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Wer mich hier schon etwas länger kennt, der oder sie weiß, dass ich seit vielen Jahren doch sehr isoliert bin. Es fällt mir unfassbar schwer das Haus zu verlassen, öffentliche Plätze zu betreten, einkaufen zu gehen, alltägliche und normale Dinge des Lebens zu unternehmen, und schlussendlich sogar meine berufsbildende Schule zu besuchen. Das ist ein komisches Gefühl. Ich plane viel, habe auch diverse Ideen, die ich umzusetzen versuche, um da raus zu kommen, aber jedes mal - das war bisher immer so - verkrampft sich kurz bevor es soweit ist, alles schlagartig. Es ist im Körper so ein extremer Widerstand, den ich kaum beschreiben oder hier vorstellen kann. Am ehesten mit einem Kampf gegen sich selbst.

Stechen im Brustkorb, Herzrasen, Tausende Gedanken und Sorgen und Befürchtungen, die durch den Kopf fliegen, die Nächte die man dann komplett wach liegt, und morgens dann so kaputt ist, dass nichts mehr zu schaffen ist. Und dann flüchte ich mich wieder in die Ablenkung, verdränge wieder alles, blende alles aus, schmiede wieder neue Pläne, ein ewiger Kreislauf, in dem ich gefangen bin.

So viele Jahre geht das schon so, seit dem dieser ganze Unheil damals passiert ist. Aber das ironische ist ja, dass ich erstmals das Gefühl habe, dass sich wirklich etwas in Bewegung setzt. Die Unterstützung und Toleranz meiner Schule ist unglaublich, aber ich habe ein unfassbar schlechtes Gewissen, dass ich so eine Angst vor Schulbesuchen habe und ich meine Klasse, die mir absolut nichts getan hat, damit so verurteile und schlecht mache.

Ich frage mich seit vielen vielen Jahren, wohin das einzuordnen ist, was ich da mache und habe. Das ist doch nicht gesund. Immerhin halte ich nun abends an meine festen Zeiten fest, was das Schlafengehen angeht, und um meinen Schlafrhytmus wieder zu aktivieren und etwas Struktur in meinem Leben zu schaffen. Aber wie schaffe ich es, dass ich mich endlich mal aufraffe auch mal wieder das Haus zu verlassen? Diese Blockaden und Ängste und Befürchtungen und Sorgen, und Gefahren, die ja nur Einbildung sind, ausblende? Wie würdest Du damit umgehen? Ich finde das nur noch frustrierend. Ich sehne mich nach gleichaltrigen Freunden, einem neuen Umfeld, nach einem Leben ohne all das im Hintergrund, und nach einem Schulbesuch, der ohne all das endlich mal funktioniert. Aber wie soll das funktionieren?

10.11.2021 14:18 • 10.07.2022 x 2 #1


27 Antworten ↓


Wovor genau hast du Angst beim Rausgehen? Soziale Phobie liegt vor, wenn die Ängste im Zusammenhang mit sozialen Situationen stehen, z.B. mit anderen Menschen zu kommunizieren, sich von anderen beobachtet zu fühlen, sich zu blamieren u.ä.
Ich habe eine diagnostizierte soziale Phobie, habe aber gar kein Problem rauszugehen auch nicht unter Menschen zu sein, solange ich nicht mit ihnen in Kontakt treten muss. Und was für mich der pure Horror wäre, ist im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen z.B. vor Menschen zu reden, im Fernsehen zu sein u.ä.

A


Ist das, was ich habe eine soziale Phobie?

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Genau das was du da ansprichst, fliegt auch in meinem Kopf herum. Ich fühle mich ständig beobachtet, wenn ich es mal schaffe, hinauszugehen. Das ist besonders schlimm, wenn ich eine Straße an einer Fußgängerampel überqueren möchte und sowohl links, als auch rechts Autos stehen, in denen Menschen mich beobachten. Und wenn Leute kommen, schaue ich dann meistens eher in Richtung Boden, um Blickkontakte zu vermeiden. Wenn ich mal einkaufen gegangen bin, denke ich dauernd ich werde anhand meiner Einkäufe von anderen Menschen bewertet, vor meiner Klasse befürchte ich, dass die mich komisch finden, denken die bestimmt sogar auch, so selten wie ich, wenn auch in Absprache mit der Schule, mal da war. Vor Menschen zu reden? Never. Das ist auch meine größte Angst im Englisch Unterricht, ich kann kein richtiges Englisch, und wenn ich da vor allen Klassenkameraden vorlesen soll, uff. Schulsport ist auch tabu. Keine Chance, dass ihr mich in eine Sporthalle bekommt. Zu groß ist die Angst äußerlich bewertet zu werden, und dann spielt da noch die Rolle, dass ich damals unsittlich angefasst worden bin. Ich bin mit meinem Körper auch komplett unzufrieden.

Ich mache mich in solchen Situationen dann wahnsinnig, kriege Herzrasen, tausende Gedanken schießen durch mein Kopf, das letzte mal inmitten im Bus auf dem Weg zur Schule. Der war so schön leer und im Laufe der Fahrt wurde es so voll von anderen Mitschülern da drin, dass ich mich komplett eingeengt gefühlt habe, und Angst bekommen habe, da nicht mehr raus zu kommen an der Haltestelle wo ich raus musste. Da habe ich richtig Probleme bekommen Luft zu holen. Bei Menschen, von denen ich zu sehr Beobachtung fürchte, oder gar eine Gefahr voraussehe, wechsle ich sogar die Straßenseiten, oder kehre direkt um.

Das klingt tatsächlich sehr nach sozialer Phobie.

Und habt ihr dafür vielleicht ein paar Tipps oder Ideen, die mir im Alttag helfen könnten, da raus zu kommen? Kann ich selbst irgendwas dagegen bewirken? Sowas ist schnell hingeschrieben, aber es ist schon eine starke Belastung in meinem Leben und eine sehr massive Beeinträchtigung.

@Stony bist du aktuell in Therapie oder planst eine zu beginnen?
Eine Therapie wäre sicherlich langfristig das Mittel der Wahl, gerade wenn du unter einer massiven Beeinträchtigung leidest.
Ggf. wäre in Rücksprache mit dem Therapeuten noch eine ergänzende Medikation in Betracht zu ziehen.

Zitat von Stony:
Aber wie schaffe ich es, dass ich mich endlich mal aufraffe auch mal wieder das Haus zu verlassen? Diese Blockaden und Ängste und Befürchtungen und Sorgen, und Gefahren, die ja nur Einbildung sind, ausblende?

Junge, Junge - für jemanden, der das alles mitgemacht hat (habe Deine 3 Themen eben gelesen), bist Du ganz schön auf Zack und ich sehe eigentlich viel Hoffnung für Dich.
Ich schieße jetzt mal ins Blaue und skizziere Dir meine Gedanken zu Deiner aktuellen Situation und wie ich denke, dass Du vorgehen könntest:

1. Du interpretierst nicht nur viel selbst Geschaffenes in die Menschen draussen rein sondern

2. machst vom Rausgehen insgesamt zu viel abhängig.

Was meine ich damit?

zu 1.: Die tatsächliche Bewertung durch Andere (sofern überhaupt vorliegend) ersetzt Du durch Deine subjektive Selbstbewertung. Für diesen Vorgang (dessen Du Dir mit Sicherheit bewusst bist), bewertest Du Dich wiederum. Und dafür wieder usw. Dabei ist es erstmal gar nicht so ausschlaggebend, wie Du Dich bewertest, sondern dass Du Dich überhaupt bewertest.

Vorschläge zur Kontemplation: Kannst Du Deinem Bewertungsurteil denn trauen? Könntest Du Dir vorstellen, ohne Bewertung Deiner Selbst und Anderer zu leben? Wie fühlt sich das an? Denkst Du, Menschen haben überhaupt unterschiedliche Werte im Sinne von wertvoll oder wertlos? Falls ja, was macht diese Werte aus?

zu 2.: Du siehst das Verlassen des Hauses als unabdingbare Voraussetzung für alles Weitere, ja Dein zukünftiges Leben an. Das mag, oberflächlich betrachtet, zutreffen. Jedoch verhält es sich bei dieser Betrachtung wie bei einem Foto, bei dem die Tiefenschärfe völlig vernachlässigt wurde. Der Fokus liegt überwiegend auf dem Verlassen des Hauses.
Hierbei wäre zu bedenken, dass man diesem banalen Vorgang des Hausverlassens eine derartig hohe Verantwortung niemals aufbürden kann. Mit dem Verlassen eines Hauses ist vor allem eines geschafft: Dein Körper befindet sich außerhalb des Hauses. Punkt.
So dumm sich das anhört, ich denke, Du erkennst worauf ich hinaus will?
Du musst diesem Vorgang wieder den Stellenwert zugestehen, den er realistischerweise hat.

Vorschläge zur Reflektion: Aus welchen körperlichen Vorgängen besteht das Verlassen des Hauses? Was unterscheidet realistischerweise den Innenbereich eines Hauses vom Außenbereich? Wo genau liegt die Grenze dieser Unterscheidung: wenn ich die Tür öffne, heraustrete oder vielleicht schon, wenn ich daran denke, dies zu tun? Schafft nicht vielleicht mein Geist ständig den Zustand des Draußenseins, auch wenn ich noch im Haus bin? Und andersrum: Vergleicht mein Geist während des Aufenthalts draußen diesen Zustand nicht ständig mit dem Aufenthalt drinnen?

Vorschlag zur Übung: Stelle Dich vor die Haus- / Wohnungstür und visualisiere die Außenwelt, wie sie sich wohl optisch, akustisch, olfaktorisch etc. darstellt. Öffne sie und überprüfe Deine Visualisierung mit dem nun tatsächlich Erlebten. Mache einen Schritt nach draußen, indem Du Dich exakt auf die Türschwelle stellst und sowohl Innen als auch Außen wahrnimmst. Drehe Dich um 180 Grad und blicke auf der Schwelle wieder nach Drinnen. Wo liegt der Unterschied?
Bewege Dich ca. 5 Meter von der Türe nach draußen. Beachte dabei genau den Vorgang des Gehens: Fuß heben, führen, senken usw. Findet denn wirklich eine Entfernung statt? Findet denn nicht vielmehr eine Wahrnehmungsveränderung, ein Perspektivwechsel statt? Stell Dir vor, Du währest von Geburt an blind. Wie würdest Du Innen und Außen interpretieren können?

Wenn Dir solche Übungen und Überlegungen zu kryptisch vorkommen, dann gib´s den Hühnern. Es sind Betrachtungen, die mir jederzeit eine gewisse Einsicht in Wahrnehmung bieten, die - wenn wir sie denn mal untersuchen - fast ununterbrochen unrealistisch und deshalb oftmals leidbringend ist.

Es gab da tatsächlich schon versuche, aber der Arzt überweist mich da nur in Richtung Neurologie, und die wiederum sagen mir, nö wir nehmen keine neuen Patienten auf. Und in den Sozialpsychiatrischen Dienst habe ich keinen Vertrauen mehr, die haben mich da damals ziemlich hängen lassen, deswegen ist da aktuell tatsächlich nur meine Sozialarbeiterin an der Schule, die mich mit meiner Erkrankung betreut und das mit mir aufarbeitet.

Nächste Woche Dienstag wurde in Absprache ein weiterer Schulversuch geplant, die Idee dazu hatte ich selbst und habe ich meiner Sozialarbeiterin vorgeschlagen. Also einen kompletten Schultag mit der Klasse zu verbringen und am Unterricht teilnehmen. Bislang war das immer nur maximal auf zwei Schulstunden begrenzt, wenn es denn mal klappte. Das gehört mit zu dem Plan, mich schrittweise in den Schulbesuch zurückzuführen, natürlich unter Berücksichtigung meiner Panik Attacken und gesundheitlichen Verfassung. Ich könnte jederzeit da raus und abbrechen, bzw. mich zurückziehen, wenn ich merke, es geht nicht mehr.

Ich glaub das kann man schon als eine Art Verhaltenstheraphie bezeichnen. Bis dahin habe ich mir die Aufgabe gegeben meine Schlafstörungen und nächtlichen Probleme zu lösen. Ich versuche das Verdrängen und Ablenken und den nächtlichen PC Konsum zur Ablenkung und zur Verdrängung zu vermeiden, in dem ich zu einer festgeschriebenen Uhrzeit alles abschalte und mich daran halte. Das klappt mal mehr mal weniger gut. Mit dem Schlaf ist das noch so ein Problem. Viel Unruhe, Tausende Gedanken, bis hin zu Albträumen ist alles möglich. Es gibt aber auch Phasen, da läuft es gut, und ich kann richtig gut durchschlafen. Wäre nur schön, wenn das öfters passieren würde.

Das ist also so für diese Woche und die kommende Woche der aktuelle Plan. Ich suche nur noch etwas, womit ich vielleicht auch außerhalb der Schule Wege finde, wieder das Haus zu verlassen, aber aktuell kriege ich nicht mal Spaziergänge hin.

@moo du hast mich mit deiner Antwort gerade etwas überrumpelt ^^ genau dann abzusenden, wo ich absenden wollte Ja ich bewerte und scanne tatsächlich nahezu jeden Menschen der mir begegnet. Mir ist schon bewusst, dass es sich um Situationen, Befürchtungen, Ängste handelt, die so nicht eintreten werden, weil ein beliebiger fremder Mensch, erst mal sowas standardmäßig nicht im Sinne hat, wenn dieser mich sieht. Aber in solchen Situationen ist es, als wäre ein Schalter umgelegt und man denkt nicht mehr auf diese Weise oder überhaupt logisch. Man ist völlig in diesem Kreislauf voller Befürchtungen, Sorgen, und Ängsten drin, der Körper spielt im schlimmsten Falle verrückt, weil man sich wahnsinnig macht. Ich selbst bewerte mich tatäschlich sehr schlecht und habe nur ein sehr geringes Selbstvertrauen. Ich bin mit dem was aus meinem Körper geworden ist, einfach nur extrem unglücklich.

Mit verlassen des Hauses meine ich auch nicht, mich stumpf vor einer Haustür zu stellen, das könnte ich sogar problemlos und würde mich nicht stören, ich kann mich auch in meinem eigenen Garten aufhalten, alles prima. Aber sobald da Menschen draußén auftauchen und mich sehen, ist es vorbei. Ich sage immer Haus verlassen, mal rausgehen, das könnte für euch tatsächlich erst mal irritierend klingen. Aber wenn ich das sage, dann meine ich, schwing dich aus den Haus raus, gehe durch die Siedlung, laufe deine festgelegte Route ab, und versuche keine Horror Szenarien zu entwerfen, wenn dir normale Menschen begegnen. Der Innenbereich eines Hauses, meines Hauses unterscheidet sich wesentlich in eine ganz große Kategorie: Drinnen bin ich in Sicherheit, ich kann nicht beurteilt werden, Horror Szenarien in meinem Köpf können nicht wahr werden, es droht keine Gefahr für mich. Gehe ich raus, dahin wo mir Menschen begegnen können, greift genau das Gegenteil. Das passiert bereits zuvor schon in meinen Gedanken, da bin ich noch gar nicht draußen. Ich hoffe ich konnte alles zufriedenstellend beantworten und erklären, das war schon sehr komplex beschrieben ^^

Hi @Stony
Mich würde interessieren ob deine Störung ein Teil von dir ist, also du schon gerne etwas dagegen machen würdest, aber trotzdem das Gefühl hast, dass diese Eigenschaften, das Verhalten, einfach alles zu dir gehört, auch wenn es sich schlimm anhört.
Oder wärst du endlich froh das Verhalten und die Zwänge für immer abzulegen um dann ohne sie zu leben und wieder Lebensfreude zu verspüren.

Zitat von Stony:
Ich hoffe ich konnte alles zufriedenstellend beantworten und erklären, das war schon sehr komplex beschrieben ^^

Einwandfrei, habe es nun kapiert... . Dank Dir!

Grundsätzlich möchte ich deshalb umso mehr die o. g. Gedanken zum Thema Bewertung empfehlen:
Zitat von moo:
Kannst Du Deinem Bewertungsurteil denn trauen? Könntest Du Dir vorstellen, ohne Bewertung Deiner Selbst und Anderer zu leben? Wie fühlt sich das an? Denkst Du, Menschen haben überhaupt unterschiedliche Werte im Sinne von wertvoll oder wertlos? Falls ja, was macht diese Werte aus?


Darüber hinaus zum direkten Kontakt mit den Menschen draußen folgende Reflektionen:

Bedenke, dass der Trigger, der Dich zur Selbstbeurteilung treibt, lediglich via Sehbewusstsein übermittelt wird. Du würdest also nicht getriggert, wenn keine anderen Menschen sichtbar bzw. erkennbar wäre.

Hier ist es wichtig, zu verstehen, wie ein Sehkontakt überhaupt zustande kommt. Jeglicher Sinneskontakt bedarf dreierlei: Objekt, Sinnesorgan, Sinnesbewusstsein. Ich habe die letzte Komponente bewusst unterstrichen, weil das nämlich gerne übersehen (sic!) wird. Ohne Sehbewusstsein findet kein tatsächliches Erkennen statt. Du siehst z. B. ständig irgendwelche Dinge, die sich in Deinem Blickfeld befinden, aber Du nimmst sie nicht wahr - oder besser Du holst sie nicht rein (in Dich). Dieses Reinholen, dieses Vermeinen, das bist Du. Mit jeder dieser Kontakte bildest Du ein wenig mehr Dich und Welt.

Beispiel:

Zitat von Stony:
Drinnen bin ich in Sicherheit, ich kann nicht beurteilt werden, Horror Szenarien in meinem Köpf können nicht wahr werden, es droht keine Gefahr für mich. Gehe ich raus, dahin wo mir Menschen begegnen können, greift genau das Gegenteil.

So hast Du Dich entwickelt, das ist Deine Wahrnehmung.

Zitat von Stony:
Das passiert bereits zuvor schon in meinen Gedanken, da bin ich noch gar nicht draußen.

Gut erkannt und eine sehr wichtige Feststellung! Hier siehst Du, wie ständige (unbewusste!) Wiederholungen von Sehkontaktinterpretationen (Wahrnehmungen) zu Deiner Welt führen. Sogar wenn Du drinnen bist, bist Du Dir der (vermeintlich gefährlichen) Welt draußen bewusst. Ergo: Du musst also physisch gar nicht rausgehen, um die Gefahr zu erleben.

Gib mal kurz Feedback, ob Du folgen kannst/willst und ob Du vielleicht schon ahnst, worauf ich hinaus will... Danke!

Zitat von Idefix13:
Hi @Stony Mich würde interessieren ob deine Störung ein Teil von dir ist, also du schon gerne etwas dagegen machen würdest, aber trotzdem das Gefühl hast, dass diese Eigenschaften, das Verhalten, einfach alles zu dir gehört, auch wenn es sich schlimm anhört. Oder wärst du endlich froh das Verhalten und die ...

Ganz ehrliche Antwort? Ich hasse es an mir und es widert mich an, aber ja es ist aktuell ein Teil von mir. Dieses Problem steckt ja in mir drin, im Kopf. Das sind einfach unbegründete Schutzreaktionen vor etwas, was einfach nicht (mehr) existiert. Diese Menschen, das was damals angetan wurde und passiert ist, das gibt es nicht mehr, Punkt. Es liegen ínzwischen so viele Jahre zurück. Der Schalter dafür wurde allerdings nicht wieder umgelegt. Und damit komme ich einfach nicht klar. Nichts anderes würde mich glücklicher machen, als wenn all das endlich verschwinden würde.

Zitat von moo:
Gib mal kurz Feedback, ob Du folgen kannst/willst und ob Du vielleicht schon ahnst, worauf ich hinaus will... Danke!

Ich kann dir aktuell sehr gut folgen, denke ich. Du sagst mir, dass das damals Geschehene in Form von Wiederholungen im Kopf allgegenwärtig ist, egal ob draußen oder drinne, und das dies basierend auf das was gewesen ist, eine Entwicklung von mir ist. Wenn ich mich da irre, korrigiere mich gerne.

Zitat von Stony:
Ich kann dir aktuell sehr gut folgen, denke ich. Du sagst mir, dass das damals Geschehene in Form von Wiederholungen im Kopf allgegenwärtig ist, egal ob draußen oder drinne, und das dies basierend auf das was gewesen ist, eine Entwicklung von mir ist. Wenn ich mich da irre, korrigiere mich gerne.

Danke - korrekt! Es ist ein großer Vorteil, dass Du selber nicht von Deiner Unzulänglichkeit wirklich überzeugt bist, denn dann wäre es noch schwieriger (Thema Glaubenssätze und so).

Zitat von Stony:
Der Innenbereich eines Hauses, meines Hauses unterscheidet sich wesentlich in eine ganz große Kategorie: Drinnen bin ich in Sicherheit, ich kann nicht beurteilt werden, Horror Szenarien in meinem Köpf können nicht wahr werden, es droht keine Gefahr für mich.

Da ja alles im Geist stattfindet, ist die Umgebung letztlich ohne Belang. Die Menschen, die draußen auf Dich einwirken, wirken auch in Form von Erinnerungen/Bildern auf Dich ein, denn Erinnerungen und alte Gedankengänge sind - das ist wichtig - nichts anderes als Sinneseindrücke, die jedoch bereits vielfach mit Gefühlen verbunden sind. In diesem Fall sind es negative Gefühle. Nun kommt ein wichtiger Schritt, wo Du einhaken und Veränderung herbeiführen kannst:

Die Kombination aus a) Erinnerung (durch Blickkontakt) und b) unangenehmem Gefühl schafft die c) Wahrnehmung (= Interpretation) Abneigung/Gefahr/Scham. Dies führt zur d) Absicht Loshaben wollen/Flucht/Wegschauen und auf Dauer zum e) Bewusstsein Draußen herrscht Gefahr.

Das Bewusstsein (e) ist im Grunde eine Mischung aus tausenderlei Bewusstheiten, von denen Draußen herrscht Gefahr nur ein einziger ist, wenn auch einer, der Dir sehr zusetzt, der sehr stark Dein d) Verhalten bestimmt - sowohl das körperliche als auch das geistige Verhalten. Denn nicht mehr vor die Türe gehen zu können ist im Grunde ein geistiges Verhalten.

Ich bin mir sicher, Du verstehst den eben geschilderten Ablauf. Das ist übrigens keine Sequenz, der man einfach während des Ablaufs so folgen kann. Es geht blitzschnell und idR unbewusst, sogar dann, wenn man sich des Problems prinzipiell bewusst ist.

Es gibt eine Lücke, an der Du etwas an diesem Automatismus verändern kannst: An den Gefühlen. Die Gefühle sind das A und O unserer triebgesteuerten Existenz.

Zuvor die Feststellung, dass es lediglich zwei verschiedene Gefühle gibt: Angenehm und Unangenehm. Die Emotionen sind hier nicht einzuordnen, denn sie sind bereits Produkte der Wahrnehmung. Eng verbunden mit den beiden Gefühlen sind die jeweiligen automatischen und zumeist unbewussten Bewertungen (angenehmes Gefühl = gut / unangenhmes Gefühl = schlecht).

Hier musst Du lernen, unangenehme Gefühle NICHT als schlecht zu bewerten. Ein unangenehmes Gefühl ist lediglich ein unangenehmes Gefühl. Es hat nichts mit Dir zu tun. Es jedoch als schlecht zu bewerten:

Zitat von Stony:
Ganz ehrliche Antwort? Ich hasse es an mir und es widert mich an, aber ja es ist aktuell ein Teil von mir. Dieses Problem steckt ja in mir drin, im Kopf.


hat, wie Du selber sagst, sehr wohl etwas mit Dir zu tun. Diese Bewertung hält Die Misere am laufen, das ist der von Dir geschilderte Kreislauf (definitiv die treffendste Wortwahl).

Um es nochmal übersichtlich (etwas vereinfacht) zu sagen: Gefühle sind unpersönlich. Wahrnehmungen sind persönlich.

An dem unpersönlichen Part kannst Du willentlich nichts ändern, an der Wahrnehmung schon.
Wahrnehmung bestimmt bzw. identifiziert alles, was über die Sinneskontakte in den Geist gelangt. Sie stellt Bezüge her, Kategorien und ist bereits durch die o.g. Bewertungen vorgefärbt! Erst durch die Wahrnehmung werden die Gefühle ein dualisierender Faktor - keine Instanz! Sie teilt ein (innen, außen, Ich, Welt, meins, gut, schlecht etc.) und grenzt aus. Sie be-stimmt: Erhebt die Stimme über die Dinge.

Wenn Du es schaffst, die Gefühle Gefühle sein zu lassen, sie als das zu erkennen, was sie sind - nämlich unpersönlich und - letztlendlich - leer dann lockerst Du den Griff der Wahrnehmung und kannst souverän reagieren. Du wirst die Gefühle dann nicht mehr bewerten und deshalb dieser Bewertung nicht mehr folgen (indem Du flüchtest, Dich fürchtest etc.).

Zitat von Stony:
Nichts anderes würde mich glücklicher machen, als wenn all das endlich verschwinden würde.

Es geht, wie Du nun vielleicht schon ahnst, nicht um das Verschwinden der Gefühle, sondern um das Verstehen ihrer Natur.

Interessante Sichtweise, Moo. Und was genau, hinsichtlich der Umsetzung und Umsetzbarkeit würdest Du mir nun vorschlagen und raten? Wie soll das, was geschafft werden muss, geschafft werden, wenn meine Wahrnehmung so falsch liegt und ist, dass sie einer Korrektur, einer Änderung bedarf? Die Gefühle in all den Situationen einfach per Schalter umzulegen, funktionierte bisher nicht.

Guten Abend Zusammen, ich habe es gerade erstmals nach vielen Wochen, seit Beginn der Herbstferien an, geschafft, das Haus wieder verlassen zu können, einen Spaziergang über eine festgelegte Route zu machen, ohne eine Panikattacke, Herzrasen, oder wirre Gedanken zu bekommen, mit Ausnahme einer Situation, in der mir einer der umliegenden Nachbarn begegnete. Es war allerdings dunkel, entsprechend konnte ich mich auf der anderen Straßenseite verbergen. Ich hatte nach nur wenigen Metern zwar ein unangenehmes Stechen / schmerzen im Rücken, was andere Ursachen hat, ich habe diese Runde aber trotzdem zum Abschluss gebracht.

Für Manche mag das vielleicht nichts großartiges sein, selbstverständlich sein, oder sogar belustigend sein, dass ich das hier festhalte, aber das ist mir egal. Für mich ist das ein kleiner Erfolg nach langer Zeit. Ich habe mir nun ein Dokument angelegt, in dem ich nun diese Runden festhalte und protokolliere. Für morgen habe ich mir meine nächste Runde vorgenommen.

Ich werde diesen Thread auch als eine Art Tagebuch fortführen.

Zitat von Stony:
Für Manche mag das vielleicht nichts großartiges sein, selbstverständlich sein, oder sogar belustigend sein, dass ich das hier festhalte, aber..

Also lass dir sagen von jemanden der seit mehr als 20 Jahren mal mehr mal weniger an Agoraphobie leidet, dass ich sehr wohl nachvollziehen kann, welche Überwindung und Stellenwert solch eine Tat, für einen selbst darstellt.
Herzlichen Glückwunsch und weiter so.

Danke dir @Idefix13 Ja es hat mich extreme Überwindung gekostet, aber eigentlich habe ich das nur aus der Not heraus gemacht. Ich hatte sehr schlecht Luft bekommen und ein seltsames Stechen im Brustkorb beim Abendessen gehabt, (ist aber nur ein eingeklemter doofer Nerv) und meine Famile meinte ich hätte sehr blass ausgesehen. (Bei all dem psychischen Stress derzeit, sicher keine Überraschung), und tatsächlich hat mir der Spaziergang gesundheitlich geholfen. Ich bekam nach kurzer Zeit wieder besser Luft, wenn auch Rückenschmerzen. Morgen möchte ich das aber nicht aus der Not heraus machen, sondern gezielt nochmal versuchen. Ich weiß nur noch nicht ob ich es abends mache, wenn es wieder dunkel ist, weil da sieht man mich schlechter, oder ob ich es riskiere tagsüber zu gehen. Darüber denke ich dann morgen nach. Irgendwie ja schon traurig, dass solch belanglose Dinge, wie ein sinpler Spaziergang, so schwierig sind. Aber egal, das wird schon, da bin ich mir sicher.

Jetzt aber, schalte ich ab. Ich habe mir vorgenommen pünktlich um 1 schlafen zu gehen, und Vormittags früh aufzustehen, damit Struktur reinkommt und mein katastrophaler Schlafrhytmus repariert wird. Bis dahin lese ich noch die drei Fragezeichen, ja ich werde wohl nie erwachsen, aber mir egal, ich liebe die Bücher.

Zitat von Stony:
Bis dahin lese ich noch die drei Fragezeichen, ja ich werde wohl nie erwachsen, aber mir egal, ich liebe die Bücher.

Ich habe noch sehr viele LTB's und manchmal lese ich die auch noch, also mach dir dahingehend auch weniger Gedanken. Menschen alten oft an Dinge fest, aus Kindheit und Jugendzeit.
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Zitat von Stony:
Die Gefühle in all den Situationen einfach per Schalter umzulegen, funktionierte bisher nicht.

Das ist ganz klar - es gibt dafür keinen internen Schalter.

Zitat von Stony:
Und was genau, hinsichtlich der Umsetzung und Umsetzbarkeit würdest Du mir nun vorschlagen und raten?

Es geht um das Verständnis:

Zitat von moo:
Wenn Du es schaffst, die Gefühle Gefühle sein zu lassen, sie als das zu erkennen, was sie sind - nämlich unpersönlich und - letztendlich - leer dann lockerst Du den Griff der Wahrnehmung und kannst souverän reagieren. Du wirst die Gefühle dann nicht mehr bewerten und deshalb dieser Bewertung nicht mehr folgen (indem Du flüchtest, Dich fürchtest etc.).


Allein unser Dialog hier IST bereits ein Schritt in Richtung des eben geschilderten Verständnisses. Und wie Idefix es ja auch benennt, fühlt es sich erstmal unangenehm (eigentlich ungewohnt) an, den Gefühlen nicht mehr zu folgen.

Zitat von Stony:
Für Manche mag das vielleicht nichts großartiges sein, selbstverständlich sein, oder sogar belustigend sein, dass ich das hier festhalte, aber das ist mir egal. Für mich ist das ein kleiner Erfolg nach langer Zeit. Ich habe mir nun ein Dokument angelegt, in dem ich nun diese Runden festhalte und protokolliere. Für morgen habe ich mir meine nächste Runde vorgenommen.

Weltklasse - Gratulation!

Zitat von Stony:
Ich werde diesen Thread auch als eine Art Tagebuch fortführen.

Gute Idee - viele, die über derlei Entwicklung so etwas wie ein Tagebuch führen, bleiben leichter auf dem richtigen Weg. Man behält besser die Übersicht.

Zitat von Stony:
Morgen möchte ich das aber nicht aus der Not heraus machen, sondern gezielt nochmal versuchen. Ich weiß nur noch nicht ob ich es abends mache, wenn es wieder dunkel ist, weil da sieht man mich schlechter, oder ob ich es riskiere tagsüber zu gehen. Darüber denke ich dann morgen nach.

Hier sieht man, dass Du bereits eigene Einschätzungen triffst, was Du Dir täglich zumuten willst (nicht: kannst). Viele machen den Fehler und wollen zu schnell zu viel. Ich bin da genauso wie Du gelagert.... Step by step.

Zitat von Stony:
Irgendwie ja schon traurig, dass solch belanglose Dinge, wie ein simpler Spaziergang, so schwierig sind.

Andererseits auch ein kleines Wunder, über was man sich freuen und für was man dankbar sein kann...
Ich freue mich auf Deine Erfahrungsberichte! Ciao

Ja zwischen Können und Wollen, Moo, liegt ein Unterschied, da hast du recht. Aber ich sagte auch nicht, dass ich alles überstürzen möchte. Wenn ich merke, es geht nicht, dann schalte ich natürlich auch einen Gang wieder zurück. Tatsächlich deckt sich da deine Sicht mit der Sicht meiner Sozialarbeiterin an meiner Schule, die kommt auch immer wieder mit Stufen und Schritten an, und das man kleine Schritte gehen muss. Recht habt ihr ja. Sie sagte auch, dass was in mir lastet, das kriegt man nicht innerhalb eines Schuljahres hin. Da muss ich langsam und schrittweise heraus. Besonders wenn eine derartige Lebensweise, wie in meinem Fall, so viele Jahre angedauert hat. Schlussendlich: Ich muss immer wieder Versuche starten, ob das heute noch klappt, da sind wir wieder beim können. Ich kann es euch/dir nicht mal garantieren. Nicht mal mir selbst kann ich es, ob es klappen wird. Wollen ist eben nicht gleich Können. Aber um so schöner ist es, wenn es dann doch klappt. Ich kann nur darauf aufbauen, nicht auf das was nicht klappt, sondern auf das, was klappt.

Idefix, ich habe auch noch jede Menge LTB im Haus. Aber sehr viele sind letzte Woche leider kaputt gegangen. Waschbecken im Badezimmer benutzt und währenddessen ist das Wasser davon dahinter im Wohnzimmer ausgebrochen. Ganzer Raum geflutet und viele Bücher kaputt Da war etwas verstopft / Leitung dicht, was wir zu spät bemerkt haben. Die Leitung ließ sich schnell wieder in Ordnung bringen, der Raum auch, aber die Bücher... Naja...

Zitat von Stony:
Leitung ließ sich schnell wieder in Ordnung bringen, der Raum auch, aber die Bücher... Naja...

Ja, die guten alten Wellen wenn Papier wieder trocknet.
Hab sowas auch teilweise, man muss etwas wirklich schweres drauf stellen, dass das Papier wieder zusammenpresst. Es wird niemals wie zuvor, aber doch besser als manchmal gedacht.
Ich hatte aus der Arbeit meines Großonkels damals einen Ambos ausgeliehen, das Ding war schwer. Und nach 3 Tagen waren sie wieder gut platt. Viel Erfolg, ganz gleich was du versuchen willst.
Ich hatte mit 12 damals angefangen, als der bedruckte Buchrücken begann und stehen hier im Schrank über 200 von diesen Taschenbüchern. Wenn man bedenkt welche wieviel Geld das war. Aber ich hab schon einen Abnehmer. Wie ich erfuhr interessiert sich meine älteste Nichte langsam für das, mein Bruder muss wohl auch noch ein paar haben, denn die hat sie jetzt durch und will mehr..

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Dr. Reinhard Pichler
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