier noch hält. Außer die Hoffnung
vielleicht doch mal noch ne Frau kennenzulernen, richtige
Liebe und den ganzen Quark, Spaß haben, nochmal richtig
die Sau rauslassen, verrückte Sachen machen (oder
wenigstens davon träumen), die anderen Leute auslachen,
die einem immer versuchen das Leben schwer zu machen...
Gibts denn keine Frau, die auch nichts mehr zu verlieren
hat? Die nicht die große Zukunft plant, keine Kinder will,
keinen Familienernährer sucht, oder so nen Mann zum
herzeigen? Wenigstens nochmal ein kleines bischen
Glücklichsein. Wenns auch nur für kurze Zeit ist. Aber
dann hätte sich das ganze schei. Leben wenigstens
noch gelohnt.
Klaus
Nachdem ich seit langem wieder in das Forum geguckt und
mich in vielen Beiträgen wiedererkannt habe, will ich auch
nochmal schreiben. Aber es hat sich viel verändert.
Früher hab ich eigentlich mehr aus Verzweiflung, oder
weil ich mir Hilfe erhofft habe geschrieben. Inzwischen
ist mir das aber alles ziemlich gleichgültig.
Bewußt fing es eigentlich an als ich so ca. 15 war. Sobald
ich ein bischen nervös war, habe ich angefangen zu zittern.
Nervös wurde ich vor allem in Gegenwart anderer Menschen.
Und irgendwann habe ich richtige Angst vor gesellschaftlichen
Anlässen entwickelt. Hinzu kam, daß ich schon seit ich denken
kann Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Durchfall hatte.
Mir war das alles peinlich und ich hab mich dafür geschämt.
Bis ich so 25 war, habe ich deshalb ein sehr zurückgezogenes
Leben geführt. Langweilig wurde mir nie. Ich hatte viele
technische Hobbys, die mir auch sehr viel Spaß gemacht haben.
Aber ich war immer sehr traurig und wollte nie Einzelgänger
sein.
Warum war immer ich derjenige der nichts auf die Reihe
bekommen hat? Ich fand es demütigend. Ich kann mich erinnern
Zeiten gehabt zu haben, wo ich schon in der Realschule mit
ner Schnapsflasche in der Tasche rumgelaufen bin, um mich
vor kritischen Situationen etwas zu beruhigen und weil ich
nicht wollte, daß man mein Zittern bemerkt (gottseidank
habe ich mir das wieder abgewöhnt . Am schlimmsten war
es immer wenn ich irgendwo zum Essen mit hin sollte. Weil
es da blöd kommt, wenn man einfach so geht weil einem alles
zu viel wird und weil man da das Zittern besonders leicht
bemerken konnte.
Im Prinzip habe ich mich mit der ganzen Sache arrangiert.
Nur ne Freundin hätte ich gerne gehabt. Das war eigentlich
das einzige was mir wirklich gefehlt hat.
Mit 25 wurde es mir zu bunt, ich hab's einfach ignoriert.
Da bin ich dann auch endlich bei meinen Eltern ausgezogen,
hab das meiste von meinem elektronischen Krempel verkauft,
Studium angefangen und angefangen abends wegzugehen. Mir hat
Tanzen sehr viel Spaß gemacht (wenn die Bauchschmerzen
mal wieder nicht zu schlimm waren) und ich war nachts meistens
in der Disco. Ich hab auch die eine oder andere Frau
kennengelernt, aber einsam gefühlt habe ich mich trotzdem.
Ich hab's schon mal geschafft 1-2 Tage was vorzuspielen,
meine Deprilaune zu verbergen, die Tatsache daß ich das
Zusammensein mit jemand anderem kaum genießen konnte und
es eigentlich sehr anstrengend fand (was ja auch nicht
verwunderlich ist, wenn man dauernd schauspielern muß).
Deswegen haben solche Bekanntschaften auch selten viel
länger gedauert.
Aber ich hab es mit der Zeit gelernt und es hat immer besser
funktioniert. Und ich habs immer besser beherrscht mir
etwas Zärtlichkeit und schöne Illusionen zu holen (um Sex
gings mir dabei garnicht so). Jeder sagte mir immer man
könne es garnicht verstehen, weshalb ich keine Freundin
hätte, schließlich würde ich ja nicht schlecht aussehen.
Ich habe mich immer eher desinteressiert gegeben. Ich
wollte nicht zugeben was der eigentlich Grund war.
Glücklich war ich nicht, aber es ging so.
Dann hab ich ne Frau kennengelernt mit der
ich lange irgendwie zusammen war. Ich habe sie nicht
wirklich geliebt, aber sie hat mich so akzeptiert wie ich
war. Oder doch nicht? Jedenfalls hatte ich keine
Lust mich zum braven Schwiegersohn machen zu lassen.
Eigentlich hätte ich auch lieber ein Punk sein wollen als
so 'n zerstreuter Wissenschaftler, oder blöder Spießer.
Aber irgendwie sind die meisten Leute um mich rum so und
alle haben alles daran gesetzt, daß ich genauso werde.
Aber wenigstens im Kopf haben sie mich nicht klein
gekriegt .
Vor zwei Jahren haben meine ganzen Beschwerden angefangen
sich nochmal deutlich zu verschlimmern zusammen mit anderen
neurologischen Erscheinungen. Da wurde dann Multiple
Sklerose diagnostiziert und mein bis dahin notdürftig
aufgestelltes Kartenhaus ist wieder umgefallen.
Die Behinderungen von der MS haben sich glücklicherweise
bis jetzt alle immer wieder zurückgebildet (zumindest
die sichtbaren). Am Anfang war das ein ziemliches Drama.
Inzwischen lässt es mich völlig kalt. Mein Leben war
bisher schon völlig verdorben, da reißt es die MS auch nicht
mehr raus.
Jetzt ist Weihnachten und bald ist das Jahr vorbei. Das
war für mich immer eine besonders depri gefährdete Zeit.
Eine glückliche Beziehung, Liebe, wirklich schöner Sex
und nicht bloß F...en und sowas war für mich immer das
Maß aller Dinge.
Jetzt ist bald wieder ein Jahr zuende, ich bin fast 30
und ich bin dem allen wieder nur wie ein verdurstender
in der Wüste dem Wasser nachgelaufen.
Früher dachte ich immer: Naja, hast ja noch lange Zeit.
Aber seit der MS hab ich vielleicht nicht mehr so lange Zeit.
Ich war immer schon etwas ungewöhnlich. Nicht nur im
negativen Sinne wie ich meine. Ich konnte mit den perversen
Moralvorstellungen der Gesellschaft nicht viel anfangen,
im inneren wohl eher ein Querdenker, unkonventionell,
kritisch, hätte vielleicht auch beruflich relativ erfolgreich
sein können (aber wollte ich das überhaupt?), handwerklich
und technisch recht begabt, aber ich war viel zu sehr
in meine Probleme verstrickt um irgend was daraus
machen zu können.
Ich hab mir immer ne Freundin gewünscht, die was damit
anfangen kann, mich versteht und die ich auch wirklich
lieben kann. Ich hab mich schon oft verliebt, aber das
hat immer nur weh getan.
Selbstmord war für mich eigentlich schon das halbe Leben
ein Thema. Inzwischen gibt es wirklich nicht
mehr viel was mich hier noch hält. Außer die Hoffnung
vielleicht doch mal noch ne Frau kennenzulernen, richtige
Liebe und den ganzen Quark, Spaß haben, nochmal richtig
die Sau rauslassen, verrückte Sachen machen (oder
wenigstens davon träumen), die anderen Leute auslachen,
die einem immer versuchen das Leben schwer zu machen...
Gibts denn keine Frau, die auch nichts mehr zu verlieren
hat? Die nicht die große Zukunft plant, keine Kinder will,
keinen Familienernährer sucht, oder so nen Mann zum
herzeigen? Wenigstens nochmal ein kleines bischen
Glücklichsein. Wenns auch nur für kurze Zeit ist. Aber
dann hätte sich das ganze schei. Leben wenigstens
noch gelohnt.
Klaus
25.12.2003 12:14 • • 25.12.2003 #1
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