App im Playstore
Pfeil rechts

Hallo zusammen,

ich bin neu im Forum, habe mich schon kurz vorgestellt und würde mich über jede Art von Tipps, Meinungen und Erfahrungsausstausch freuen.

Um mein aktuelles Problem zu beschreiben, muss ich etwas weiter ausholen.

Meine Kindheit war nicht ganz unproblematisch. Mein Vater hat sich aus vielem herausgehalten und meine Mutter hat mir und meinen Geschwistern gegenüber mit unvorhersehbaren Liebesentzug reagiert. Schlimm für mich war, dass dieser aus heiterem Himmel kam. Sprich, wenn ich wirklich was verbockt hatte, wurde mit Verständnis reagiert und wenn eigentlich alles in Ordnung war, reagierte sie so. Genauso plötzlich war dann wieder alles ok.

Somit habe ich zu meinen Eltern so gut wie keine emotionale Bindung und bin nach deren Scheidung auch prompt ausgezogen (mit 18).

Die Jahre danach waren - für mich - unauffällig. Ausbildung, Job, neuer Job, Beziehungen, Freunde, etc.
Ich bin eher der Alleingänger und Eigenbrödler und auch nicht der, der offen Kritik äußert oder seinen Mund auf macht. Um es mit den Worten von Heinz Becker zu beschreiben:
Wenn mir der Frisör nicht gescheit die Haare schneidet, sage ich dankeschön und geh da nicht mehr hin.

Das hat mich aber nie davon abgehalten, auf Partys zu gehen, Beziehungen zu haben, in der Gruppe zu sprechen und ich hatte zwar immer wenige, aber 2 bis 3 gute Freunde.
Der Kontakt zu meinen Eltern und Geschwistern ist eher per Telefon und auch selten. Mir liegt nicht wirklich was daran und deren sozialen Verstrickungen waren und sind mir immer zu kompliziert und nicht greifbar, besonders wenn man eher rational herangeht und ein Kopfmensch ist - wie ich.

Nach meiner letzten Beziehung habe ich mir eine Auszeit von Beziehungen genommen - ca. 3 bis 4 Jahre. Ich hatte einfach die Schnauze voll, wollte einfach nur meine Ruhe haben.

Seit 4 Jahren bin ich mit meiner jetzigen Freundin zusammen. Ich gebe ihr um Gottes Willen für nichts die Schuld, bringe aber damit vieles in Verbindung. Ich schreibe es auch bewusst aus meiner Sicht.

Ich war so glücklich und selbstbewusst, jemand gefunden zu haben, bei dem alles passt und der mich so nimmt, wie ich bin - dachte ich.

Doch es ging schon früh los mit mach doch mal dies, mach doch mal jenes, sei so und so, usw. Ich war plötzlich einem - in meinen Augen - Hagel von Anregungen, Kritik, Meinungen, Verbesserungsvorschlägen, Tipps bis hin zu Vorwürfen ausgesetzt. Dabei habe ich nie unterschieden, sondern es immer auf mich persönlich bezogen.

Ich habe das soweit alles immer mitgemacht - meiner Unfähigkeit nein zu sagen sei Dank - dabei aber wohl innerlich einen immer größer werdenden Groll geschoben.

Es gab zwei Knackpunkte:

Ich müsse doch einen besseren Kontakt zu meiner Familie pflegen, mich emotional mehr einbringen. Habe ich gemacht. Meine Familie fands toll, mich hats an meine Belastungsrenzen gebracht. Ich war komplett überfordert.
Auf Anraten bin ich dann zum Heilpraktiker gegangen, um das alles mal aufzuarbeiten und was gutes für mich zu.
Ausser, dass ich jede Menge Kohle zum Heilpraktiker getragen habe, hat das nur das gebracht, dass vieles von dem, was ich vergraben und ignoriert, nun nach oben befödert wurde und ich das Gefühl hatte, es wird alles nur noch zerquatscht.
Dabei wollte ich das alles nicht. So wie es war, war es für mich in Ordnung.

Zweites Ereignis war, als meine Freundin mich darauf ansprach, dass unser Sex zwar gut ist, aber ich doch das eine andere noch ändern könnte.

So, und hier war Ende Gelände. Das war für mich die letzte Bastion, die eingenommmen wurde. Auch hier konnte ich also nicht so bleiben wie ich bin und sollte was ändern.

Ich habe mich dermaßen abgelehnt gefühlt und leider ie deutlich genug den Mund aufgemacht. Mit dem Ergebnis, dass ich mich in der Beziehung zurückziehe, eine Mauer um mich herum baue, um ja nicht weiter verletzt zu werden.

Dann kamen die Ereignisse, die mich letztendlich auf die soziale Phobie gebracht haben.
Im Job war ich immer souverän und geschätzt, hatte nie Probleme in Diskussionen, Meetings etc. Klar, der Eigenbrödler und Nicht Party Löwe war ich da auch, aber so kannte man mich ja.

Es fing damit an, das sich mich in Meetings plötzlich sehr unwohl gefühlt habe, so als stehe ich im Mittelpunkt und man würde mich beobachten. Es war ein Gefühl wie in Watte gepackt zusammen mit leichtem Schwindel, extremer Anspannung, schneller Puls, so als würde ich gleich umfallen oder ohnmächtig werden.

Das gleiche habe ich, wenn mich jemand unvorhergesehen in der Arbeit in ein längeres Gespräch verwickelt und z.B. mit den Augen richtig fixiert.
Besonders wenn ich erstmal eine Weile zu hören muss. Ich komme mir dann immer wie in einem Verhör vor und habe das Gefühl flüchten zu müssen.

Dummerweise ziehe ich solche Situationen, in denen ich mir wie Mittepunkt vorkomme auch noch an.
Bei einer Feier gibt es eine Verlosung. Ich gewinne sonst nie irgendwas, hier ziehe ich das Los und alle Augen sind auf mich gerichtet.

In einem Meeting will ich mich bewusst ein bisschen außerhalb setzen, also eher am Rand, um so das Gefühl im Mittelpunkt zu sein nicht zu provozieren. Prompt flankieren mich die beiden Hauptredner links und rechts, da ich an der Tischecke gesessen bin. Ich kam mir vor, wie auf dem Präsentierteller und hatte alle bekannten Symptome.

Wieder auf einer Feier, ich stelle mich bewusst etwas seitlich und natürlich stellt sich der Redner dann genau neben mich. Ich dachte, ich muss sterben und der Abend war im Eimer.

Solche Situationen habe ich nicht immer, aber regelmäßig.
Die Symptome sind dabe immer:
Unruhe
Unwohl fühlen
beschleunigter Puls
Zittern der Hände
Kopf wie in Watte gepackt
Schwindel
Angst, bzw. Gefühl zu kollabieren / ohnmächtig zu werden

Ich kann das soweit noch einigermaßen handlen, merke aber, dass ich immer mehr beginne bestimmte Situationen zu meiden. Ich bringe mich in Diskussionen nur wenig ein, um ja jedem längeren Gespräch aus dem Weg zu gehen, weiche direktem Blickkontakt aus, versuche Gespräche schnell zu beenden, lenke mich ab mit schnell aufs Klo gehen, Wasser trinken, Nase putzen, Husten, usw.

Deswegen war ich schon in Verhaltenstherapie, die mir gut geholfen hat, allerdings an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiterkam (nämlich: was ist die Ursache). Jetzt bin ich bei einem Psychotherapeuten, was für mich eine große Hilfe ist.

Ich habe mir auch schon Buch bestellt zum Thema soziale Phobie und möchte dies wirklich in Angriff nehmen. Ich habe es einfach satt, weiterhin darunter zu leiden oder mich eingeschränkt zu fühlen.

Allerdings leidet weiterhin meine Bezeihung unter der gesamten Situation. Ich stelle mir dauernd die Frage, ob die Beziehung und dieses ständige Konfrontieren nciht vielleicht der Auslöser war oder ob die Probleme in meiner Beziehung auch Symptome sind.

Wir reden viel darüber, doch ich ziehe auch in Erwägung, die Beziehung zu beenden. Es wird mir einfach zu anstrengend und ich zweifele langsam daran, ob sich diese Beziehungsarbeit lohnt und dies vielleicht der ausschlaggebende Auslöser für meine Probleme war.

Grüße

11.03.2012 15:26 • 10.04.2012 #1


4 Antworten ↓


Hallo,

da kann ich nur sagen: die Belastungsgrenze ist bei SP Leuten schnell erreicht.
Wenn Du keine Freiräume oder Fluchtwege mehr hast als SPler, gehs't Du vor die Hunde.
Weil die reale Welt so anstrengend ist, kreieren sich SPler ihre eigene Welt, in der sie sich wohl fühlen und ihren Gedanken freien Lauf lassen können.

Bist privat im Reinen, klappt's auch wieder im Job - oder umgekehrt.
Ohne irgendeine Art von Bestätigung sieht's trübe aus.

Gruß,
Joe

A


Soziale Phobie und wie damit umgehen?

x 3


Hey,

ALso zu allererst: Mit Heilpraktikern habe ich persönlich keine guten Erfahrungen gemacht. Die haben sich bei mir nie um das eigentliche Problem gekümmert, sondern versucht so viele Wunden wie möglich aufzureißen, damit ich länger in Behandlung bleibe, und die sich an mir natürlich reichquaseln. Psychologen die vom Staat bezahlt werden würde ich da lieber vorziehen, weil die oft auch den festen Willen haben, genau dieses Problem um das es geht aus der Welt zu schaffen.

Gelernt habe ich selbst beim Psychologen zum Beispiel denProzess der Desensibilisierung, das heißt du versuchst immer weniger empfindlich auf etwas zu reagieren. Wie zum Beispiel auf Kritik, in diesem Fall kannst du einen Weg finden, dich Kritik auszusetzen. Zum Beispiel stellst du dich deiner Partnerin und fragst nach einem Kritikpunkt, an dem sie etwas zu bemängeln hat. Das kannst du z.B auch einfach hinnehmen auch ohne etwas verändern zu wollen. Deiner Freundin würde es zwar sicher mehr zusagen, wenn der Kritikpunkt wegfiele, aber es gibt nunmal keinen Menschen ohne Mäkel. Jedenfalls solltest du dich immer weiter Schritt für Schritt vorantaasten, um zu lernen mit Kritik umzugehen.

Dieser Vorschlag ist jedoch nur so, wie ich es nachvollziehen kann. Ich weiß es klingt banal, aber ich kann verstehen wie schwer es ist, sich dem auszusetzen. Jedoch bringt eine Isolierung von Kritik keine gute Lösung auf Dauer. Es wird immer jemand etwas zu meckern haben, und da können auch die kleinsten Bemerkungen die einfach nebenbei formuliert wurden wehtun.
Aber man merkt beim Lesen sofort dass du einen guten Willen hast, und das ist sicher nur eine von vielen Stärken die du besitzt. Achte nicht nur auf deine Mängel. Versuche mit deinen Stärken zu überzeugen!
Doch bevor du andere überzeugen kannst, musst du erst dich selbst überzeugen ^^

@Joaquim:
Ja, das kenne ich gut. Ich habe mir meinen Ausgleich immer im privaten gesucht und gefunden, einfach um auch Abstand zu nehmen. Dieser private Ausgleich wird zusehends dünner aufgrund der Probleme in meiner Beziehung. Ich tanze quasi auf 2 Hochzeiten und das wird mir zuviel.

@Hideyoshi:
Erstmal Danke für den Tipp mit der Desensibilisierung! Genau das will ich machen und habe auch schon mal damit angefangen. Es gab ein großes Meeting, inhaltlich nicht unbedingt wichtig, eher zur Info. Früher wäre ich da nie hingegangen mit für alle gut nachvollziehbaren Ausreden. Jetzt habe ich mir gedacht: nun erst recht!

Und so will ich das weiter machen. Im kleinen üben, um dann in Situationen, bei denen ich dann wirklich im Mittelpunkt bin nicht jedesmal die Krise zu kriegen.

Andersherum habe ich nämlich auch gemerkt, dass mir zwar der Rückzug gut tut, ich aber dann auf solche Situationen immer empfindlicher reagiere.

Gestern war ich wieder bei meinem Therapeuten.
Er meinte, ich hätte aufgrund meiner Erlebnisse und meiner Art bei Kritik oder Verletzung nach außen hin zwar immer smart reagiert, innerlich aber nach und nach alle emotionalen Fäden durchgeschnitten. Ich hätte ein tiefes Misstrauen meiner Umweld gegenüber und einmal gefasstes Vetrauen kann schnell zerrüttet werden.
Zu den Problemen in meiner Beziehung meinte er (er kennt das ja alles), es hätte doch keinen Sinn mehr und es dürfte äußert schwierig werden, das gestörte Vertrauen und die emotionale Bindung zu meiner Partnerin wieder aufzubauen. Lieber weiter an sich arbeiten und mit diesen Erkenntnissen einen Neuanfang machen.

Tja, harte Worte. Ich würde mich aber belügen, wenn ich nicht auch schon daran gedacht habe.

Gestern wieder eine Diskussion gehabt nach dem üblichen Muster. Man unterhält sich gut, tauscht sich aus, plötzlich gleitet es ins grundsätzliche ab und jeder ist vom anderen enttäuscht und verletzt. Schlimm dabei ist, ich spüre kaum noch was dabei und denke oft, ich kann da ja eh nix mehr retten.

Vielelicht wäre es besser sich zu trennen. Als Freunde oder WG würde es bei uns super klappen, aber nach all dem nicht mehr als Paar.
Davon abgesehen, selbst wenn ich den Willen hätte, ich wüsste ganicht, wie ich das schaffen soll wieder zu ihr zu finden.
Zur Zeit ist es echt zum verzeifeln.

Grüße

Ein Update:

mit meinem Therapeuten habe ich darüber gesprochen. Er fand es gut, dass ich mir ein Buch gekauft habe und die Übungen mache, es sei aber weiterhin wichtig, die Ursachen zu ergründen (in dem Fall wohl meine Kindheitserlebnisse).

Das Buch hilft mir ganz gut. Ich versuche mehr und mehr aus diesem Kreislauf aus Selbstbeobachtung, gesteigerte Selbstwahrnehmung, Sicherheitsverhalten und Vermeidungsstrategien auszubrechen. Es klappt aber nicht immer und es gibt Rückschläge.

In der Arbeit gab es zudem ein Ereignis, was jetzt nicht sofort und unmittelbar mich betrifft, aber mein Vertrauen in den Job etwas ins wanken gebracht hat. Ich werde mich damit befassen, langfristig einen Job zu suchen und vielleicht diesmal etwas, was mir wirklich gut liegt und was ich gerne mache und wo ich nicht einfach nur gut bin, in dem was ich tue.

Die Beziehung zu meiner Freundin ist nicht mehr zu retten und ich fühle mich schlecht deswegen, weil ich das Gefühl habe, versagt zu haben oder nicht gut genug gewesen zu sein. Aber wahrscheinlich ist es besser so. Wir bringen zu viel aus unserer Vergangenheit mit, haben uns zu oft verletzt und jetzt ein Neuanfang - kaum vorstellbar. Dazu müsste ich ein anderer Mensch werden oder über Nacht alles vergessen haben.

Ich will übrigens mal eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Ich denke, dass der Austausch in der Gruppe mir gut tun wird.





Dr. Reinhard Pichler
App im Playstore