Gahan, ich finde auch, du musst nicht auf den Arzttermin warten, bis du was bewegen kannst
Mit psychischen Erkrankungen verhält es sich nicht so wie mit einer Erkältung oder einem Beinbruch. Bei einer Erkältung geht man zum Arzt, wirft vielleicht Tabletten ein, und der Körper macht ohne viel eigenes Zutun die Heilung - fertig.
Bei einer psychischen Erkrankung kann man auch zum Arzt gehen, Tabletten einwerfen oder sich Tipps geben lassen vom Therapeuten - aber die ganze Arbeit liegt bei einem selber.
Ich hatte kurz vor dem Abitur schlimme Ängste, sehr vielfältige auch. Ich hatte Angst vor einem plötzlichen Tod, Angst vor dem Tod im Allgemeinen, Angst vor einer Thrombose oder Herzversagen oder einem Schlaganfall. Ich hatte Panikattacken direkt nach dem Aufstehen und oft auch Nachts. Ich hatte mehr als einmal das Gefühl, sterben zu müssen, mein Herz hat gerast und mir ist der Angstschweiß nur so runter gelaufen. Ich hatte Attacken, während ich mit Freunden weg war, konnte mich kaum auf Andere konzentrieren, Gespräche zogen nur so an mir vorbei. Das war nicht schön. Ich war auch im Januar/Februar der festen Überzeugung, meinen Urlaub im August gar nicht mehr zu erleben, weil ich da schon an der ganzen Angst und Panik zu Grunde gegangen sein würde.
Mein Therapeut hat mir aufmerksam zugehört und mir viele Tipps gegeben, wie ich mit der Angst umgehen kann. Ich hab PME gelernt von ihm, was mir sehr gut tat, und er hat mir gesagt, dass ich die Angst bewusst erleben und einfach auch durchhalten soll. Nicht kämpfen, sondern zulassen. Ich hab viele seiner Tipps beherzigt, aber auch Vieles alleine heraus gefunen. Hab zum Beispiel gemerkt, dass mir Singen und Tanzen gut tut, wenn die Angst kommt. Hab heraus gefunden, dass ich bei einer Panikattacke sofort Sport machen sollte, wenn möglich, weil sie dann recht schnell wieder weg geht und ich Vertrauen in meinen Körper zurück gewinne.
Jeder muss auf seine eigene Art und Weise gesund werden.
Aber egal ob man zum Therapeuten geht oder in die Klinik, ob man Medikamente nimmt oder nicht, eines bleibt sich immer gleich: Dass man nur selber was ändern kann an seinem Problem. Dass man selber die Arbeit machen muss. Dass man selber aufstehen und Wege finden muss, damit umzugehen. Und das kann man ohne Therapie auch schon machen.
Der Therapeut ist wie eine Gehhilfe, eine Krücke wenn du so magst, aber das Laufen, das müssen wir alle alleine wieder lernen.
Und diese Eigeninitiative, die man benötigt, um gesund werden zu können, die fehlt dir glaube ich noch ein bisschen. Eröffne thast du diesen Thread am 20.02. Heute ist der 01.04. und -leider Gottes kein Aprilscherz- seitdem hat sich an deiner Situation nichts verändert.
Das finde ich sehr schade. Dein Hausarzt scheint sich ja auch sehr viel Zeit zu lassen, das würde mich an deiner Stelle z.B. total fuchsig machen.
Als ich gemerkt hab, dass mit mir was nicht stimmt, bin ich früh zum Hausarzt, hab von meinem Herzrasen und der Panik erzählt, hab ein Herz-EKG machen lassen, ein Langzeit-EKG mitgenommen, das nach 4 Stunden zurück gebracht, weil ich mit dem Ding nur noch am Kontrollieren und Hyperventilieren war, und hatte noch am gleichen Tag meine Überweisung zum Therapeuten in der Hand. Eine Woche später war mein erster Termin. Dein Hausarzt zieht das ja schon ewig hin, gibt die Termine, wo scheinbar nichts passiert außer Plaudern und Planen. Wie wäre es, wenn du mal selber die Zügel in die Hand nimmst und bei diversen Kliniken und Therapeuten anrufst, um zum Gespräch zu kommen?
Oder, wenn du dir selber kleinere Aufgaben stellst? Wenn du Dinge machst, die dir gut tun? Zum Beispiel Heute fotografiere ich was Frühlingshaftes oder Heute geh ich zum Bäcker und kauf mir was Feines? Einfach Dinge, die dich von Zuhause raus und rein ins Leben bringen. Damit du nicht immer nur an die Angst denkst, sondern auch mal was Schönes machst. Dazu brauchst du keinen Therapeuten und keinen Hausarzt und keine Klinik, Gahan.
Das kannst du dir auch selber vor nehmen, wenn du es willst
So hab ich auch angefangen. Mir kleine Aufgaben gestellt. Etwa nicht mehr in die Klinik rennen, wenn was mit dem Körper nicht stimmt oder eine Panikattacke einfach mal aushalten und schauen, wie lange sie dauern kann oder zum Pizzaessen mit Freunden gehen, auch, wenn es mir nicht gut dabei geht.
Je öfter man nämlich die Angst überwindet und trotzdem Sachen macht, die einem Angst machen und die unangenehm sind, desto mehr merkt man: Die Angst hat absolut keinen Einfluss auf mich und mein Leben! Ich hab Schrittweise gelernt, dass ich machen kann, was ich will, trotz Angst. Es war dann vielleicht unangenehm oder blöd für mich, aber machen konnte ich es trotzdem.
Und das war ein gutes Gefühl. Zu wissen, dass die Angst, anders als ich immer dachte, keinen Einfluss auf mein Leben und mich selber hat.
Deine Erfolge solltest du auch notieren. Ich hatte damals ein kleines Buch, in das ich alles rein geschrieben hab, was ich geschafft hab, trotz Angst. zum Bäcker gehen oder 8 Stunden Schule oder trotz Kopfweh nicht ins Krankenhaus steht da drin. Jeder noch so kleine Erfolg gehört dort hinein.
Vielleicht solltest du dir auch so ein Büchlein kaufen und loslegen
Oder nicht mehr dem Hausarzt Alles auferlegen, sondern selber ein paar Kliniken anrufen und Termine ausmachen.
Liebe Grüße,
Bianca
01.04.2010 08:07 •
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