Vielleicht kann mir jemand Tipps geben oder sich zumindest meinen Beitrag durchlesen, ich glaube, auch damit wäre mir vielleicht geholfen - wenn mich jemand versteht. Vielleicht hilft es mir aber auch schon, hier meine Gedanken zu sortieren.
Zu mir: Ich bin 22 Jahre alt, Studentin, und befinde mich derzeit im Rahmen meines Studiums im Ausland (Japan). Ich hatte schon immer Probleme damit, Referate etc. zu halten, wobei es in der Schule am schlimmsten war - das ging soweit, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich im Sitzen weitersprechen musste, weil mich meine Beine nicht mehr hielten (umgefallen bin ich jedoch nicht, aber ich glaube, ich war kurz davor), oder dass ich keine Luft bekam und förmlich nach Luft ringen musste. Richtige Sätze kamen dabei selbstverständlich nicht heraus. Wo es ging, habe ich mich vor Referaten gedrückt. Obwohl ich relativ gut in der Schule war (vor allem schriftlich), habe ich meine mündliche Abitur-Prüfung verhauen - auch hier konnte ich nicht richtig denken, atmen, sprechen. Ich gehöre wohl zu den wenigen Leuten, die, wenn sie die Wahl haben, eine Klausur der mündlichen Prüfung vorziehen. Auch, wenn es um das bloße Vorlesen eines Textes aus dem Buch ging, hatte ich Schwierigkeiten, Luft zu bekommen. Daheim für mich lese ich sehr gerne.
Meine Lehrer sagten immer, so wird das nichts, in der Uni musst du noch mehr Referate halten, du kannst dich nicht immer drücken. Dennoch tat ich das, so oft es ging.
Nach der Schule habe ich sofort mit meinem Studium begonnen - Japanologie und Anglistik. Es war und ist immer noch meine Traumkombination und auch wenn meine Lehrer Recht hatten, dass ich hier Referate halten muss, so sind es doch nicht so viele wie befürchtet - und vor allem: Nur selten muss ich wirklich ganz alleine da vorne stehen. Vorträge zu zweit oder in Gruppen sind kein Problem für mich. Solange ich nicht alleine da vorne stehe, geht es mir gut. Und in den Fällen, wo ich dann wirklich alleine vorne war, ging es trotzdem. Ich weiß nicht genau, wieso, aber in meinem Studium fühle ich mich deutlich wohler als damals in der Schule; ich denke, das könnte ein Grund sein.
Und so dachte ich lange, es würde besser. Ich hatte meine Angst vielleicht nicht überwunden, aber zumindest einigermaßen im Griff.
Nun zur aktuellen Situation: Wie bereits gesagt, verbringe ich gerade zwei Auslandssemester in Japan. Auch hier musste ich im Sprachkurs bereits einige Vorträge halten - zu zweit oder auch alleine. Auch wenn ich da doch ziemlich aufgeregt war (ich bin von meinen Sprachkenntnissen nicht allzu überzeugt), liefen die meisten ganz gut - vielleicht auch deshalb, weil ich mich eine Ewigkeit darauf vorbereitet habe. Und ich mag die Leute um mich herum - die anderen Austauschstudenten, meine Lehrer. Alles wunderbar.
Bis auf eines: Am Freitag findet hier der Redewettbewerb für Austauschstudenten statt. Meine Rede ist soweit fertig, ich finde sie auch gar nicht so übel und bisher ging es mir auch soweit gut (vielleicht war ich aber auch nur zu abgelenkt, daran zu denken). Gestern Abend aber wurde mir erst richtig bewusst, dass ich Freitag auf einer Bühne stehen muss und eine Rede (meine erste überhaupt!) halten - vor mehreren Hundert Leuten. Und da fing die Panik an, die ich lange nicht mehr verspürt habe: Mein Herz begann zu rasen, mein Verstand arbeitete nicht richtig und ich bekam feuchte Hände, vor meinen Augen immer wieder ich, wie ich versage. Pure Angst, diese Rede halten zu müssen.
Die Übungen mit meiner Lehrerin und in Kleingruppen von 4-5 Leuten waren kein Problem, im Gegenteil, ich bekam sogar Lob für meine Aussprache und alle meinten, meine Rede sei inhaltlich auch sehr gut.
Nach Möglichkeit sollen wir sie auswendig können und so wenig wie möglich auf unser Blatt schauen. Und wenn ich daheim übe, dann kann ich sie auch - ich bin aber sicher, wenn ich dann Freitag da stehe, habe ich alles wieder vergessen.
Heute war eine richtige Probe im Saal. Jeder sollte auf die Bühne und seine Rede schon mal vortragen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Bevor ich an die Reihe kam, merkte ich nicht viel, nur ein Grummeln im Magen - gut, das geht noch, dachte ich mir. Als ich dann jedoch aufgerufen wurde, fing es an: Meine Beine zitterten wieder wie bekloppt, ich spürte, wie ich rot anlief und als ich dann anfangen wollte, fiel mir absolut nichts mehr ein, sodass ich ablesen musste. Ich verlas mich andauernd, bekam wieder keine Luft, stockte alle paar Worte und bekam keinen geraden Satz heraus. Ich musste mich am Pult festhalten, um nicht umzufallen. Gegen Mitte war mein Hals plötzlich trocken, ich konnte nicht mehr sprechen, musste husten und glaubte zu ersticken. Irgendwann machte ich dann weiter, verhaspelte mich ohne Ende und schwitzte wie verrückt. Ich wollte weinen, mich verkrümeln, aber das konnte ich natürlich nicht - also lachte ich, weil es so peinlich war. Ich redete mir ein, wenn ich lächle, wird alles gut. Es wurde nicht gut, aber immerhin hielt ich mich so vor dem kompletten Zusammenbruch ab. Als es vorbei war, hastete ich zu meinem Sitz und wollte niemanden anschauen. Ein Kommilitone meinte zwar später, es sei gut gewesen, aber wieso habe ich dann diesen Horror erlebt? Auch meine Lehrerin meinte am Ende, ich sei gut, das wäre nur die Aufregung. Natürlich war es die Aufregung, aber ich meine, fast alle sind aufgeregt, aber niemand wirkt auch nur ansatzweise so erbärmlich wie ich. Oder ist es nur Einbildung? Ich weiß es nicht.
Mein Kopf sagt mir: Hey, du kannst es, die anderen sind auch aufgeregt, so schlimm ist es nicht, dein Text ist gut und es sind nur ein paar Minuten. Mein Körper aber macht das nicht mit. Es ist so unangenehm.
Wieso habe ich so ein Problem damit, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen?
Und das ist nur bei größeren Gruppen der Fall sowie bei Menschen, die ich nicht kenne. Mit meinen Freunden kann ich ohne Probleme reden, ich glaube, ich sage sogar sehr viel. Als Kind war ich sehr sehr schüchtern, aber das hat sich zum Glück mit der Zeit gelegt.
Meine Lehrerin ist sehr verständnisvoll; ich war letztens bei ihr in der Sprechstunde und habe ihr mein Problem geschildert. Sie sagte, ich soll bei den Proben schauen, wie es mir geht und dann überlegen, ob ich es machen will. Wenn gar nichts geht, kann ich zur Not sogar Freitagmorgen noch zu ihr kommen und sagen, dass ich das nicht schaffe. Das ist unheimlich lieb von ihr, aber irgendwo sagt mir mein Stolz, dass ich das nicht machen kann. Ich bin recht ehrgeizig; sich einfach zu drücken, wäre einfach zu bequem. Ich will diese Angst besiegen, ich will es besser machen, ich will diese Rede halten, ich will sie gut halten, ich will es einfach schaffen. Ich glaube/hoffe, wenn ich diese Rede (auf Japanisch) schaffe, machen mir weitere Referate nichts mehr aus.
Nur ist diese Angst da. Bis Freitag sind noch ein paar Tage, und Mittwoch und Donnerstag können wir wieder auf der Bühne üben. Morgen habe ich einen weiteren Termin bei meiner Lehrerin ausgemacht, wo ich noch einmal mit ihr sprechen möchte. Ich will diese Termine und Proben unbedingt wahrnehmen, nur habe ich Sorge, dass es nicht besser wird, sondern wieder so wie damals in der Schule, und das möchte ich auf keinen Fall. Es ist mir peinlich, diese Angst, ich will nicht, dass andere das mitbekommen, denn ich mag mein Ich aus der Schulzeit nicht besonders (es sind noch vier weitere Leute aus meiner Heimatuni hier, die sollen es nach Möglichkeit auch nicht bemerken).
Deshalb wende ich mich an euch. Habt ihr vielleicht Tipps für mich, wie ich das durchziehen kann? War jemand in einer ähnlichen Situation, und wenn ja, wie hat er sie gemeistert?
Ich weiß, der Beitrag ist sehr lang geworden; dennoch hoffe ich, dass jemand sich die Zeit nehmen kann, ihn zu lesen.
Vielen Dank schon einmal im Voraus.
26.01.2015 12:43 • • 01.02.2015 #1