Ich bin überbehütet aufgewachsen, litt viele, viele Jahre unter Mobbing, war Opfer einer Liquid-Exctasy-Aktion, habe meinen allerliebsten Freund durch einen dramatischen Unfall verloren und ein weiterer mir sehr wertvoller Mensch erlitt einen Schlaganfall, den er aber glücklicherweise überlebte. Ich bin erst 35, all diese Dinge ereigneten sich wie auf einer Perlenschnur aufgereiht hintereinander mit nur kurzen Pausen zwischendrin.
Ich flog aus diversen Jobs, weil ich mich nicht einbringen konnte wie gefordert, meine Partnerschaften hielten nicht....
Ich arbeite seit einigen Jahren selbstständig von zuhause im Homeoffice. Das gibt mir Geborgenheit. Obwohl ich meine Arbeit sehr liebe, kann ich sie nicht immer mit voller Power ausführen. Ich habe Phasen, wo es mir einfach nicht so gut geht und ich dann nichts mache, bevor ich schlechte Arbeit abliefere. Dadurch reicht es bei mir finanziell nicht und ich muss noch etwas mit Alg2 aufstocken.
Aktuell ist es bei mir so, dass ich wirklich kaum Elan habe, etwas zu machen. Schreibkram bleibt liegen, Projekte gehen nur sehr langsam vorwärts und ganz viel Behördenkram müsste eigentlich schon vorgestern erledigt sein. Ich bin also schon über einige Fristen hinaus. Ich schaffs aktuell einfach nicht, bestimmte Dinge zu klären. Ich weiß, einiges wäre mit einem Brief oder einem Anruf aus der Welt geschafft, aber ich bekomm es nicht hin. Ich hab schon bissl Angst, was passieren könnte und male mir diverse Szenarien aus. Darin bin ich echt gut.
Meine Erfahrung zeigt zwar immer wieder, dass es doch nie so schlimm kommt und ich das eigentlich locker hinbiegen kann, aber ich mache mich im Vorfeld bei unangenehmen Dingen enorm fertig. Konsequenz ist, dass die Sache dadurch ja eher schlimmer wird, statt besser......
Aktuelles Beispiel. Ich soll mich halt vom Jobcenter aus 2x monatlich bewerben. Ich weiß sehr wohl, dass das nicht viel ist und ich weiß auch, dass es durchaus auch Jobs geben würde, wenn ich mich richtig bemühe. Ich weiß auch, dass es durchaus auch dazu reichen würde, dass ich das ein oder andere Vorstellungsgespräch bekommen könnte. Aber ich tu es einfach nicht! Konsequenz ist jetzt, ich habe nächste Woche meinen nächsten Termin bei meinem Vermittler, der meine Bewerbungen sehen will.
Es ist für mich ein wahnsinnger innerlicher Kraftakt, diese Bewerbungen zu schreiben. Ich kann das sehr gut, weil mir schreiben und formulieren schon liegt. Das ist überhaupt nicht das Problem. Sondern der innerliche Kraftakt, es zu tun. Der Antrieb. Und der ist nicht mal groß genug, wenn ich weiß, es könnte Konsequenzen geben.
Bei meinem letzten Job habe ich das sehr, sehr deutlich gespürt, was mit mir los ist. Es war ein tolles Unternehmen, nette Kollegen und ein Chef, der mir sogar zeitlich Freiraum lies, wann ich meine Stunden mache. Es waren nur 5 Stunden am Tag und ganz in meiner Nähe. Die Arbeit war auch völlig okay. Eigentlich ein Traum und ich schäme mich auch irgendwo, denn andere hätten das sicher mit Kusshand gemacht. Vor allem auch, weil mir das Geld einiges erleichtert hat. Ich bekam kein Alg2 mehr und musste mir um die monatlichen Fixkosten keinen Kopf mehr machen. Und durch die Zeitliche Flexibilität konnte ich das auch mit meiner selbstständigen Arbeit gut vereinen.....
Aber es war für mich innerlich die Hölle. Klar, am Anfang ist man immer angespannt, wenn man irgendwo neu ist. Aber bei mir wurde diese innere Anspannung immer größer, der innere Druck wurde stärker und ich war nur noch gehetzt und fühlte mich richtig neben der Spur. Ich war nicht mehr ich. Wie gesagt, das lag definitiv nicht am Job, sondern das war wirklich ich.
Ich wurde unausgeglichener, muffelte die Kunden am Telefon an, wurde oberflächlich, arbeitete unstrukturierter und dachte bei Arbeitsbeginn schon wieder an den Feierabend. Ich kam morgens noch schlechter aus dem Bett als zuvor.....
Der Chef beendete dann das Arbeitsverhältnis nach 3 Monaten.
Wenn ich mir das jetzt rückblickend vor Augen führe, war das in den anderen Jobs früher auch so und der Verlauf war ähnlich.
Ich bin durchaus in der Lage, da auf das Amt zu gehen und mit dem Vermittler da zu sprechen, ich hab ja auch Kunden, mit denen ich rede usw. Das funktioniert schon. Ich werde zwar unsicher, aber es geht halbwegs. Klar bin ich vor Gesprächen aufgeregt, aber es geht. Aber wenn ich mir vorstelle, den ganzen Tag in einem Büro zu sitzen, ständig Menschen um mich zu haben..... Da macht mich der Gedanke daran schon verrückt.
Ich habe auch festgestellt, dass ich manchmal die ganzen Eindrücke um mich herum nicht so filtern kann. Meine Konzentration hält immer nur für kurze Zeit an. Und das kostet enorme Kraft.
Ich habe beschlossen, eine Psychotherapeutin aufzusuchen. Mein Erstgespräch habe ich in etwa 6-8 Wochen.
Aber was sage ich jetzt nächste Woche auf dem Amt? Es ist ja noch gar keine Diagnose vorhanden. Ich hab auch Panik davor, dass später das Amt irgendwie erfährt, woher das kommt und meine ganze Geschichte bekannt wird. Weil ich denke, einfach zu sagen, ich gehe in Therapie wird denen nicht reichen. Da wird es sicher noch mal ein Gutachten beim Amtsarzt geben.
Was für Erfahrungen habt ihr mit der Arbeitsvermittlung in solchen Fällen?
Den Vermittler, den ich habe, der ist erst Ende 20 und somit einiges jünger als ich. Der ist zwar nett aber mit so nem Bürschlein kann ich nicht darüber reden. Aber scheinbar muss ich ja.... ich weiß nicht was ich sagen soll, warum ich mich nicht beworben habe. Beim letzten mal hatte ich schon als Ausrede, ich hab mich online beim Zeitarbeitsfirmen eingetragen und mich mündlich bei Bekannten in Firmen umgehört.... Aber das kann ich nicht ständig bringen. Ich mag aber auch nicht mehr schwindeln wollen/müssen....
09.03.2015 09:48 • • 13.04.2015 #1