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Hallo!

Ich bin neu hier. Mein Freund hat wahrscheinlich eine soziale Phobie. Ich sage wahrscheinlich, weil er noch andere Diagnosen bekam. Z.Zt. nimmt er ein Anti-Depressivum. Andere Therapien sind bisher fehlgeschlagen, so daß die Ärzte meinten, er sei austherapiert. Er selbst hat auch keine Lust mehr, neue Therapien zu beginnen.

Wir sind nun 14 Jahre zusammen, und ich liebe meinen Freund sehr. So habe ich es akzeptiert, daß er immer weniger unter Menschen ging, selbst meine Freunde und Verwandte will er kaum sehen. Er sagt, er ertrage es nicht, so viele Stunden bei anderen Menschen zu sitzen. Er sagt dann auch kaum ein Wort. Am liebsten sitzt er zuhause vor dem Computer oder schaut mit mir ein wenig fern. Das ist aber nicht das, was ich mir unter einem guten Leben vorstelle. Ich bin selbst keine Partymaus, aber wenn ich Zeit habe, treffe ich mich auch mal gerne mit anderen oder fahre in Urlaub. Ich würde das gerne mit meinem Freund, aber er tut es ja nicht mehr mit mir.

Anlaß für meinen Beitrag ist der letzte Freitag. Da ich z.Zt. Urlaub habe, aber nicht weggefahren bin, nutze ich die Gelegenheit und bin viel mit Bekannten unterwegs oder mache Erledigungen. Ich gehe auch mal gerne essen. Am Freitag war ich dann acht Stunden in der Stadt und mein Freund richtig sauer, als ich heimkam. Er meinte sogar, in meinem Alter (ich bin 44!) sei das doch nicht normal. Außerdem müsse ich lernen, mich zuhause zu beschäftigen. Schließlich würde ich mich immer mehr von ihm entfernen. Ich habe ihm aber unmißverständlich gesagt, daß ich weder tot noch gelähmt bin und daher raus muß. Ich habe auch kein Hobby, das ich zuhause ausüben kann. Ich sitze dann nur vor dem Fernseher oder dem Computer. Außerdem habe er sich von mir entfernt, nicht ich.

Ich muß dazu sagen, daß wir keine Kinder haben und mein Freund arbeitslos ist.

Wie geht Ihr mit Euren Angehörigen um, die auch mal raus müssen bzw. wer hat als Angehöriger Erfahrung mit solchen Situationen?

Liebe Grüße

Widderchen

03.08.2008 21:15 • 01.10.2008 #1


6 Antworten ↓


Hallo Widderchen!

Also ich bin eher selbst Betroffene als Angehörige. Ich kann aber aus Erfahrungen meiner Eltern berichten. Mein Vater hat auch sehr viele soziale Ängste, allerdings war er durch seine Arbeitsstelle sozial eingebunden. Die Arbeitskollegen kannte er größtenteils schon aus dem Studium und im Laufe der Zeit hat sich daraus ein fester Freundeskreis entwickelt. Ich kann mich aber daran erinnern, daß mein Vater sehr eifersüchtig oder neidisch darauf reagiert hat, wenn meine Mutter selbstständig unter Leute ging. Meine Mutter ist recht künstlerisch begabt und hat früher lange Jahre bei der Volkshochschule Kurse angeboten. Da sie recht kontaktfreudig ist und viel Bestätigung dadurch erhalten hat war ihr diese Arbeit entsprechend wichtig. Mein Vater hat ihr aber immer deutlich gezeigt, daß er es nicht gut findet, wenn sie so häufig weg ist. Er hat sie dabei nicht unterstützt und sie musste die ganzen Utensilien für die Kurse mit Bus oder Bahn transportieren, weil er ihr das Auto nicht geben wollte. Vom Bahnhof hat er sie auch nur widerwillig abgeholt. Das hat mir für meine Mutter immer sehr leid getan, zumal die Sachen recht schwer und umfangreich waren. Ich finde es aber gut, daß sie sich ihm gegenüber trotzdem durchgesetzt hat und auf den Kursen bestanden hat.

Ich selbst habe diese Problematik eben nicht, weil mein Mann seit ein paar Jahren depressiv ist und auch keine Lust hat unter Leute zu gehen. Er verbringt die meiste Zeit des Tages vorm Fernseher. Die Jahre zuvor, habe ich mich eigentlich immer zu Feiern oder Treffen mitgequält, um meinen Mann nicht zu verärgern. Damals wusste ich noch nicht, daß es so was wie eine soziale Phobie gibt und daß ich darunter leide. Mittlerweile fehlt mir die Kraft unter Leute zu gehen, ich mag mir die Frustrationen und Verzweiflungsgefühle einfach nicht mehr zumuten und zum Glück ist das zur Zeit auch kein Thema bei uns. Ich bin ähnlich behandlungsresistent wie Dein Freund und habe nicht mehr viel Lust auf Therapien.

Ich vermute, daß es für Deinen Freund sehr schmerzlich ist, wenn Du allein unterwegs bist und Bestätigung und Spaß mit anderen hast. Deshalb diese merkwürdigen Forderungen, die er an Dich stellt. Dadurch daß Dir der Umgang mit anderen so viel Freude bereitet wird ihm seine Unfähigkeit im Kontakt mit anderen nur umso bewusster werden. Es ist sehr frustrierend zu erleben, daß andere mit Leichtigkeit haben können, wonach man sich selbst schmerzhaft sehnt, vor allem, wenn man allein zu Hause zurück bleibt. Mit Deinem völlig berechtigtem Bedürfnis „raus“ zu wollen , tust Du ihm unbeabsichtigt weh. Deshalb hat er vielleicht auch das Gefühl, als wenn Du Dich immer weiter von ihm entfernst, offenbar hat er Schwierigkeiten Dir diese schmerzhaften Gefühle mitzuteilen, die Du bei ihm durch Deinen Freiheitsdrang auslöst. Vielleicht schämt er sich dafür und/oder kann sich diese Gefühle selbst nicht zugestehen.

Ich hoffe Du kannst für euch eine gute Lösung finden.

Wünsch euch alles Gute,
Freya

A


Mein Freund möchte mich ans Haus binden

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Hallo, Freya,

lieben Dank für Deine Antwort.

Ich kenne auch das Gefühl, nicht unter Leute zu können, da ich an der bipolaren Störung leide, d.h. ich bin manisch-depressiv und hatte schon vor Ausbruch der Krankheit depressive Phasen. Auch hatte ich als Jugendliche aufgrund der Alk. meiner Mutter ein sehr geringes Selbstbewußtsein. Mittlerweile gehe ich aber gerne unter Menschen. Daher ist es für mich schwer, mich in jemanden hineinzuversetzen, der gar nicht das Bedürfnis spürt, andere Menschen zu treffen.

Mein Freund ist auch sehr empfindlich, was Geräusche wie Fernseher vom Nachbarn oder Kinderlärm angeht. Ist das bei Dir auch so? Er würde dann gerne umziehen. Nur können wir uns kein alleinstehendes Haus leisten, und aufs Land will ich auf keinen Fall.

Gestern hat er es akzeptiert, daß er mich erst gegen halb elf abends wieder zu Gesicht bekam, nachdem er mich mittags nur kurz gesehen hat.

Meine Therapeutin fragte mich schon zweimal, ob ich eine Zukunft mit ihm sehe, was ich bejaht habe, weil wir uns seit 14 Jahren lieben. Aber sie legt den Finger in die Wunde, zumal sie nichts von einer Therapieresistenz hält.

Zum Glück gehöre ich nicht zu diesen unselbständigen Frauen, die ohne ihren Mann fast keinen Fuß vor die Türe setzen. Und es macht mir auch Spaß, mit älteren Frauen Kulturrundreisen zu machen. Denn im Urlaub steht für mich die Kultur im Vodergrund.

So sehe ich eine Zukunft, wenn mein Freund meine Lebensführung akzeptieren kann.

Liebe Grüße

Widderchen

Hallo, Freya,

lieben Dank für Deine Antwort.

Ich kenne auch das Gefühl, nicht unter Leute zu können, da ich an der bipolaren Störung leide, d.h. ich bin manisch-depressiv und hatte schon vor Ausbruch der Krankheit depressive Phasen. Auch hatte ich als Jugendliche aufgrund der Alk. meiner Mutter ein sehr geringes Selbstbewußtsein. Mittlerweile gehe ich aber gerne unter Menschen. Daher ist es für mich schwer, mich in jemanden hineinzuversetzen, der gar nicht das Bedürfnis spürt, andere Menschen zu treffen.

Mein Freund ist auch sehr empfindlich, was Geräusche wie Fernseher vom Nachbarn oder Kinderlärm angeht. Ist das bei Dir auch so? Er würde dann gerne umziehen. Nur können wir uns kein alleinstehendes Haus leisten, und aufs Land will ich auf keinen Fall.

Gestern hat er es akzeptiert, daß er mich erst gegen halb elf abends wieder zu Gesicht bekam, nachdem er mich mittags nur kurz gesehen hat.

Meine Therapeutin fragte mich schon zweimal, ob ich eine Zukunft mit ihm sehe, was ich bejaht habe, weil wir uns seit 14 Jahren lieben. Aber sie legt den Finger in die Wunde, zumal sie nichts von einer Therapieresistenz hält.

Zum Glück gehöre ich nicht zu diesen unselbständigen Frauen, die ohne ihren Mann fast keinen Fuß vor die Türe setzen. Und es macht mir auch Spaß, mit älteren Frauen Kulturrundreisen zu machen. Denn im Urlaub steht für mich die Kultur im Vodergrund.

So sehe ich eine Zukunft, wenn mein Freund meine Lebensführung akzeptieren kann.

Liebe Grüße

Widderchen

Hallo Widderchen,

bin auch neu hier und habe mit Interesse Deinen Schriftwechsel mit Freya gelesen.
Ich lebe zwar mit meinem Freund nicht zusammen, aber seine Art und Weise wie er zusammenleben möchte, hält mich auch davon ab.
Er hat so gut wie keinerlei soziale Kontakte, außer einem Freund aus der Jugendzeit, den er aber meistens nur kontaktiert, wenn er bei irgendwas Hilfe benötigt. Ich war, zumindest bis ich ihn kennenlernte, ein sehr kontaktfreudiger Mensch und hatte mein Leben als alleinerziehende Mami ganz gut im Griff. Aber so nach und nach, hat er es geschafft, mich von meinen Freunden zu isolieren. Und das auf ganz perfide ARt und Weise. Z.B. hat er mir suggeriert, dass die eine Freundin keinen guten Einfluss hat, da sie die Männer aus seiner Sicht zu häufig wechselt. Argumente, wie, dass sie vielleicht auch nur den Richtigen sucht, akzeptiert er nicht. So wie er meistens andere Meinungen selten gelten lässt.
Wenn ich dann mich doch mal durchsetze und mal mit Freundinnen einen Weiberabend verbringe, kommt grundsätzlich kurz vorher eine Attacke. Meistens beschwört er einen Streit herauf und anfangs bin ich darauf reingefallen und habe das Treffen auch mal abgesagt. Wir sind jetzt bald 3 Jahre zusammen und er muss mich immer noch ermahnen mit SMS wie sei aber anständig.
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht warum wir noch zusammen sind. Heute hatten wir auch wieder einen Streit um nichts. Er bleibt bei den Streits meistens ziemlich ruhig und sagt in einer Gelassenheit Beleidigungen, dass ich irgendwann dann laut werde. Dann kommt er und sagt, dass er nicht weiß, ob er mit einer Person, die immer so laut schreit und beleidigt ,zusammen sein will. Dann fühle ich mich sowas von elend und klein... Ich glaub ich bin einfach nicht beziehungsfähig, aber was genau ich für eine Störung hab, weiß ich nicht.

Gruß
Moonshine

Hallo Widderchen,

ich habe den Eindruck, daß Du sehr gut erkennst, was dir gut tut - und was nicht.

In einer früheren Beziehung hatte meine Partnerin widerwillig akzeptiert -aber sie hat akzeptiert- daß ich auch mal Zeit für mich brauche. Zeit jenseits von Familie und Verpflichtungen. Zeit, um herumzustromern, rauszugehen, mich meinen eigenen Dingen und Gedanken zu widmen - Zeit nur für mich.

Die Partnerschaft ist aus anderen Gründen gescheitert - aber im Nachhinein ist mir klar geworden, daß sie in diesem Punkt das einzig Richtige getan hat - nämlich mich meinem Drang nach Rückzug und Freiheit folgen lassen.

Es ging hier nicht um Untreue oder sowas. Meist bin ich umhergelaufen oder -gefahren, habe fotografiert oder andere Dinge gemacht, die mir gut getan haben.

Aber bereits das hat mir viel Erholung ud Kraft gegeben - die auch meiner Partnerin zugute kamen.

Worin dein Freund sein persönliches Glück sieht ist seine eigene Entscheidung. Aber das, was ihn zufriedenstellt, muß nicht auch das Richtige für Dich sein.

LG von

Klaus

Hallo Widderchen,

es ist für mich gut nachvollziehbar, was du schreibst. Ich bin depressiv und habe wohl auch eine soziale Phobie und mein Mann dagegen ist sehr lebenslustig.

Wenn dein Freund sagt, er erträgt die anderen Leute nicht, kann ich das genau nachempfinden. Ich versuche es immer wieder, unter Leute zu gehen, mal klappt es gut, mal weniger gut. Aber wenn ich merke es geht nicht mehr, dann gehe ich nach Hause und mein Mann und meine Tochter bleiben noch länger, wenn sie möchten. Das war vor Kurzem auf einem Straßenfest so.
Obwohl es unter freiem Himmel war, konnte ich irgendwann die vielen Menschen, das Gewimmel und die lauten Geräusche nicht mehr ertragen.
Das ist das eine. Da solltest du Verständnis zeigen, denn als Betroffener kann man wirklich nicht anders.

Andererseits hast du deine Interessen und willst raus unter Menschen und am Leben teilnehmen.
Das kenne ich von meinem Mann.
Er ist beruflich sehr engagiert und privat ist er nun auch noch viel unterwegs. Ich habe ihm auch bereits den Vorwurf gemacht, er würde vor mir und meiner Krankheit fliehen. Da kommt dann die Eifersucht hoch und ich denke, ich bin nicht so interessant, wie die anderen Leute mit denen er sich umgibt. Mein Selbstvertrauen ist ja ziemlich im Keller, sonst wäre ich ja nicht krank.
Er macht mir aber immer das Angebot, ihn zu begleiten. Ich weiß eigentlich immer was er macht und er bleibt nicht einfach weg.

Natürlich muss man Vertrauen haben in einer Beziehung, aber das fällt mir z.B. teilweise sehr schwer, obwohl mir mein Mann noch nie einen Grund gegeben hat, um an seiner Treue zu zweifeln.

Sage deinem Freund doch, wo du hingehst, Bleibe in Kontakt mit ihm, ruf ihn vom Handy aus zwischendurch an, schreibe ihm eine sms. Also ich wäre, glaube ich, stinkauser, wenn mein Mann stundenlang fort bleiben würde und ich wüsste nicht, wo er ist. Umgekehrt dürfte ich das aber auch mit ihm nicht machen. Biete ihm an, mizukommen.
Wenn er lieber zu Hause bleibt, dann gehe aber trotzdem.

So machen wir das. Ob das bei euch auch funktioniert, weiss ich ja nicht, aber es ist eine Idee, miteinander klar zu kommen.

Alles Liebe
Birgit





Dr. Reinhard Pichler
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