ich bin durch Zufall hier auf das Forum gestoßen und wollte mir ein paar Meinungen einholen.
Ich beschäftige mich seit einiger Zeit eingehend mit mir selbst und als ich im Netz auf die Definition der sozialen Phobie gestoßen bin, habe ich mich sofort wiedererkannt. Ähnlich ging es mir, als ich hier und in anderen Foren las.
Für mich ist das schon mal eine kleinere Erleichterung, aber man sollte ja vorsichtig mit Selbstdiagnosen sein.
Ich leide eigentlich schon seit der ersten Klasse unter meiner extremen Schüchternheit. Vor ein paar Tagen sind mir meine alten Zeugnisse der Grundschule beim aufräumen in die Hände gefallen und dort hatte ich es quasi nochmal schriftlich (die ersten Zeugnisse haben ja noch keine Noten, sondern nur eine schriftliche Beurteilung, dort stand auch dass ich keinen Anschluss finde, nicht auf andere zugehe etc.).
Dazu kam, dass ich einen Drachen von Lehrerin hatte, die mich auf dem Kieker hatte. Sobald ich etwas falsch machte, wurde ich angeschrien und für dumm verurteilt, bei anderen Kindern nahm sie sich komischer weise zurück.
Es hieß auch ich bin Legastheniker, da ich nur langsam Fortschritte beim schreiben machte. Da war meine Mutter schon verwundert, da ich am Rechner (damals der gute alte C64er ;O)) schon vor der Grundschule einzelne Sätze schreiben konnte, natürlich die Befehle zum Programme/Spiele starten und selbst mit einem Langenscheidt bewaffnet erste englische Textadventures erkundete.
Lange Rede kurzer Sinn, es kam raus dass ich eine Brille benötigte (ich durfte auch nie vorne sitzen, da mich die Lehrerin dort nicht haben wollte.).
Meine Schrift war immer krakelig, wenn ich heute zurückdenke schätze ich, dass es durch den Umstand kam, dass meine Lehrerin die Linke Hand als die „Böse“ ansah und ich auf Rechts getrimmt wurde, daher bin ich auch eher Grobmotoriker.
In der 3.ten Klasse wechselte ich die Schule, es wurde erstmal besser. Anfangs war ich Aussenseiter, schloss mich aber mit dem bestehenden Aussenseiter der Klasse zusammen.
In der Hauptschule war ich auch nie richtiger Aussenseiter, da ich ein paar Kollegen gefunden hatte.
Ich wurde trotzdem extrem gemobbt, seien es meine Klamotten, mein Untergewicht oder meine Körperhaltung (leichter Hüftschaden, Hohlkreuz). Naja, ich war halt immer irgendwo ein Freak, aber zum Glück kein Einzelgänger.
Das spitzte sich später zu, als ich mein Fachabi machen wollte. Wieder das typische Gemobbe wegen meinem Körperbau etc. Naja, wieder ein paar wenige Klassenkameraden als Kollegen, der Rest war mir egal. Im privaten hatte ich mittlerweile einen großen Freundeskreis, den ich mir am Ende der Hauptschule aufgebaut hatte, nachdem ich einige Leute vom Gymnasium und der Realschule kennen lernte und dort gute Freunde fand, die mich respektierten.
In der ganzen Schulzeit litt ich unter der panischen Angst, vorlesen zu müssen oder an die Tafel zu kommen (alle Augen auf mich, dazu mein zittern, Röte), ich bin sogar einmal an der Tafel kollabiert, als mich eine Lehrerin da 13 Minuten wie ein Ochse stehenliess, ich konnte die Aufgabe eben nicht, totaler Blackout, dann wurde mir schwarz vor Augen.
Selbst im Klassenraum zu sitzen war die Hölle, da ich mir sicher war ständig beobachtet zu werden.
Daher machte ich meistens den Clown um meine Unsicherheit zu überspielen, was sich natürlich auswirkte und eher als Störer bei den Lehrern galt.
Ich blieb sitzen, wegen schlechten Noten und war total demotiviert, zudem stiegen meine Ängste.
Da ich schon vorher meine ersten Erfahrungen durch Partys mit Alk. und Dro. machte, floh ich mich in den Konsum (neben stundenlangen vorm Rechner hocken, lesen, Gitarre spielen).
Mit meinen Freunden wurden wir quasi zur Klischee Zocker- und *beep*. Für mich perfekt, da ich nur gute Freunde um mich hatte und keinen Kontakt zu anderen.
Auch hatte das *beep* für mich den Vorteil, dass ich mal wieder zugedröhnt in die Schule gehen konnte, da ich vorher aufgrund meiner Ängste oft blau machte. Natürlich vergeigte ich die Schule.
Nach Jahren in ABM's (die Hölle für mich fremde Leute, andauernd Gruppenarbeit, sich vorstellen, Bewerbungstraining) und meinem Wehrdienst, bekam ich eine Lehrstelle im kaufmännischen Bereich. Bis auf den Kundenkontakt (das Telefon war mein Feind), ging auch alles gut. Der Betrieb ging Insolvent und ich stand wieder da.
Wieder mal der Loser, anderseits war ich erleichtert, da die Berufsschule für mich der Horror war, zwar gute Leistung aber ich war wohl für die meisten Mitschüler das arrogante A**** das nur mit wenigen redet, auf schlau macht, zudem war ich neben einem anderen weitaus älter als der Rest.
Die größte Erleichterung war aber, dass ich endlich nicht mehr morgens mit der Straßenbahn fahren musste, die meist überfüllt war. Manchmal musste ich vorher aussteigen und hab mich erstmal übergeben, da ich totale Panikattacken in der Menschenmenge bekam. Die Hinfahrt zur Arbeit war für mich anstrengender als der Job selbst, dementsprechend unkonzentriert war ich auch schon morgens um 8.
Jetzt mit Ende 20 habe ich meinen kleinen Freundeskreis neu aufgebaut, zum Glück ab nächste Woche eine Teilzeitstelle aber die Ängste sind immer noch da.
Ich fühle mich wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Im engen Freundeskreis, bin ich gesprächig, geb auch schonmal die Richtung an, sobald andere Bekannte von meinen Freunden dazu komme, ergreife ich unauffällig die Flucht oder halte mich eben total zurück. Zudem sind alle ein paar Jährchen jünger, bei gleichaltrigen kommt die Panik automatisch hoch, ich fühl mich als Loser, soetwas wie Blickkontakt unmöglich.
Wenn ich alleine meine Sachen auf die Reihe bekommen muss, bin ich ein total veränderter Mensch. Sei es nur in der Kassenschlange zu stehen, bezahlt wird ausschliesslich mit Schein. Amtsgänge sind genau so ein rotes Tuch, ich hab jetzt schon Bauchschmerzen wegen eines Termins übermorgen. Die Leute sind nett, ich hätte kein Grund für die Panik, aber sie ist da.
Wenn jemand auf der Straße hinter mir geht, bekomme ich weiche Knie, bekomme einen torkelnden Gang, einfache eine totale Unsicherheit.
Wenn jemand längere Zeit vor mir geht, mache ich Umwege, da die Person ja denken könnte, ich verfolge sie (ich sag mir selbst Schwachsinn, aber die innere Stimme ist stärker.)
Damals bin ich gerne auf kleine Konzerte gegangen, aber mir ist das nur möglich wenn ich vorher „vorgeglüht“ habe.
Ich habe schon versucht kleine Anfänge zu machen, wie in der nächst größeren Stadt, einfach mal durch die ziemlich lange Fußgängerzone zu gehen. Forget it: Ich schaffe es nicht, nach einiger Zeit flüchte ich in die Nebenstraßen und fühle mich wie nach einem Gewaltmarsch und bin total aufgelöst.
Ich fühle mich permanent beobachtet von Leuten, kann Leuten nicht in die Augen schauen, stottere, schwitze wie Sau. Dadurch komme ich natürlich in einen Teufelskreis, da ich nun wirklich einen Grund habe mich zu schämen.
Falls jemand bis hier gelesen hat: Wie soll ich vorgehen? Direkt bei einem Therapeuten einen Termin ausmachen oder erstmal zum Hausarzt gehen. (wenn ich mich überwunden bekomme.)
Ich steh momentan echt auf der Leitung und will diese sch*** Ängste, Panikattacken und falsche Scham loswerden und mich nicht 40 Minuten mental vorbereiten um auf die Straße zu gehen.
Ich hoffe ihr könnt mir ein paar Tipps geben.
Achja, das mit dem Alk und den Dro. hab ich extrem zurückgeschraubt, aber manchmal muss es sein, wenn ich abends total fertig bin um abschalten zu können, da ich sonst kein Auge zubekomme.
28.05.2008 12:03 • • 13.06.2008 #1