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Hey!

Ich (24 Jahre alt) habe seit vielen Jahren das Problem, dass ich immer wieder das Gefühl habe, von einem Großteil meiner Mitmenschen abgelehnt zu werden. (Ich glaube nicht, dass es an meinem Aussehen liegen könnte)

Verstärkt habe ich das zum Beispiel bei Arbeitskollegen bemerkt: Meinen Nebenjob habe ich immer ernst genommen und ich war auch sehr bemüht alles richtig zu machen. Trotzdem stellte sich bei mir nach einigen Wochen das Gefühl ein, dass ich nicht willkommen bin. Kollegen redeten hinter meinem Rücken über mich und meine Chefin erklärte mir, dass ich mich wie eine Aussätzige verhalten würde, während sie mich voller Mitleid anschaute. (Das könnte eventuell auch daran gelegen haben, dass ich die einzige junge Studentin unter vielen älteren Frauen war?)
Genauso äußert sich das in meinen bisherigen kurzen, gescheiterten Liebesbeziehungen: Ich lerne jemanden kennen, man versteht sich einige Wochen ziemlich gut und plötzlich wendet man sich von mir ab. Häufig stelle ich mir dann die Frage, ob ich zu langweilig und uninteressant bin. Es tritt eine Gedankenschleife ein, die ich erst nach Monaten wieder abstellen kann. Ich frage mich Tag und Nacht, was ich falsch mache oder was mein Gegenüber für Gründe haben könnte.
Im Bekanntenkreis erlebe ich zum Beispiel Gesprächsrunden, in denen meine Beiträge einfach ignoriert oder überhört werden. Beiträge anderer Leute sind dann plötzlich immer viel interessanter. Derartige Probleme habe ich im Freundeskreis sogar schon angesprochen, was mich sehr viel Überwindung gekostet hat. Allerdings haben diese Klärungsversuche dann das Gegenteilige bewirkt: Es wurde abgestritten, dass man ein Problem mit mir hätte. Doch trotzdem meine ich dann immer erkennen zu können, dass man doch ein Problem mit mir hat und es aber nicht sagen will. Immer wieder bin ich fest davon überzeugt, dass ich mir das nicht einbilde und dass ich die Menschen genau durchschauen kann.
(Einige Freunde von mir haben in letzter Zeit nochmal betont, dass ich ziemlich „eigen“ wäre und manchmal etwas gefühlskalt wirke.)

Bei mir hat sich mittlerweile deswegen schon vor vielen Jahren ein ganz seltsames Denken eingestellt: Besonders, wenn ich neue Leute kennen lerne, achte ich extrem auf deren Reaktionen (Mimik, Gestik usw.), um genau einschätzen zu können, ob ich geschätzt und anerkannt werde. Oft kreisen meine Gedanken schon während des Gesprächs auch darum, wie ich in diesem Moment auf mein Gegenüber wirken könnte. Somit versuche ich mein Verhalten immer genau an die jeweilige Situation anzupassen.

Mittlerweile habe ich erkannt, dass die Reaktionen der Mitmenschen extrem durch die eigene Unsicherheit beeinflusst werden können. Dh.: Verschließe ich mich gegenüber neuen Bekanntschaften, dann wirkt das seltsam und man reagiert ebenfalls in einer komischen Art und Weise auf mich. Selbst Versuche, bei denen ich mich mal öffnete, sind einfach fehlgeschlagen. In ganz kritischen Phasen versinke ich komplett in Selbstmitleid, resigniere, schotte mich ab und frage mich, warum man seine Mitmenschen so behandeln muss. Ich bin auch sehr nachtragend und kann meinen Mitmenschen nur schwer Fehler verzeihen.
Hinzu kommt noch, dass ich nicht mehr so sein kann, wie ich bin. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wer ich bin. Ich kann mich einfach nicht einschätzen. Ich weiß einfach nicht, wie ich auf andere Menschen wirke und wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten soll.

Vor wenigen Monaten habe ich eine Therapie begonnen, in der ich mich mit meinen episodischen Depressionen und meiner Sozialen Phobie auseinandersetzen soll. Allerdings stehe ich da noch in den Anfängen und bin noch nicht so weit. Nun versuche ich aber schon seit einigen Monaten dieses Problem zu verstehen und dachte mir, dass das Forum ein ganz guter Ansatz wäre.

- Habt ihr bisher auch schon so ähnliche Erfahrungen gemacht und wenn ja, wie geht ihr damit um?
- Liegt das Problem darin, dass ich zu Überinterpretationen neige oder ist ein Großteil der Menschen einfach so unehrlich?
- Wie kommt es überhaupt zu Denkmustern, bei denen man alles überinterpretiert?

Liebe Grüße an alle und Danke!

28.06.2017 15:09 • 01.09.2023 x 2 #1


5 Antworten ↓


Sei mir bitte nicht böse, aber es scheint für mich, dass du extrem darauf achtest, was andere von dir halten (um genau einschätzen zu können, ob ich geschätzt und anerkannt werde) um daraus dein Selbstbewusstsein zu beziehen (versinke ich komplett in Selbstmitleid). Du scheinst dich auch anzupassen zu wollen, nur um das zu erreichen (Hinzu kommt noch, dass ich nicht mehr so sein kann, wie ich bin.), falls das jetzt der Grund für diesen Satz ist.

Das ist aber imo der komplett falsche Weg. Sowas führt nur zur Selbstverleugnung und gegenfalls -zerstörung. Du gibst quasi dich selbst auf und eine Person zu spielen, die andere sich wünschen. Wenn du zurückhaltend oder schüchtern bist ist das eben so. Wenn eine Person mit dir nicht so richtig klar kommt, liegt das vermutlich nicht an dir, und vermutlich nicht an der anderen Person. Oder anderst ausgedrückt: Nur weil Ketchup nicht zu Eis passt ist keins von beiden schlecht.

Du neigst sicher zur Überinterpretation, aber eigendlich tun das die meisten Menschen, die ich kenne. Allerdings habe ich meistens nur Kontakt mit Menschen die viel nachdenken, da ich mich zu denen eher hingezogen fühle. Und das ist gut so, du scheinst viel nachzudenken und zu reflektieren. Nur leider schafft besonderst sowas ständig viel Angst und Unsicherheit.

Möglicherweise ist es sogar von Vorteil. Eine gefühlskalte Entscheidung ist mir immer lieber als eine emotionale, da sie auf Logik aufbaut. Und wenn man sich den Durchschnitt der Menschen anschaut (siehe z. B. random 8 von 10 Posts in sozialen Netzen) ist es doch fraglich, ob man wirklich mit denen in eine Schublade gesteckt werden will.
Also Kopf hoch, sei einfach so wie du bist und ignoriere mal probeweise eine Zeit lang was andere von dir denken und wie du auf sie wirkst. Ich vermute, dass wird dein Problem bereits lösen.

A


Reaktionen von Mitmenschen überinterpretieren

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Danke für deine ausführliche Offenheit.

Du beschreibst es selbst schon als Überinterpretation, und das ist es auch.
Geringer Selbstwert führt zwangsläufig zur Suche der Aufbesserung des Selbstwert durch Bestätigung anderer.
Manche Menschen sehen Beziehungen auch negativer als sie sind, was bei dir auch der Fall zu sein scheint.
Eine schwierige Kombination.

Die Unklarheiten und gefühlten Abneigungen die du spürst und meinst zu sehen, lassen sich nur durch ansprechen oder Rückfragen bei anderen auflösen.
Wie du es wie du sagst in mindestens einem Fall versucht hast zu tun.
Wenn dir dein Freundeskreis dann sagt dass deine negative Interpretation falsch ist, was veranlasst dich dazu ihnen nicht zu glauben? Wenn es Freunde sind und sie gerne Zeit mit dir verbringen, dann scheint dich der geringe Selbstwert offensichtlich dazu zu verleiten Beziehungen negativer zu sehen als sie tatsächlich sind. Rufe dir das immer wieder ins Gedächtnis wenn du negative Gedanken bekommst. Menschen verbringen gerne Zeit mit dir. Du wirst geschätzt.

Wenn die andere Person wirklich nichts von dir wissen will wirst du es schon deutlich erkennen können. Und wenn nicht, dann hast du auch keinen direkten Einfluss drauf.
Wichtig: Du kannst nicht jeder Person gefallen. Manchen passt nur ein äußerlicher Aspekt oder Aspekt der Persönlichkeit nicht für den du nichts kannst. Dann ist das eben so. Und das ist okay.

Wenn deine Chefin sagt wie eine Aussätzige wäre natürlich interessant wie sie darauf kommt. Diese Aussage so stehen zu lassen (und nicht nachzufragen) lässt dir natürlich ungemein viel Interpretationsspielraum. Spielraum den du offensichtlich mit negativen Gedanken befüllst. Diese Gedanken bringen aber keinen weiter, sondern rauben dir nur Energie.

Die einzige junge Person unter älteren Personen zu sein halte ich übrigens für keineswegs problematisch. Ich habe mich schon super mit größtenteils oder ausschließlich älteren Personen verstanden.

Dass in einer Gruppe die eigenen Aussagen untergehen, oder man gar nicht zu Wort kommt kenne ich. Es gibt nun mal Personen die in lauten Gesprächsrunden, in denen man um das Wort ringen muss, und womöglich eine gewisse Dominanz mitbringen muss gibt es. Aber dafür ist nicht jeder gemacht.
Im Sinne der Evolution sind wir Menschen alle unterschiedlich - also aus gutem Grund. Ich habe am liebsten sinnige Zweigespräche. Bei Gruppen bin ich eher zurückhaltend bis stumm. Zuhören und (ggf) mitlachen ist auch in Ordnung. Man muss nicht immer etwas beisteuern.

Warum du gefühlskalt erscheinen könntest weiß ich natürlich nicht. Aber wenn du es bist ist das auch nicht schlimm. Manche sind empathischer als andere, manche sind wärmer oder kälter, rationaler oder impulsiver.

Dass du bereits Experimente durchführst mit deinem eigenen Verhalten als Variable und den Reaktionen der anderen als zu untersuchenden Aspekt ist natürlich bezeichnend.
Aber die Umgebungsfaktoren wie unterschiedliche Persönlichkeiten als Gegenüber, aktuelle Stimmung jener Person, und Ort des Geschehens kannst du sicher nicht adäquat überblicken.
Diese Experimente zur Selbstoptimierung durchzuführen führt dich nur weiter diesen falschen Weg entlang - voller Selbstzweifel und sich verändern müssen, auf Basis von womöglich falschen Vermutungen.


Du musst lernen dich selbst so anzunehmen wie du bist, ohne ständige Korrektur im Kopf. Es ist okay zu sein wie man ist. Es werden einen zwangsläufig nicht alle mögen, so wie man selbst auch nicht alle mögen können wird.
Die eigene Interpretation des Gegenübers ist möglicherweise fehlerhaft. Aufgrund deiner Schilderungen wohl zu stark negativ belastet. Versuche die Einschätzungen ganz fallen zu lassen beziehungsweise rational nur durch die Taten zu korrigieren. Wenn du jemanden einlädst und er kommt, dann will er offensichtlich Zeit mit dir verbringen, und schätzt dich so wie du bist.

Zitat von kpls93:
Liegt das Problem darin, dass ich zu Überinterpretationen neige oder ist ein Großteil der Menschen einfach so unehrlich?


Nun es kommt immer darauf an was man als unehrlich meint. Wenn ich Morgens mit Kopfschmerzen nach viel zu wenig Schlaf aufwache und mir dann noch die Zunge am Kaffee verbrenne und zusätzlich noch das Auto auf halber Strecke zu Arbeit den Geist aufgibt und mich dann ein Kollege begrüßt mit den Worten Guten Morgen! Du bist heute aber Spät dran.. Dann denke ich auch du BEEP BEEP und BEEP, trotzdem sage ich Ja alles bestens!, obwohl ich eigentlich um ehrlich zu sein im was ganz anderes sagen müsste

Zitat von kpls93:
Wie kommt es überhaupt zu Denkmustern, bei denen man alles überinterpretiert?

Ein ganz simpler Erklärungsversuch wäre, Du bist einfach zu sensibel . Ganz wichtig, dass soll jetzt nicht böse gemeint sein! Wenn ich deinen Beitrag so lese würde ich dich eher als schüchtern und stark introvertiert einschätzen. Wenn du nun noch sehr sensibel bist, dann kannst du ganz schnell vieles anders interpretieren als es gemeint ist. Eine abweisende Haltung von deinem Arbeitskollegen kann z.B daran liegen das er dich nicht leiden kann, es kann aber auch einfach daran liegen das er selbst ein Mensch mit vielen Problemen und Verpflichtungen ist oder einfach einen Tag wie oben in meinem Beispiel beschrieben hatte.

Zitat von kpls93:
Habt ihr bisher auch schon so ähnliche Erfahrungen gemacht und wenn ja, wie geht ihr damit um?

Ja, ich bin ebenfalls sehr sensibel bei solchen Sachen. Ich selbst bin eher ein Typ der immer kontrolliert ist. Wenn ich den schlechtesten Tag hatte den man sich auch nur vorstellen kann, dann wird dies an der Arbeit bei mir keiner merken, weil ich ganz klar Arbeit und andere Dinge trenne. Ich erwarte so etwas auch von anderen mir gegenüber, aber das kann nun mal nicht jeder so gut wie ich. Da kann eben mal die Schelte vom Vorgesetzten bei anderen schlechte Laune auslösen wo ich denke er ist heute irgendwie komisch zu mir, obwohl es garnicht so ist, oder so gemeint ist.

Ich für meinen Teil mache einfach mein Ding ordentlich und zuverlässig, dann muss ich auch keine Angst vor irgendwas haben. Allgemein habe ich inzwischen gelernt mich nicht um das was andere über mich denken zu kümmern. Es spielt nämlich keine Rolle, egal was ich mache, ein anderer hat eh seine Meinung über mich ob sie mir gefällt oder nicht. Wenn ich mir das nun zu Herzen nehme, dann ändert das überhaupt nichts sondern belastet nur mich und nicht ihn.

Dieses Problem kenne ich auch.
Ich achte auch extrem auf jede kleine Reaktion und bin extrem misstrauisch.
Leider habe ich auch noch keine Lösung gefunden.

nicht mehr aktuell.
Bitte nicht mehr antworten.





Dr. Reinhard Pichler
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