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Hallo,
ich bin genervt von folgendem Problem:
In verschiedenen sozialen Situationen beginne ich zu zittern oder zu schwitzen. Das Zittern scheint vor allem aufzutreten, wenn ich mich intensiv unterhalte, insbesondere mit Fremden, oder in einer Gruppe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehe (z.B. wenn ich in der Selbsthilfegruppe, die ich besuche, anfange zu sprechen). Meist merke ich ein Zittern der Brustmuskeln und der Arme und Beine. Das wird wahrscheinlich nach außen hin kaum oder gar nicht auffallen, aber es nervt mich selbst und logischerweise verstärkt es jede Konzentration darauf nur.

Noch unangenehmer ist das Schwitzen - sei es nach einem Gespräch mit meiner Therapeutin, in Online-Meetings in denen man angesprochen werden könnte oder in Gruppen arbeitet, beim Telefonieren oder wenn ich mit weniger engen Freunden spreche. Ich habe keine Angst vorm Schwitzen, allerdings ist auch das nervig (muss immer Deo und Ersatz-T-Shirts einstecken) und unangehmerweise riecht es natürlich auch - worauf ich auch bereits angesprochen wurde. Gibt es eigentlich spezielle Deos, die insbesondere das letzte Problem etwas abmildern?

Die hinter dem Schwitzen und Zittern stehenden Gefühle sind mir leider nicht bewusst (Ich vermute Anspannung und Aufregung?), da ich eine äußerst schlechte Gefühlswahrnehmung und eine somatoforme Störung habe (zum Glück ist nach 1,5 Jahren Therapie von den vielen einstigen psychosomatischen Symptomen nur noch ein Kloß im Hals übrig).
Auch kann ich keinen Zusammenhang zu den konkreten Situationen herstellen. Manchmal kann ich mich stundenlang mit jemandem unbekannten unterhalten ohne zu zittern oder zu schwitzen, manchmal setzt es sofort ein.

Das Problem mit dem Zittern, wie auch mein geringes Interesse an sozialen Kontakten habe ich im Grunde schon immer - bereits im Kindergarten war ich Einzelgänger. Das versuche ich gerade zu ändern und ein befriedigendes Netz sozialer Kontakte aufzubauen, aber das fällt mir weder leicht, noch ändert es etwas daran, dass ich am liebsten allein bin, da mich insbesondere Unterhaltungen anstrengen.

Lässt das Schwitzen und Zittern erfahrungsgemäß nach, wenn ich nur genügend übe und mich bewusst solchen Situationen aussetze?

08.02.2023 12:05 • 08.02.2023 #1


3 Antworten ↓


Moin, nervöses Zittern, Schweißausbrüche, Unwohlsein, zittrige Stimme, uvm. sind klassische Symptome einer Sprech- bzw. Redeangst. Kann aber auch als Begleiterscheinung bei anderen Ängsten auftreten. Üben und sich den Situationen stellen hilft sicherlich. Bedeutender ist jedoch das Ergründen einer (oder mehrerer) Ursache(n). Was löst die Angst aus? Ein Beispiel könnte sein, dass man Angst hat bewertet zu werden. Man weiß, dass man gewisse Sachverhalte nicht so fundiert kommunizieren kann (wie andere), man vergleicht sich im Kopf oft mit den anderen, strebt aber gleichzeitig das Perfekte an. Oft ist es in dem Moment aber noch nicht perfekt und weiß, dass man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein wird. Quasi eine Erwartungshaltung an sich selbst. Man möchte anderen (meist allen) in einer solchen Gesprächsrunde gefallen, man will nicht anecken. Auch hier trägt der übermutige Ansatz dazu, dass sich Spannungen aufbauen. Negative Erfahrungen aus der Vergangenheit projizieren sich gerne in künftige Gespräche. Es gibt noch viele weitere Ursachen. Was sagst du? Sind schon mögliche Gründe aufgezählt?

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Schwitzen und Zittern

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Ich glaube du hast schon alle wahrscheinlichen Gründe gut aufgezählt. Insbesondere in Gruppen überlege ich immer bevor ich spreche, was ich sage und wie ich es ausdrücke, was anstrengend ist, da ich mich dann meist übermäßig förmlich ausdrücke und nicht locker sein kann. Auch mit anderen vergleiche ich mich viel zu oft (natürlich fast nur nach oben) und komme dann natürlich immer zu einem Ergebnis, der für meinen Selbstwert nicht förderlich ist. Auch gut möglich ist die Angst davor, etwas unwahres zu sagen oder andere indirekt zu kritisieren.
Wenn ich überlege, was davon widerum der Auslöser sein könnte, fällt mir zuerst mein narzisstischer Vater ein, gegen den ich irgendwann aufgehört habe zu widersprechen, da es ohnehin sinnlos war (und irgendwann einfach gar nichts mehr gesagt habe, da jede Kritik ohnehin aufs Übelste abgewehrt worden wäre), sowie ein Schulfreund, der mir auch unentwegt Vorschriften machte, wie ich mich zu verhalten und was ich zu sagen habe. Auch wenn letzteres schon 20 Jahre her ist, kann es natürlich gut sein, dass das unterbewusst noch aktiv ist.

Willkommen im Club. Gleiches bei mir seit Jahren. Spontan angefangen begleitet mich der Mist bis heute. Wir haben einfach gar keine Gesprächsspontanität mehr. Viel mehr ist es so, dass wir uns innerlich (bis wir dran sind zu reden) unseren Masterplan schmieden und dieser dann meistens nicht so aufgeht wie geplant. Das Ganze entlädt sich dann in solchen Symptomen meistens schon zu Gesprächsbeginn. Ich hatte Phasen, da habe ich Situationen aktiv gemieden, da es eben so präsent war. Das Vergleichen nach oben kenne ich bestens. Umso höher oder unbekannter der Personenkreis, umso ausgeprägter die Anspannung. Ehrlich gesagt habe ich dies noch nicht zu 100% gelöscht aber beruflich wie privat stelle ich mich dem. Was mir tatsächlich geholfen hat (ich habe es selbst nicht geglaubt), war, die Karten auf den Tisch zu legen.

Beispiel: Ein sich unbekannter Personenkreis (privat, Fotokurs) stellt sich der Reihe nach vor. Ich war Person Nr. 4. Natürlich ausreichend Zeit für mich, wieder Befürchtungen, Perfektionismus (für wen eigentlich?), etc. aufzubauen. Als ich dran war, war mein erster Satz: Seht es mir nach, ich habe hin und wieder Probleme vor Gruppen zu sprechen. Das habe ich in Momenten, in denen ich nicht mehr flüchten konnte, schon öfter gesagt und die Reaktion war fortan immer positiv. Natürlich waren meine Aussagen (wie ich sie zuvor schön gedanklich angelegt hatte) nicht perfekt aber die Anspannung hat sich jedes Mal in Sekunden deutlich gelegt. Probleme sind nicht immer sichtbar aber wir leben in Zeiten des Verständnisses und der Akzeptanz und das sollte man dann auch für sich nutzen.

Beruflich stehen wir morgens an einer Art Wandboard und erzählen den Fortschritt unserer Aufgaben und verschieben diese auf dieser Wand in Kategorien wie To-Do, Fertig, etc. Das Ritual fällt mir nicht schwer, meistens nicht. Als ich mal mitbekommen habe, dass die Chefetage (großer Konzern) sich unsere Routine mal anschauen und begleiten wollte, wurde ich nervös. Ich wusste nicht wann, ich wusste nur, dass ich vor Höheren reden muss und das perfekt. Perfekt weil? Wahrscheinlich nur aus intrinsischen Gründen. Um positiv aufzufallen? Um positiv bewertet zu werden? Um im Kopf zu bleiben? Um im Unternehmen nach oben zu kommen? Um besser zu sein? Glücklicherweise ist es nie zu der Situation gekommen

Ich würde von mir behaupten, dass ich mich gerne und faktenbasiert austausche. Das hängt natürlich auch vom Gegenüber ab. Ich habe für gewöhnlich nicht das Problem Sachverhalte auszudrücken, anderen etwas zu erklären, Herleitungen darzustellen, dass auch jemand Außenstehendes diese schnell und sicher versteht. Ich lasse andere Meinungen zu, ich mag Austausch. Mit mir kann man reden. Über die Welt und darüber hinaus. Ein Problem aber bleibt bestehen: Umso wichtiger (beruflich) das Thema und umso höher der/die Gegenüber, umso unpräziser werde ich. Hier merke ich einfach, dass mir die Angst bzw. die Erwartungshaltung selbst jegliche Spontanität raubt. Ich finde nicht mehr die perfekten Worte, ich habe danach immer das Gefühl, wie ich es hätte besser sagen sollen. Das ist heute auch noch so und für mich fast der lästigste Punkt.

Ich entschuldige meinen kleinen Ich-Exkurs... vielleicht erkennst du dich in einigen Sachen davon wieder?

Ich hatte mal ein Gespräch mit einem Kollegen über dieses Thema. Er bestätigte mir, dass sein Herz wohl auch schneller schlägt in Gesprächsmomenten. Er hat gelernt alles lockerer zu sehen und sagte nur: Sei nicht angespannt, sondern gespannt auf das was da kommt. Keiner will dir etwas Böses.

Gründe tief in der Vergangenheit zu finden ... ja das kann man machen, aber das löst selten bis gar nicht die aktuelle Ausprägung und Problematik. Oft ist das Erlernen einer Neubewertung der einzige Schritt für langfristige Besserung.





Dr. Reinhard Pichler
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