Zitat von this_is_me: Denn durch die Psychoanalyse habe ich mir erhofft, dass ich herausfinde, warum ich so reagiere wie ich reagiere. Sprich, warum ich Angst vor gewissen Situationen habe. Und wenn ich lerne das zu verstehen, kann es doch auch irgendwie befreiend sein ? Oder nicht ?
Genau das soll die Psychoanalyse leisten. Geh offen ran, gib die Hoffnung nicht auf! Vielleicht ist genau die Erkenntnis über die Gründe deiner Ängste das, was du brauchst. Ich hatte relativ erfolglos mehrere Verhaltenstherapien, bin dann zur tiefenpsychologisch fundierten Therapie gewechselt, von der auch oft behauptet wird, sie wäre wenig erfolgversprechend, und siehe da, es war genau die Therapieform die ich brauchte. Das war der Durchbruch und ich hab mich zum ersten Mal von einem Therapeuten richtig verstanden gefühlt. Die Panikattacken sind bis heute weg. Ich hab zwar fiese Ängste bezüglich einer bevorstehenden OP meines Mannes, aber auch die bringen wir hinter uns. Das ist dann wohl mein Endgegner.
Zitat von this_is_me: Was genau meint ihr mit: man muss die innere Einstellung ändern sonst bringt die Konfrontation nichts.
Zu welcher Einstellung du gelangen musst, ist vermutlich individuell und ich gehe davon aus, dass sie mit den ursprünglichen Gründen deiner Ängste zusammen hängt. Zu den Gründen wird dir deine nächste Therapie sicher ein paar Erkenntnisse bringen.
Ich kann dir nur an meinem Beispiel erzählen, wie es bei mir war. Muss nicht für dich passen.
Situation 1
Hauptsächlich traten bei mir Panikattacken auf, wenn ich alleine zu Hause war, beim Autofahren alleine. Grund war hier, ein absoluter Mangel (anerzogen, danke an der Stelle an meine Erzeuger) an Selbstvertrauen. Ich habe in der Gewissheit gelebt, absolut nichts alleine auf die Reihe zu bekommen. Zu allem unfähig zu sein. Kurz und gut ich habe mich für absolut handlungsunfähig gehalten.
Situation 2
Dann Situationen in denen ich glaubte fest zu sitzen. Zahnarzt, Friseur, soziale Situationen. Da war es das ausweglose nicht weg kommen. Genau wie in den sozialen Situationen, ich lasse mich auch ungern bewerten. Vor allem nicht unfair (noch mal danke an meine Erzeuger) und von Menschen, die keine Ahnung haben was ich tue und warum ich das mache. Der anerzogene Glaubenssatz war: du darfst dich nicht wehren, wenn die anderen was Schlechtes über dich sagen, musst du demütig nicken, immer, du hast nie Recht. Und dazu noch ein Haufen seit der Kindheit unterdrückter Wut, die mir Angst gemacht hat.
Zu Situation 1:
Hier hat Konfrontation auch nicht geholfen, ich hatte über lange Zeit einen Arbeitsweg von 80km einfache Strecke. Und bin jeden Tag vor Angst gestorben, sich vor der Fahrt zu Hause zu übergeben gehörte zum festen Morgenritual wie Frühstück (das an der Stelle wohl völlig sinnlos war) und Duschen. Mehr Konfrontation geht fast nicht, geholfen hat es nichts. Ich war erleichtert, als mein damaliger Arbeitgeber dicht gemacht hat und ich da nimmer hin musste. Den von mir aus kündigen war keine Option.
Dann war ich noch öfter alleine wenn mein Mann arbeiten war. Meine persönliche Hölle von 7 bis 16 Uhr, manchmal länger, Tag für Tag. Und nichts wurde einfach mit der Zeit besser. Für noch mehr Konfrontation hätte man mich wohl in einer einsamen Hütte im Wald aussetzen müssen.
Hier war der Ansatz, zu verstehen, dass ich nicht handlungsunfähig bin. Ich habe mir die Freiheit genommen, so ängstlich, panisch, verheult oder sonst was zu sein. Ich durfte mich dabei fühlen wie ich wollte...oder eben nicht wollte. Einfach annehmen was ist. Einschließlich der fiesen Panikattacken. Ich gehe bewusst in die Angstsituation, weil ich das will, nicht weil ich das muss oder der Situation ausgeliefert bin. Aufs Auto will ich nicht verzichten und alleine sein, kommt nun mal vor. Ich bin sogar gerne mal alleine.
Einzige Aufgabe war es, die Dinge zu schaffen, die ich mir an dem Tag vorgenommen habe. Dabei habe ich recht klein angefangen und das Ganze dann gesteigert. Mit der Angst im Nacken, mit Panikattacken zwischendurch. Keine Erwartungen dass ich mich dabei gut fühle, ich werde Auto fahren, einkaufen, alleine den Papierkram erledigen usw. und ich werde mich dabei mies fühlen. Kein Erwartungsdruck mich stolz zu fühlen danach, nein, ich war anfangs völlig platt und erledigt danach, und das war völlig in Ordnung. Das Hirn konnte aber mit der Zeit feststellen, dass ich trotz Angst nicht handlungsunfähig bin. Die Erledigung der Aufgabe war alles was zählt. Und so wurde es besser.
Du bist da ja schon sehr weit, weil du erkannt hast, es ist Angst, weiter nichts. Du weißt du wirst weder ohnmächtig noch bringt es dich um. Das ist schon mal ein Riesenschritt in Richtung Freiheit!
Zu Situation 2
Hier musste ich das Ganze etwas entwirren.
Nicht mal beim Zahnarzt sitzt mal in der Falle, nein, man kann jederzeit aufstehen und gehen. Unter Protest zwar und es ist sicher oft nicht die klügste Entscheidung, aber auch in der misslichen Lage Zahnarztstuhl ist man frei. Ich habe mir damals einen Zahnarzt gesucht, der auf Angstpatienten spezialisiert war. Unser Weg war es, dass ich ohne groß zu begründen eine Pause bekomme, wenn ich sie brauche. Mein Zahnarzt wusste von meinen Panikattacken und ich konnte mir die Freiheit nehmen, eine zu bekommen, wenn meinem Hirn danach war. Mehr war nicht nötig. Anders wäre es gewesen, wenn meine Ängste einen anderen Hintergrund gehabt hätten, als das Ausgeliefert sein, dann hätte der Zahnarzt wohl was anderen probiert. Vielleicht auch mit Medikamenten. Daher ist es so wichtig, zu wissen, wo die Wurzel der Angst liegt.
Am kompliziertesten waren und sind soziale Situationen. Da hab ich mich zunächst mal gefragt, will ich die wirklich. War eine ganz wichtige Frage. Nur weil man (wer auch immer das sein mag) das eben so macht, muss ich noch lange nicht. Und so bleiben z.B. Arbeitskollegen bei mir da, wo sie hingehören, auf der Arbeit. Privat bin ich da nicht an Kontakt interessiert. Kann bei dir völlig anderes sein. Ist nur ein Beispiel aus meinem Leben. Eine wichtige Frage war immer, will ich das Treffen jetzt tatsächlich, oder mach ich mit weil ich muss.
Dabei kann wollen zum einen sein, dass man die Personen treffen möchte, an einer Aktivität teilnehmen möchte die nun mal nur in Gruppen geht (Vereinssport) oder andere Gründe. Ich geb es offen zu, ich kann gut und gerne darauf verzichten, die Verwandtschaft von meinem Mann zu treffen, aber meinem Mann bedeutet es viel, also zieh ich es durch, weil mein Mann mir wichtig ist und es für ihn schön ist.
Der Rest, ein teilweise toxischer Freundeskreis ist aus meinem Leben verschwunden. Brauch ich nicht, will ich nicht, ist Zeitverschwendung.
Der nächste Baustein, ich an dem knabber ich heute noch, war und ist bei mir Grenzen setzen. Ich war immer wieder in der Situation, dass sich Leute unverschämt und übergriffig verhalten haben. Klar, konnten sie sich erlauben, ich hab mich ja nie gewehrt. Das ist für mich die größte Herausforderung. Das kann ich bis heute schlecht. Entweder ich weiche einer Konfrontation aus, lasse mir alles gefallen oder ich reagiere über. Aber so langsam wird es besser bei mir. Und nachdem ich dem einen oder anderen doch mal seine Grenzen aufgezeigt habe, wenn auch vielleicht etwas zu rigoros, beginne ich zu lernen, dass soziale Kontakte nicht so beängstigend sein müssen. Auch die sind nicht zwingend und besonders unverschämte Personen kann ich doch loswerden.
Das sind meine Erfahrungen mit dem Loswerden von Panikattacken, hauptsächlich erfolgreich durch die tiefenpsychologisch fundierte Therapie. Warum soll es für dich also nicht die Psychoanalyse sein, die dich weiter bringt. Ich wünsch dir alles Gute dabei!