App im Playstore
Pfeil rechts
32

Ist eine Sozialphobie mehr eine Angststörung oder Schamstörung.
Momentan tendiere ich eher zu letzteren.

02.06.2021 10:34 • 06.06.2021 x 1 #1


37 Antworten ↓


Beides würde ich sagen,man ist sich unsicher etwas zu sagen oder etwas falsch zu machen und ist gleichzeitig mit der Angst vor Fremden behaftet.

A


Sozialphobie Schamstörung?

x 3


Zitat von CIRCLEOFFEAR:
Ist eine Sozialphobie mehr eine Angststörung oder Schamstörung. Momentan tendiere ich eher zu letzteren.


Das kann man nicht voneinander trennen.

Wenn ich die in der Depression habe, dann aus blanker Angst.

Ein wesentlicher Aspekt der generalisierten Angststörung ist ja die Angst vor der Angst, also eine Entkopplung von ursprünglich zuzuordnenden Auslösern.

Scham vor der Scham ist denkbar, jedoch m. E. deutlich seltener in Reinkultur anzutreffen als die Angst. Zumindest im pathologischen Kontext.

Angst ohne Scham geht wohl.
Aber Scham ohne Angst? Hm...interessante Überlegung!

Was meint Ihr?

Circle: Warum tendierst Du zu Scham, wenn Du die Sozialphobie einordnen willst? Gibt's ein konkretes Beispiel? Würde mich interessieren.

Zitat von moo:
Scham ohne Angst? Hm...interessante Überlegung!

Was meint Ihr?


Bei mir ist das fest miteinander verknüpft. Ich habe z.B. Angst vor Leuten eine Rede zu halten, weil ich denke bzw. aus erlebter Erfahrung weiß, dass ich herumstammele, mir Wörter nicht einfallen, ich einen Satz beginne und dann nicht beenden kann oder mir die Stimme wegbleibt u.ä. und ich mich damit blamiere und vor Scham im Boden versinke.

@Schlaflose
Gutes Beispiel - geht mir ähnlich ..
Aber kann man dann nicht sagen, dass hier die Scham der Angst folgt?

Zitat von moo:
Aber kann man dann nicht sagen, dass hier die Scham der Angst folgt?

Nein, umgekehrt. Erst war die Scham in der erlebten Situation da und daraufhin die Angst, wieder in solch eine beschämende Situation zu kommen.

Ja das sehe ich auch so

Gut, dann also Angst auf Scham.
Woher kommt nun die Scham?

Unsicherheit....es ist auch sicherlich ein Teil der Erziehung dabei,entweder durch Ängstlichkeit der Eltern oder aber auch zu wenig Lob und Förderung des Kindes.

Es muss nicht aber kann..?

Zitat von moo:
Woher kommt nun die Scham?

Keine Ahnung. Angeboren. Ich kann mich erinnern, das ich mich schon als ganz kleines Kind in bestimmten Situationen geschämt habe.

Unsicherheit - genau!

Ich glaube, das ist eher kein Schamgefühl sondern Unsicherheit. Fehlende Sicherheit. Aber Scham?
Schämt man sich der fehlenden Selbstsicherheit?
Und wenn ja, warum?

Normalerweise schäme ich (!) mich für ein Verhalten meinerseits, das nicht im Einklang mit meinen Moralvorstellungen o. ä. ist.

Zitat von Schlaflose:
Keine Ahnung. Angeboren. Ich kann mich erinnern, das ich mich schon als ganz kleines Kind in bestimmten Situationen geschämt habe.


Angeborene Scham? Dann müsste sie doch stetig vorhanden sein und nicht nur bei bestimmten Situationen?

entsteht das Schamgefühl nicht aus der Unsicherheit?

Ich schäme mich weil ich unsicher bin und das nicht so gut hinbekommen wie x y?

@Annalehna

In der Suchttherapie wird Scham zumeist von der Emotion (!) Schuld abgeleitet - zumindest habe ich es so vermittelt bekommen und auch für mich verstanden.
Meine Interpretation darüber, wo meine (!) Schuld liegt, ist wiederum stets eine sehr persönliche und subjektive Angelegenheit.

Angst hingegen kann ich als äußerst unpersönlich erleben. Gerade und insbesondere in Form der Generalisierung. Sehr oft (immer?) tritt sie ja auch in Verbindung mit DP/DR in Erscheinung.

Wenn ich nun auf @CIRCLEOFFEAR 's Ausgangsfrage zurückkomme erscheint mir deshalb die Sozialphobie eher in den Bereich Angst zu gehören. Denn Angst hat man im innersten Sinn immer vor etwas Äußerem - selbst wenn es nur die Angst vor Angst ist.

Die Scham jedoch ist zuvorderst mein Ding und nährt sich in wesentlichem Maße aus meinem Selbstverständnis.

@Schlaflose Natürlich schließt das eine Verquickung von Angst mit Scham nicht aus.

Danke Moo ,du hast es so toll geschrieben und ich kann mich damit identifizieren.....

Ich danke dir.....und werde mich damit auseinersetzen.

Lieben Gruß
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von moo:
Angeborene Scham? Dann müsste sie doch stetig vorhanden sein und nicht nur bei bestimmten Situationen?

Ich meine nicht, dass die Scham angeboren ist, sondern, dass man bestimmte Situationen als peinlich empfindet. Ich kann einige Beispiele nennen. Als ich 4 Jahre alt war, bin ich von einem Radfahrer ungefahren worden, mit einem Arm in die Kette geraten und der Arm war böse aufgeschürft. Meine Mutter hat den Arm verbunden und ich habe mich fast zu Tode geschämt mit dem verbundenen Arm rausgehen zu müssen. Einmal etwa im gleichen Alter waren wir zu Besuch bei Freunden von meinen Eltern. Ich bin auf der Couch eingeschlafen und als ich aufwachte, habe ich noch im Halbschlaf die Frau umarmt, die neben mir auf der Couch saß, da ich dachte, es sei meine Mutter. Es war aber die Freundin meiner Eltern. Das hat mir noch jahrelang danach die Schamesröte ins Gesicht getrieben, wenn ich daran dachte. Oder ein Beispiel für Fremdschämen: ich war draußen beim Spielen, als eine Nachbarin von Sanitätern rausgetragen wurde (sie hatte sich das Bein gebrochen, wie später am Gips sah). Mir war das furchtbar peinlich und ich habe mich umgedreht und so getan als hätte ich es nicht bemerkt. Da war ich so 5-6 Jahre alt. Solche Beispiele gibt es zuhauf in meinem Leben als kleines Kind.

Nein,ich glaube auch nicht das sie angeboten ist....man entwickelt sie je nach Lebensumstände sehr früh.

Zitat von moo:
Woher kommt nun die Scham?

Die Fähigkeit zur Scham ist angeboren und wird durch Erziehung und Erleben erweitert. Sie steht meist im Kontext mit Schuld und unterliegt immer einer moralischen Bewertung.

Leon Wurmser bezeichnet Scham als die "Wächterin der Würde". Man unterscheidet zwischen einer gesunden und einer pathologischen Scham. Der frühe Augenkontakt zwischen Mutter und Kind gilt als prägend. Ist er konstant und liebevoll ("der Glanz im Auge der Mutter") trägt das zu einer positiven Entwicklung bei, während z.B. ein häufig abgewendeter Blick (z.B. bei depressiven Müttern) einen Zustand des Abgewertetseins erzeugt.

Auch unterscheiden sich Scham und Beschämung. Erstere empfindet man für sich, Letztere durch die Reaktionen anderer. Im Gehirn wird Scham wie ein Schock verarbeitet und löst schnelle und unreflektierte Abwehrmechanismen aus. Weil Scham schmerzhaft ist, entwickelt man Verhaltensweisen, um diesen Schmerz nicht zu spüren - z.B. indem man schamauslösende Situationen von vornherein meidet. Es gibt aber auch sehr aktive Strategien gegen das Erleben von Scham:

* Man zeigt statt angreifbarer Gefühle Zynismus und äußert sich negativ

* Man projiziert das, wofür man sich schämt, auf andere und beschämt sie oft auch seinerseits.
* Man reagiert mit Wut, Gewalt oder trotzigem Verhalten oder im Gegenteil extrem angepasst und macht sich "unsichtbar", ist vielleicht besonders fleißig oder diszipliniert

* Man vermeidet alle weichen, verletzbaren Gefühle und erstarrt dabei, was häufig in Langeweile oder Depression führt

Die Themen, die der eigenen Scham zugrundeliegen können, sind Missachtung, Grenzverletzungen, Ausgrenzung oder eine Verletzung eigener Werte.

Um mit Scham umgehen zu können, muss man den Schritt wagen, sie genau anzuschauen und herausfinden, warum man in Situationen mit Scham reagiert. Das ist ziemlich schmerzhaft und die Abwehr ist meist hervorragend trainiert. Nach meiner Erfahrung lohnt es sich aber, denn dann kann man aufkommende Schamgefühle wie einen Seismographen nutzen, der einen darauf hinweist, an welcher Front man eigentlich gerade kämpft.

A


x 4


Pfeil rechts




Dr. Reinhard Pichler
App im Playstore