Habs mir fast gedacht - hierzu ein paar Anmerkungen:
Die klassische Lehre der Zwangsverfestigung:
Schuldgefühle sind ein ganz typisches Erkennungsmerkmal von Zwangsgedanken und -handlungen. Du darfst hier nicht den (nachvollziehbaren) Fehler machen, Korrelation mit Kausalität zu verwechseln.
Wenn Du also vor etwas auf der Hut sein willst, dann vor allem vor den Zwängen und nicht vor den Gedanken oder Themen, die die Zwänge auslösen (Vortragssituation, meine Wirkung auf Andere etc.).
Du kannst Zwänge ziemlich gut mit A.l.k.- oder Tablettenmissbrauch vergleichen: Immer wenn ein Gedanke oder eine Situation Dir Unbehagen bereitet, reagierst Du mit Konsum der D.r.o.g.e. Im Fall von Gedankenmissbrauch hast Du Dir anstelle von Substanzen eben Gedanken oder Handlungen als Reaktion angewöhnt!
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich idR um eine schleichende Entwicklung handelt. Sie durchläuft mehrere Stadien:
1. Hypothetische Gedanken, Fantasien, Wunschgedanken (Was wäre, wenn...?)
2. Wiederholung, Gewöhnung an diese Gedankenreaktion.
3. Adaption (die Gedanken müssen häufiger und intensiver erfolgen, um den beruhigenden Effekt zu erzielen). Ich denke darüber nach/ich fürchte mich davor - also kümmere ich mich darum und komme so meiner Verantwortung nach (!)
4. Kontrollverlust (die Gedanken oder Handlungen werden zum Zwang und erfüllen gleichzeitig nicht mehr ihren Beruhigungszweck).
5. Zwangserkrankung (ein Leben ohne Zwänge erscheint unmöglich. Die freie Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und die Lebensqualität sinkt merkbar. Depressionen und Angststörungen entwickeln sich).
In der Regel wird einem die Misere erst ab Stadium 4 so richtig bewusst.
Denken und Gedanken sind zwei verschiedene Dinge - nichtsdestotrotz gehen sie Hand in Hand. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis der Geistesfunktion. Am Denkvorgang sind neben den Gedanken(objekten) immer auch Gefühle und damit verbundene Bewertungen beteiligt. Ebenso bilden und verändern sie die Wahrnehmung und das Bewusstsein.
Das Bewusstsein von Mike_44 beinhaltet u. a., dass sich irgendeine Sache so und so verhält (Möglichkeit des Versagens o. ä.) - es hat sich(!) eine Meinung gebildet und hält diese für richtig. In Wirklichkeit ist aber diese Meinung eine rein subjektive Sache, die mit der objektiven Lage der Dinge überhaupt nichts zu tun hat. Obgleich Dir der letzte Satz bestimmt einleuchtet, verhält sich das Bewusstsein völlig anders: Im Fall von gegensätzllichen Behauptungen anderer entstehen (automatisch und unbewusst) Gefühle unangenehmer Art. Hingegen im Fall von bestätigenden Äußerungen von außen entstehen (ebenfalls automatisch und unbewusst) Gefühle angenehmer Art. Unmittelbar mit den Gefühlen entstehen die o. g. Bewertungen. Unsere (Für-)Wahrnehmung ist bereits von diesen Bewertungen gefärbt und somit alles andere als neutral oder objektiv. Das alles ist der passive und idR unbewusste (!) Part des Vorgangs.
Der aktive Part ist unsere - und jetzt kommt´s - bewusste Reaktion. Diese Reaktion erfolgt in dreierlei Gestalt: Erneute Gedanken, Rede und/oder Tat. Sie kann mehrgestaltig auftreten, aber niemals ohne Gedanken.
Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man, dass diese bewussten Reaktionen eigentlich eine Art Kompensationshandlung darstellen. Wir wollen (müssen!) uns dazu äußern. Das ist auch der Grund, weshalb viele Psychologen sagen dass wir unserer Meinung Luft machen sollen indem wir sowohl verbal als auch körperlich Klartext reden. Das Bewusstsein ist also eigentlich ständig getrieben. Getrieben von was? Von den Sinneseindrücken und der unbewussten, passiven, automatischen (internen) Beantwortung durch Gefühl und Bewertung (s. o.).
Die Grübelei wie Du sie nennst ist ein innerer Disput, ein Spannungsverhältnis zwischen Ich und Welt. Tatsächlich ist solch ein Gegrübel ein nicht zu unterschätzendes existenzielles Problem und somit auch nur schwer abzulegen, wenn man die o. g. Abläufe nicht auf dem Schirm hat.
Weshalb ist es existenziell und schwer abzulegen? Weil das (vermeintliche) Ich (Selbst, Ego) sich aus diesem o. g. Ablauf zusammensetzt! Und zwar aus nichts anderem!
Wenn mich nun jemand kritisiert (oder vermeintlich kritisch zu mir steht), fühlt sich mein Bewusstsein bedroht - da es nicht mit meinem Selbst-Bild übereinstimmt. Wenn mich jemand lobt - vica versa.
Die Lösung für Grübelei liegt schlicht in der achtsamen Repertorisierung des eben Gesagten. Am besten täglich und öfters. Sofern man das Verstehen der o. g. Abläufe verinnerlicht und am eigenen Geist und Körper erfährt, erwächst zunehmend geistige Freiheit. Ganz nebenher erledigen sich viele aus unseren o. g. (aktiven) Reaktionen resultierenden Probleme. U. a. auch Schuldgefühle, Angst, Panik...
Das war jetzt sehr kompakt und vielleicht könnte man es auch simpler vermitteln. Bitte entschuldige meinen Stil - er ist für mich (!) ideal um meine Einsichten zu formulieren aber ich kann mir vorstellen, dass er für andere bisweilen etwas trocken und verwirrend wirkt.
Alles Gute Dir!
18.10.2021 17:21 •
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