Lex6543
ich bin fast immer übertrieben höflich/vorsichtig und will andere auf keinen Fall stören. Dadurch wirke ich schüchtern und ängstlich. Aber eigentlich verhalte ich mich BEWUSST und aus ÜBERZEUGUNG so und erwarte diese Rücksichtnahme auch von anderen mir gegenüber.
Meine Frage: Sind das wirklich Ängste oder ist bewusste Höflichkeit/Rücksichtnahme etwas anderes?
Beispiel:
Ich gehe an einem Büro einer Kollegin vorbei und sage nur hallo. Andere würden vielleicht stehen bleiben und die Kollegin in Smalltalk verwickeln, aber ich möchte sie bewusst nicht von ihrer Arbeit abhalten, falls sie sich gerade konzentrieren muss.
Jetzt kann man das als Angst deuten, aber ich handle ja bewusst und aus Überzeugung so. Sind das trotzdem Ängste?
Anderes Beispiel:
Ich laufe am Balkon meiner Nachbarin vorbei und grüße sie nicht, obwohl ich wahrgenommen habe, dass jemand auf dem Balkon ist. Ich grüße sie extra nicht, um ihr nicht das Gefühl zu geben, dass sie beobachtet wird und damit sie auf dem Balkon ihre Privatsphäre hat. Nach außen hin wirkt mein Verhalten wieder wie Schüchternheit/Angst, aber eigentlich verhalte ich mich bewusst so und finde es befremdlich und aufdringlich, wenn man Leuten von Weitem etwas zuruft.
Es gibt noch etliche andere Beispiele aus meinem Leben, wo ich schüchtern wirke, aber in Wirklichkeit einfach jemanden nicht bedrängen und ihm seinen Freiraum lassen möchte.
Ich bin auch so erzogen worden, dass man immer sehr freundlich, höflich, vorsichtig sein muss.
Sind das Ängste?
Hat ein sozial ängstlicher Mensch auch solche Gedanken (Will den anderen aus Überzeugung nicht stören.)?
Ich empfinde mein übertrieben rücksichtsvolles Verhalten als richtig. Empfindet dagegen ein sozialängstlicher Mensch sein Verhalten als falsch?
Ich wüsste gern, wo ich bei mir ansetzen muss, um besser mit anderen klarzukommen und nicht als schüchtern wahrgenommen oder missverstanden zu werden. Vielleicht muss ich gar nicht bei Ängsten ansetzen, sondern meine Überzeugung, immer übertrieben höflich sein zu müssen, überwinden? Aber diese Überzeugung ist so tief in mir verankert, dass ich normale und gesellschaftlich akzeptierte Verhaltensweisen der anderen oft kritisch sehe (plump, aufdringlich, rücksichtslos) und mein vorsichtiges Verhalten dagegen als angemessen und richtig empfinde.
Seht ihr einen Unterschied zwischen sozialen Ängsten und meinen Überzeugungen oder ist es das Gleiche? Wie könnte ich diese starke Überzeugung, immer vorsichtig sein und Rücksicht nehmen zu wollen/müssen, loswerden?
Empfindet ihr mein geschildertes Verhalten als schüchtern (vor dem Hintergrund, dass ich absichtlich so handle und mir das auch von anderen wünsche)?
Danke und LG
29.05.2021 09:19 • • 27.06.2021 x 2 #1