Hey, ich kenne das Problem aber auch sehr gut.
Ich bin selbst seit meiner Geburt körperbehindert (bin jetzt über 30) - meine Beine sind nicht voll ausgebildet und darum benötige ich immer zwei Beinprothesen und den Rollstuhl. Und natürlich sieht man es mir - auch wenn ich nicht im Rollstuhl sitze sonder z.B. auf irgendeinem Stuhl - an, dass etwas mit meinen Beinen nicht stimmt, denn die Prothesen formen sich eben mit ihren Ecken und Kanten an der Hose ab.
Wenn ich unterwegs bin, werde ich grundsätzlich immer angestarrt. Ich kann nicht ein einziges Mal vor die Tür gehen, ohne dass mir das passieren würde - daran werde ich mich auch nie gewöhnen können, da sehe ich für mich keine Chance. Denn für mich steht absolut fest, dass ich eben kein normaler Mensch bin. Natürlich kann man nun - wieder mal - anfangen zu streiten, was denn eigentlich normal ist, aber ich habe absolut keine Lust mich ständig mit wildfremden Menschen wieder und wieder aufs neue darüber zu unterhalten.
Ich bin anderst und das bekomme ich auch regelmäßig, wortlos, von den Mitmenschen zu verstehen. Wortlos bekommt dabei auch einen ganz besonderen Stellenwert, denn so viel wie die Leute glotzen, so wenig sprechen sie mich an. Mir persönlich ist es viel lieber, wenn die Leute mit mir reden, als dass sie mich nur dumm anglotzen. Wenn ich den Leuten erklären kann, was los ist, dann sehen sie mich mit anderen Augen.
Früher als Kind wars natürlich sehr schlimm, besonders, weil man als Kind dem nicht viel bis gar nichts entgegenzusetzen hat - zumindest erging es mir so.
Kinder können grausam sein, besonders, wenn man selbst noch Kind ist.
Bei Kindern ist es mir heute egal - bei denen denke ich mir immer, die wissen es eben noch nicht besser ABER denen könnte man es noch beibringen, wenn man nur will - und hier sehe ich dann insgeheim wieder die Eltern in der Pflicht. Wenn ich mit dem Rollstuhl an Kindern vorbei fahre und diese dann aufgeregt mit dem Finger auf mich zeigen und ihre Eltern lautstark fragen, was der Mann da macht oder hat, dann ist das natürlich kein schönes Gefühl, aber ich habe die Hoffnung, dass die Kinder es von ihren Eltern beigebracht bekommen und dafür sensibelisiert werden.
Bei Erwachsenen verstehe ich natürlich auch, dass der Glotzeffekt vorhanden ist - man muss halt hinsehen, auch wenn man es eigentlich gar nicht will, ich ertappe mich dabei auch manchmal, aber ich habe mich - als selbst betroffener - auch sehr schnell wieder im Griff, denn ich weiss ja aus höchst eigener Erfahrung, wie sich das für den angeglotzen anfühlen muss. Wobei es mir weniger ausmacht, wenn ich von anderen Körperbehinderten angeglotzt werde, denn ich denke mir, denen geht es ja wahrscheinlich genauso wie mir.
Es ist ärgerlich, aber ich habe festgestellt, dass man rein gar nichts dagegen tun kann. Man kann nur versuchen, selbst darüber zu stehen und das Beste draus zu machen. Das hört sich einfach an - besonders, wenn ich das von Leuten höre, die selbst nicht betroffen sind. Ich selbst war das letzte Mal als Kind im Schwimmbad - natürlich ohne Prothesen. Die daraus resultirenden Erfahrungen von damals, die ich machen musste, haben sich bei mir so sehr verinnerlicht, dass ich auch heute noch nicht mehr ins Schwimmbad gehe - obwohl ich es gerne würde, denn eigentlich bin ich ja eine Wasserratte und meiner Figur würde es sicher auch mal wieder gut tun. Ich kann das daher sehr gut nachempfinden.
Die einzige Lösung die ich persönlich dafür hätte wäre, man muss völlig abstumpfen und es an sich abprallen lassen, wie ein Wattebausch am Panzer. Aber kann das die Lösung sein? Für mich sicher nicht, weil wenn ich ins Freibad etc. gehe, dann will ich Vergnügen, Spaß und Ausgelassenheit und nicht ständig die Blicke anderer Leute aushalten müssen, die sich in dem Moment einen Dreck darum scheren, wie ich ich mir dabei vorkomme.
Meine persönlichen Erfahrung zeigt immer wieder, dass ich als Körberbehinderter, von meinem Umfeld nicht auf eine Stufe mit eben diesem Umfelt gestellt werde. Sicherlich würde in einer repräsentativen Umfrage die große Mehrheit das anderst sehen wollen - wenn man aber mal ins Alltagsleben blickt, wie es wirklich abläuft - wenn gerade keine Umfrage stattfindet und keiner da ist, der die Situation irgendwie als beistehender Dritter bewertet, dann sieht es leider anderst aus.
Da wäre noch ein schönes Beispiel - in letzter Zeit weniger, aber früher war ich gelegentlich mal mit in der Disco dabei oder auf größeren Festen mit Jugendlichen.
Es ist (wahrscheinlich) keine böse Absicht, aber immer wieder müssen die Leute ihrem Erstaunen Luft machen und mir wieder und wieder mitteilen, wie toll und super sie es doch finden, dass jemand wie ich unter die Leute geht und sich nicht daheim im Zimmer einschließt. Dann bin ich immer hin und her gerissen - soll ich dem jetzt eine Zimmern oder soll ich einfach mitspielen - natürlich spiele ich dann immer mit und sage dann so Sachen wie ja man muss halt das Beste draus machen, was will man sonst auch tun. Ich weiss nicht, ob ihr euch da in meine Situation hineinversetzen könnt - aber ich fühle mich da echt dumm angemacht. Manchmal wünsche ich mir dann so ein Rocker in der Lederkutte zu sein, dem eh schon alles egal ist...
Auch dafür habe ich bisher nur eine Lösung gefunden - geh so oft unter die Leute, bis sie dich restlos alle schon ein paar Mal gesehen haben, sie dich kennen und sie sich an dich gewöhnt haben. Supertoll - an andere muss man sich nicht großartig gewöhnen, man unterhält sich einfach mit ihnen oder auch nicht, aber an mich schon - große Klasse.
Dafür komme ich persönlich aber nicht genug unter die Leute und ich will auch nicht ständig unter die Leute, nur weil es die einzige Möglichkeit scheint.
Zudem kommt, dass ich schon sehr Probleme damit habe, neue Kontakte zu knüpfen - insbesondere auch, was Partnerschaft angeht.
Im Laufe meines Lebens, von Kindheit an, habe ich das so beigebracht bekommen, weil man mir meist mit Ablehnung und oder Ausgrenzung entgegen kam. Oder ich wurde behandelt, als ob ich irgend so ein Deppchen wäre, den man ja nicht für Voll nehmen muss.
Da kann - ich zumindest - nich einfach mal schnell von jetzt auf gleich das Ruder rum reissen. Das sitzt fest drin und es ist echt schwer, sich da den Mut zu nehmen, denn ich persönlch brauche da verdammt viel davon.
Ich kann das also sehr gut nachvollziehen, wenn ich auch keine konkrete Lösung anbieten kann. Aber vielleicht hilft es ja, wenn man weiss, dass man selbst bei Weitem nicht der / die einzige ist, dem / der es so oder so ähnlich ergeht / ergehen muss.