Zitat:Meine Angst blockiert mich ja nicht nur dort, viele Situationen werden im Leben zur Qual, einfach nur weil ich Angst hab. Deswegen geh ich ja auch vielen Situationen aus dem Weg, die mich im Leben eigentlich weiterbringen würden.
Und DAS ist das eigentliche Problem - jedenfall empfinde ich das, auf Grund Deiner Schilderungen so.
Es ist absolut normal, dass wir ALLE im Laufe unserer Entwicklung Phasen durchlaufen, und viele dieser Phasen bringen überhaupt erst Unsicherheit und zillionen von Fragen und Erkenntnisse mit sich. Hast Du Dir als kleines Mädchen allzuviele ernsthafte Gedanken über Dein Aussehen gemacht, oder über Deinen Tanzstil oder Deine Frisur oder über die Musik die Du magst? Das macht man als Kind auch nur, wenn einen die Eltern in unmögliche Klamotten stecken und einem einen Horrortopfschnitt verpassen...natürlich sind sone Sachen immer auch wichtig aber solange wir nicht von gleichaltrigen ausgelacht werden, und solange wir selbst nicht finden, wir sähen so gaaaaanz anders aus, als die anderen, ist erstmal alles ok...zum Problem wird DAS auch erst, wenn unser Bewußtsein erwacht und das fängt eben mit dem Beginn der Pubertät an auch schon mal Amok zu laufen genau wie unsere Hormone...gleichgültig ob wir uns als Kinder für die Super-Entertainer hielten und richtige Rampensäue waren oder ob wir uns schon immer in der Sicherheit der Gruppe wohlerfühlten oder still erstmal alles beobachtet haben...natürlich spielt auch die Erziehung eine große Rolle und das was wir uns alles von unseren Eltern abgucken...aber nach dem was Du berichtest, hattest Du durchaus positive Vorbilder und auch das Gefühl von Sicherheit in der Familie...schon alleine, dass Du mit Deiner Mutter über Deine Ängste und Symptome sprechen kannst ist doch ein Zeichen, dass Du Dich von den Eltern nicht verurteilt oder zu distanziert fühlst...
Mit 6-7 hattest Du keine Angst in der Gruppe eine Bühne zu bespielen, ab 9-10 kam vermutlich die Nervosität hoch, und mit der Pubertät die Unsicherheit, Selbstzweifel, die im besten Fall - aber auch nicht immer und ganz gewiss nicht alle - mit den Erfahrungen und Erlebnissen die man so sammelt rauswachsen etc...ich mein das jetzt nicht beschönigend, die Symptome, die Du jetzt hast, sind heftig und verstärken Deinen Eindruck nur noch mehr, dass mit Dir was nicht stimmt...aber soweit ich weiß, ist das ein ganz normaler Weg, je bewußter wir uns werden, je unsicherer werden wir auch, gerade wenn wir auf dem Weg keine anderen Strategien entwickelb (Shadow hat z.B. beschrieben, wie er seine Unsicherheit in bestimmten Situationen mit Alk. in den Griff zu kriegen glaubte - das ist eine Erfahrung die leider Gottes fast alle Teenager machen...es funktioniert ja, aber auf Dauer wird das zu einem riesen Problem und Fiasko - nicht die Unsicherheit an sich, sondern die Art und Weise wie er sie über Jahrzehnte versuchte sie zu ertränken - dardurch hat er sich selbst immer wieder versagt da raus zu wachsen und andere Erfahrungen im Umgang mit sich selbst zu machen) ...
Du machst Dir jetzt mit 21 natürlich viel mehr Gedanken über alles als mit 6 oder 7 ODER 16-17...das ist z.B. ein Faktor, den wir vielleicht auch nicht so ganz aus den Augen lassen sollten. Du schreibst, dass Deine Klassenkameraden bis zu 4 Jahre jünger sind, als Du - wie ich vermute, vergleichst Du Dich bestimmt auch mit diesen Teenagern, wenn es um Deine Selbstsicherheit geht und erwartest mehr oder minder von Dir selbst, dass Du in bestimmten Situationen selbstbewußter und selbstsicherer reagieren und agieren können müßtest...Das ist z.B. etwas was ganz vielen routinierten Rednern unglaublich schwer fällt...Ich weiß nicht, ob Dir das weiter hilft, da Du ja offenbar auch beruflich öfter in Situationen kommen wirst, wo Du etwas vorstellen/präsentieren mußt....aber mach Dir mal ganz deutlich, dass Vor großem Publikum reden und präsentieren können nicht unbedingt etwas mit Selbstsicherheit und Selbstbewußtsein zu tun hat...ich kenne Künstler, die könnten ganz locker vor 200.000 Leuten auftreten und sprechen - die aber in kleiner privater Runde völlig verunsichert reagieren, wenn sie den Leuten ins Gesicht gucken können, wenn sie spontan und flexibel auf ihre Gesprächspartner eingehen sollen, wenn ihre Stimme nicht per Amplifier o.ä. verstärkt wird etc....das eine hat mit dem anderen nach meiner Erfahrung und Beobachtung nicht unbedingt was miteinander zu tun.
Dein Thera hat in einem Recht...man kann durch Training und Widerholung lernen vor größeren Gruppen zu sprechen und Vorträge zu halten...ABER: die große Frage ist, ob Du das für Dich überhaupt für notwendig hälst...weißt Du was ich meine? Mal etwas differenzierter an die unterschiedlichen Situationen und Herausforderungen rangehen...sich mal wirklich genau überlegen, wann und in welchem Zusammenhang das für Dich und Dein Leben tatsächlich auch dauerhaft notwendig sein wird..
Ich hab einige Freundinnen, in meinem Alter (40+), die organisieren, deligieren, bestimmen und managen 2 und mehr Kinder, n Mann, ein Haushalt und managen nebenher noch einen Vollzeitjob und das Leben ihrer Vorgesetzen...die eine kriegt Durchfall und Schweißausbrüche, wenn sie bei irgendeiner unwichtigen Fortbildung die Hand heben soll um den Dozenten/Lehrer irgendwas zu fragen (obwohl sie den meisten Dozenten ganz locker selbst was beibringen könnte) und die andere kriegt das große Zittern, wenn sie zur Elternversammlung ihrer Kinder soll...keine von beiden (und ich kenne die schon seit fast 30 Jahren) hatten derlei Probleme oder Hemmungen während ihrer Kindheit oder Schulzeit und keine von beiden könnte auch nur annähernd sagen, dass da später mal irgendetwas vorgefallen wäre...ich kenne einen Soldaten, der ist seit über 20 Jahren als Ausbilder tätig und war schon sehr, sehr oft in wirklich lebensbedrohlichen Kriegsgebieten im Einsatz...den solltest Du sehen, wenn er ne Frau ansprechen möchte, die ihm gefällt...alt junger Kerl und Teenager hatte er damit null Probleme, ganz im Gegenteil...
All diese Leute sind doch nicht generell gestört und/oder krank...es sind diese ganz bestimmten Situationen und Momente in denen sie sich selbst und ihrer Unsicherheit bewußt werden, wo sie anfangen darüber nachzudenken, was alles schief gehen könnte, und wie sie sich dann fühlen werden, wo sie halt nicht routiniert funktionieren...da wird also vielleicht schon mal ein Gefühl angenommen und ausgelebt, dass noch gar nicht an der Reihe ist... sozusagen, das gleiche wie Vorfreude nur eben das negative...Vorunglücklichsein...wenn Du das aber mittlerweile auch in ganz andere Lebenssituationen mitnimmst - dann ist das auch sowas wie ne antrainierte Routine...nach dem unbewußten Motto: Wenn ich schon vorher verkrampfe und mein Versagen auf der emotionellen Ebene vorziehe dann brauch ich mich später nicht mehr damit auseinander setzen...noch fieser kann es mir nicht mehr gehen.
Das mit dem selbst vor anderen abwerten kenn ich auch von mir und mach ich auch...das nervt einige Leute gewaltig...aber die, die mich kennen, wissen auch ganz genau, wie ich das meine...meistens ist das entweder ich mach das lieber selbst und gönne es anderen nicht oder mit nem Augenzwinkern...auf diese Weise kann mir keiner irgendwas an den Kopf werfen was ich nicht schon gehört oder selbst von mir behauptet habe
DAS nervt die meisten Leute...wenn mir z.b. meine Mutter irgendwas vorwirft oder an mir kritisiert dann kann ich ganz cool sagen Ich weiß, ist mir auch schon aufgefallen - wenn mich ein Vorgesetzter kritisiert muß ich aber sofort unterscheiden können ob das eine persönliche oder professionelle Kritik ist...ob der meine Arbeit oder meine Person kritisiert etc...weißt Du was ich meine? Niemand wird gerne kritisiert und mir kann auch keiner erzählen, dass er/sie professionelle Kritik sofort als solche wahrnimmt, ausgewertet und umsetzt ...es geht erstmal nur darum ob man selbst auf der persönlichen oder professionellen Ebene unsicher ist...dass man da für sich selbst auch einen Unterschied macht und nicht generell von sich behauptet Ich bin unsicher und ängstlich...sondern für sich selbst erstmal rausfindet in welchem Bereich man die stärkste Unsicherheit wahrnimmt...und das auch wirklich im Detail...nur nicht selbst in irgendwelche generellen/allumfassenden Schubladen packen...das führt nämlich dazu, dass man dann vermutlich auch schon im Sinne des funktionierenden Vorunglücklichseins neue Erfahrungen ganz und gar vermeidet, wenn es sich einrichten läßt...und wenn man das kann, dann braucht man ja auch keine neuen Methoden lernen...
Nicht falsch verstehen, ich halt nix von Du mußt mal positiver und selbstbewußter werden...wenn das Vorunglücklichsein (inklusive körperlicher Symptome) und Vermeiden einen lange vor echten Katastrophen und echten Dramen bewahrt hat, dann kann man seinen Körper und Geist vermutlich nur sehr schwer davon überzeugen, dass er das jetzt mal sein lassen und echte Risiken und was neues ausprobieren soll...da braucht es schon eine ganz konkrete Motivation und vielleicht ein ganz genaues Ziel...generell zu sagen jetzt mal generell und allumfassend anders rangehen... funktioniert bei mir auch nicht. Ich wüßte auch nicht, wozu ich lernen sollte, VOR Publikum Reden zu halten und Vorträge zu halten...ich brauch das nicht, weder für mein Ego noch für meinen Beruf...und im privaten Bereich gibt es auch immer Leute, die derlei Jobs sehr gerne und freiwillig übernehmen...
20.01.2008 19:45 • #21