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Hallo ihr Lieben,

als ich im Internet über soziale Ängste gelesen habe bin ich auf dieses Forum gestoßen und nach kurzem Überfliegen einiger Beiträge habe ich mich bereits willkommen und verstanden gefühlt. Überwiegend verdränge ich meine Phobie, doch oftmals finde ich mich auch umzingelt von Panik, weil ich auf einmal die Angst an mich ran lasse und nicht mehr aufhören kann über sie zu denken. In meinem Kopf geht so viel vor sich und noch nie habe ich versucht all dies aufzuschreiben. Der Gedanke kam mir bereits, aber ich sah nie den Sinn darin, da es nur für mich selbst wäre. Hiermit also mein Selbstversuch meine soziale Angst zu definieren und vielleicht auf Gleichgesinnte zu stoßen.

Ich bin mittlerweile 19 Jahre alt, habe vor kurzem mein Abitur fertig gemacht und möchte demnächst anfangen zu studieren. Bereits ab dem 13 Lebensjahr habe ich mit Depressionen gekämpft, habe mich selbst verletzt und spielte mit dem Gedanken mir das Leben zu nehmen. Im Alter von 7 Jahren zog ich aus Polen nach Deutschland ohne auch nur ein einziges Wort Deutsch zu kennen. Die Grundschulzeit hat mich dermaßen negativ geprägt, dass ich mich an eigentlich (mit Ausnahme von wenigen Situationen) nichts mehr von diesen Jahren erinnere. Meine Lehrerin hatte kein Verständnis für mich, ließ die ganze Klasse mich auslachen und gab mir durchgehend das Gefühl dumm zu sein. Später folgte die Realschule, dort war ich auch von Menschen umgeben die mich aus der Grundschule kannten und mich immer wieder auf die schwierige Zeit ansprachen, es bestand keine Möglichkeit nach Vorne zu gehen, weil ich immer wieder an die schreckliche Zeit erinnert wurde. Irgendwann fingen Freundinnen an ihre ersten Beziehungen zu haben, ich fühlte mich ausgeschlossen, wusste, dass ich zu unattraktiv bin. Ich erinnere mich noch als das erste was ich mir in meine Haut geritzt habe das Wort fett war. Kurz vor dem Realschulabschluss wurde mir bewusst, dass ich so nicht weiterleben kann. Ständig habe ich überlegt wie ich mich umbringen könnte, das einzige was mich am Leben hielt war die Vorstellung was meine Mutter empfinden würde. 3 bis 4 Jahre litt ich an der Depression, ohne das es jemand aus meiner Umgebung bemerkte. Ich habe mich selbst aus diesem tiefen Loch rausgeholt, weil ich wusste, dass ich nicht immer so unglücklich sein kann. Nach meinem Realschulabschluss sind wir in eine andere Stadt gezogen, wo ich begann aufs Gymnasium zu gehen. Ich habe mich unglaublich gefreut endlich von Menschen umgeben zu sein, die mich nicht von klein auf kannten. Ich habe schnell Freunde gefunden und hatte das Gefühl hierher zu passen. Doch als die Depression fort war, rückte die soziale Angst immer mehr ins Licht. Erst waren es nur Kleinigkeiten wie die Angst andere spontan anzusprechen oder zu telefonieren. Mittlerweile fühle ich aber wie die Phobie Einfluss auf mein alltägliches Leben hat und ich nicht richtig funktionieren kann. Ständig kommt es zum Streit mit meiner Mutter, weil diese die Angst nicht nachvollziehen kann. Wenn sie mich drum bittet jemanden nach etwas zu fragen (Sie selbst spricht nicht perfekt Deutsch und bevorzugt es mich zu schicken) und ich es einfach nicht kann, wird sie sofort sauer und meckert, dass ich so nicht leben könnte. Als wüsste ich das selbst nicht. Feiern ist für mich nüchtern unvorstellbar. Ich habe ständig das Gefühl von allen beobachtet zu werden, obwohl ich genau weiß, dass das nicht der Fall ist. Ich vermeide es mit Menschen zu reden, weil ich Angst habe, dass das was sie sagen, Kritik sein könnte, die mich verletzt. Um meiner Angst entgegenzuwirken habe ich mich vor drei Monaten als Kellnerin beworben. Anfangs hatte ich viel mit mir selbst zu kämpfen, teilweise habe ich vor der Arbeit geweint und musste mich zwingen hinzugehen, doch merkte schnell, dass es Vorort nicht schlimm ist. Ich habe sogar jemanden kennengelernt, mit dem ich mich bis jetzt treffe (Darauf gehe ich gleich nochmal ein). Ich habe mir bei der Arbeit einen gewissen Wohlfühlbereich geschaffen, doch merke nun, dass ich nicht ewig in diesem bleiben kann, sondern Situationen aufkommen bei denen ich über diesen hinweg treten muss. Und eben dies kann ich nicht und bin wieder kurz davor den Job hinzuschmeißen, mich in meinem Zimmer einzunisten und depressiv zu werden. Damit ihr es etwas mehr vor den Augen habt, zwei Situationen die mich vor kurzem unglaublich getriggered haben: Ich beherrsche es mittlerweile drei Teller auf einmal zu tragen, jedoch verlangt der Chefkellner (Hat eine hohe Stellung, ist aber nicht der Chef von dem Restaurant), dass ich lerne zwei Teller mit einer Hand zu tragen, was ich einfach nicht hinkriege, weil mir die Kraft fehlt. Um es mir also aufzuzwingen brachte er letztens zwei Suppen und sagte zu mir ich soll sie mit der Technik die er mir gezeigt hat rausbringen. Um uns standen noch 3 weitere Kellnerinnen. Ich sagte ich könne es nicht und würde es nicht machen. Er bestand aber drauf, worauf ich mehrmals meinte ich könnte es nicht. Direkt überfiel mich eine Panikattacke, ich wurde vor den anderen Kellnerinnen bloßgestellt und hatte auch selber das Gefühl vermittelt bekommen ich wäre nicht fähig in dem Restaurant zu arbeiten. Ich musste mich unglaublich zusammenreißen nicht zu weinen, obwohl es doch eigentlich so eine Kleinigkeit war. Den Rest des Tages wollte ich einfach nur Nachhause, habe gezittert und konnte nicht klar sprechen oder denken. Eine andere Situation war, dass ich vor einem Gast eine Weinflasche aufmachen sollte, was ich nie zuvor gemacht habe. Das habe ich auch dem Barkeeper deutlich gemacht, dieser meinte jedoch ich müsse es vor dem Gast öffnen. Im Endeffekt brachte ich die Flasche mit einem Öffner zum Gast und ließ ihn sie sich selbst öffnen. Wieder blamiert, wieder eine Panikattacke, zittern, kurz vorm Weinen. Seit Tagen sitze ich jetzt hier und überlege zu kündigen, weil ich das Gefühl habe das übersteigt mich alles und ich sei nicht gut genug weiter zu machen. Je länger ich dann darüber nachdenke, kann ich mir meine Zukunft nicht vorstellen. Wie soll ich studieren? Wie soll ich jemals arbeiten? Und genau da tritt wieder die Depression auf. Ich denke mir ich schaffe es nicht ein normales Leben zu führen, also wofür dann überhaupt weitermachen? Die soziale Angst beeinträchtigt aber nicht nur meine Arbeitswelt sondern auch mein Liebesleben. Der Mann, den ich bereits erwähnte, ist wahrscheinlich das beste was mir je passiert ist. Trotz, dass wir nicht in einer Beziehung sind, bringt er mir unglaubliche Freude und holt mich aus dem dunklen Alltag raus. Jedoch ist mein Selbstwertgefühl dermaßen niedrig, dass ich ständig das Gefühl habe, ich sollte nicht mit ihm sein. Ich denke mir ich bin zu hässlich, zu unintelligent etc. für ihn. Er hat auch die (für mich) unvorteilhafte Eigenschaft einfach zu sagen was er gerade denkt. Dabei kommen Sachen raus wie Du läufst komisch, oder deine Zähne sind groß. Solche Sätze verursachten bei mir, dass ich tagelang nicht vor ihm lief oder neben ihm lachte. Wir haben drüber gesprochen und er versprach mir in Zukunft darauf zu achten. Aber es wird immer Menschen geben die etwas an mir kritisieren, und genau dann ziehe ich mich jedes mal ein wenig zurück. Ich habe unglaubliche Komplexe, bin sehr groß, habe kein schönes Lächeln, stottere wenn ich gestresst bin und kriege somit keine vernünftigen Sätze hin. Teilweise kriege ich es hin mir keine Gedanken um die soziale Angst zu machen, doch manchmal häuft sich so viel an und fällt über mir zusammen. Ich habe das Bedürfnis den Kontakt zu allen abzubrechen, meinen Job zu kündigen und einfach nur zu weinen. Ich möchte endlich etwas unternehmen um mich nicht mehr so zu fühlen, ich weiß aber nicht was. Ich habe das Gefühl Therapie und Selbsthilfegruppen würden auch nichts ändern, ich möchte einfach ein normales Leben führen. Ohne Angst vor jeder unbedeutendsten Kleinigkeit, ohne sich Milliarden Gedanken zu machen.

Gibt es welche von euch die auch nicht funktionieren können, da die Angst komplett die Kontrolle hat? Gibt es vielleicht welche die Fortschritte gemacht haben und auf dem Weg sind über die Angst hinwegzukommen, wenn ja, wie?

Ich freue mich auf die Antworten und bedanke mich für jeden der sich die Zeit genommen hat bis hierhin zu lesen

02.07.2018 00:17 • 06.07.2018 #1


3 Antworten ↓


Erstmal herzlich willkommen hier @jules266 .

Ich habe deinen Beitrag gelesen, obwohl ich schon längst schlafen sollte.
Aber Du hast es so gut beschrieben, dass ich mich richtig rein versetzen konnte.

Aber es liegt auch etwas daran, dass ich mein Leben so ähnlich wahrnehme wie Du!

Wahrscheinlich sind wir einfach zu sensibel, die Verletzungen des Lebens zu ertragen.

Man sollte sich immer vor Augen halten, es sind auch nur Menschen gewesen, die einem so große Steine in den Weg gelegt haben!

Diese dürfen die Macht über unser Leben nicht mehr besitzen!

Sie kommen uns nur so bedrohlich vor, weil die die Fähigkeit besitzen, unsere Gefühle zu verletzen!

Im Grunde genommen sind diese Situationen, wovor wir fürchten die Angst vor erlebten Gefühlen.

Aber was schreibe ich da?
Alles das weißt Du ja auch schon.

Will dir nur sagen dass Du nicht alleine bist.
Auch wenn ich viel älter bin als Du, sind die Spuren meiner Kindheit noch nicht im Sande verweht.

Aber wir finden einen Neuen!

A


Soziale Angst kontrolliert das ganze Leben

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Hallo jules,

schön Dich hier im Forum zu lesen.
Zitat:
Überwiegend verdränge ich meine Phobie


Ich steige mal gleich voll in Dein Thema ein. Deine Gefühle solltest Du nie verdrängen.
Verdrängst Du Deine Gefühle, werden sie Dich sehr wahrscheinlich an anderer Stelle als unerklärbare Ängste
neu ärgern. Dann verstehst Du aber meistens nicht mehr, warum die Ängste Dich dann ärgern.
Zitat:
In meinem Kopf geht so viel vor sich


Das ist bei allen Menschen so. Damit Du Dich gut fühlst, solltest Du in Deinem Kopf Regeln
aufstellen, die natürlich nur für Dich gelten. Dies ist so etwas, wie die Regeln, die unseren Verkehr auf den Straßen
regeln. Gäbe es keine Straßenverkehrsregeln, lief auch alles durcheinander.

Zu Deinem Abitur gratuliere ich Dir. Dies ist ein wichtiger Abschnitt, auf den Du stolz sein solltest.

Zitat:
Im Alter von 7 Jahren zog ich aus Polen nach Deutschland ohne auch nur ein einziges Wort Deutsch zu kennen. Die
Grundschulzeit hat mich dermaßen negativ geprägt, dass ich mich an eigentlich (mit Ausnahme von wenigen Situationen)
nichts mehr von diesen Jahren erinnere. Meine Lehrerin hatte kein Verständnis für mich, ließ die ganze Klasse mich
auslachen und gab mir durchgehend das Gefühl dumm zu sein.


Du beschreibst hier eine Prägung durch andere Menschen, die sehr gut die Ursache Deines geringen Selbstwertgefühles
sein kann. Mit etwas Mut, einiger Energie und Durchhaltewillen, kannst Du daran viel verbessern.
Dies geht jedoch am besten, wenn Du Gespräche in einer Therapie führst.
Zitat:
Mittlerweile fühle ich aber wie die Phobie Einfluss auf mein alltägliches Leben hat und ich nicht richtig funktionieren kann.


Das fühlst Du richtig. Du solltest mehr bewusst denken, weil Dein Unterbewusstsein Dir viel zu oft sagt, was Du
angeblich nicht kannst und nicht darfst.

Zitat:
Teilweise kriege ich es hin mir keine Gedanken um die soziale Angst zu machen, doch manchmal häuft sich so viel an und
fällt über mir zusammen. Ich habe das Bedürfnis den Kontakt zu allen abzubrechen, meinen Job zu kündigen und
einfach nur zu weinen.


Das ist doch gut, wenn Du es teilweise hinbekommst, wenig Angst zu haben.
Bitte breche Deine Kontakte nicht ab, kündige Deinen Job nicht und laufe auch nicht vor Deinen Gefühlen (Ängsten) weg.

Finde einen anderen Weg, Dich gut zu fühlen und auch einen Weg, über Deine Gefühle zu sprechen.
Dann wird es Dir mit der Zeit besser gehen.

Viele Grüße

Bernhard

Heyho
Erstmal: Herzlich wilkommen im Forum.

Ich habe bis vor ein paar Jahren auch noch sehr extrem an einer sozialen Phobie gelitten, allerdings ist es in den letzten 3 Jahren deutlich besser geworden, da ich mir über einige Sachen bewusst geworden bin. Daher möchte ich hier mal ein Paar Tipps und Erfahrungen mit dir Teilen, die mir in einigen ähn.lichen Situationen, wie du sie hier beschreibst, sehr geholfen haben. (keine Sorge, es hat nix mit Esoterik zu tun ) Vielleicht helfen sie dir ja auch.

Zitat von jules266:
Ich vermeide es mit Menschen zu reden, weil ich Angst habe, dass das was sie sagen, Kritik sein könnte, die mich verletzt.

Ein Problem, dass mir mehr als nur vertraut ist.
Frag dich doch einmal, warum dich diese Kritik so sehr verletzt. Woher kommt das?
Genau dort musst du dann ansetzen.
Bei mir war das Problem, dass ich mir selbst und meinen eigenen Fähigkeiten nicht vertraut habe. Mein selbstvertrauen ging gegen 0.
Was mir sehr geholfen hat, war nach jeder Situation in der ich glaubte etwas massiv falsch gemacht zu haben, diese aufzuschreiben und später,
wenn ich wieder halbwegs klar denken konnte, noch einmal revü passieren zu lassen. Einfach noch mal darüber nachdenken und völlig objektiv beurteilen, als würde man
nicht seine eigene Geschichte sondern die eines anderen lesen. Das hat mir klar gemacht, dass ich mich oft gar nicht so falsch verhalten habe.
Wir interpretieren oft viel mehr in solche als negativ empfundenen Situationen hinein als eigentlich da ist.

Zitat von jules266:
Ich habe mir bei der Arbeit einen gewissen Wohlfühlbereich geschaffen, doch merke nun, dass ich nicht ewig in diesem bleiben kann, sondern Situationen aufkommen bei denen ich über diesen hinweg treten muss


Da hast du völlig Recht, aber genau dass ist auch gut so! Gäbe es keine Situationen, die uns fordern, dann könnten wir uns nie weiter entwicklen und das ist doch eigentlich das Ziel oder nicht?
Sieh das Positive daran, egal wie du dich in einer Situation die dir unangenehm ist verhälst, du kannst immer nur daraus lernen. Völlig egal, ob du dich blamierst oder sie souverän meisterst.
Genau daran wächst man als Person.

Zitat von jules266:
Wieder blamiert, wieder eine Panikattacke, zittern, kurz vorm Weinen.

Da kann ich nur sagen: es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Jeder blamiert sich, vorallem die Personen die dich dafür runter machen wollen. Das machen sie oft nur,
weil sie sich an ihre eigenen Fehler zurück erinnern und versuchen mit ihrem Hohn ihre eigene Unsicherheit zu überspielen.
Wenn du fällst, dann steh wieder auf, wenn dich jemand schubst, dann schubs zurück. Du bist schließlich genauso viel Wert wie jede andere Person auch und dass solltest du dir
und denen, die versuchen dich kleiner zu machen als du bist, auch klarmachen.

Du sagtest am Anfang:
Zitat von jules266:
Überwiegend verdränge ich meine Phobie

Genau das ist der Fehler. Das war bei mir der Grund, warum ich mich Jahrelang im Kreis gedreht habe. Nimm das Problem an, und freue dich darüber, dass du es erkannt hast. Denn jetzt kannst du anfangen, daran zu Arbeiten.
Eines solltest du dir auf jeden Fall bewusst werden. Wenn du nicht an dir und vorallem deiner Einstellung dir selbst gegenüber zu arbeiten anfängst, dann wird sich auch nichts ändern.
Es ist nicht einfach, davon kann ich selbst ein Lied singen, aber es ist auch nicht unmöglich. Arbeite an dir und werde dir bewusst, wer du bist und für was du einstehst dann wirst du sehen,
dass es dir von Tag zu Tag leichter fällt den Alltag zu meistern und deine Standpunkte gegenüber anderen zu vertreten.

Ich wünsche dir jedenfalls alles gute und ganz viel Kraft, dass du diese Lebensphase gut durchstehst.
Liebe Grüße





Dr. Reinhard Pichler
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