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Ich bin ziemlich schüchtern und die Schüchternheit belastet mich sehr. Ich habe das Gefühl, dass ich mir dadurch Chancen verbaue und ich unglücklicher bin, als ich eigentlich sein müsste.
Ich bin jetzt 23 und habe gerade meine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester angefangen, davor hab ich nach dem Abi lange als Aupair in England gearbeitet, weil ich mich nicht entscheiden konnte, was ich machen möchte und zwar, weil ich davon überzeugt bin, dass ich nichts richtig gut kann. Ich habe vor allem Angst, was andere Menschen betrifft, kann mir aber auch nicht vorstellen, etwas zu machen, wo ich mit Menschen nichts zu tun habe.
Mein Abischnitt hätte bestimmt eine ganze Note besser sein können, wenn ich mich im Unterricht mündlich in irgendeiner Form beteiligt hätte.
Und jetzt wurde mir in der Ausbildung zum wiederholten Male gesagt, dass ich mich einfach mehr einbringen muss, weil ich sonst untergehe und dass ich mir noch mal überlegen soll, ob das wirklich der richtige Beruf für mich ist. Ich denke schon, dass ich eine gute Kinderkrankenschwester sein kann, aber es stimmt, dass ich ein riesiges Problem mit Kommunikation habe. Meine Anlernschwester sagte mir, dass ich dadurch lustlos und desinteressiert wirke, was ich definitiv nicht bin. Ich werde für blöd gehalten, weil ich meinen Mund einfach nicht aufbekomme, sei es in der lockeren Runde mit Bekannten/Kollegen oder eben bei der Arbeit.
Ich habe vor meiner Ausbildung auch ein Jahr studiert, relativ weit weg von zu Hause, in einer Stadt, wo ich halt niemanden kannte. Dort hatte ich sozial überhaupt keinen Anschluss und bin vollkommen vereinsamt, was mich echt belastet hat, es gab Tage, an denen ich nur weinend zu Hause saß. Ich verstehe nicht, warum ich solche riesigen Probleme damit habe, Freunde zu finden, für alle Anderen scheint das doch das einfachste von der Welt zu sein, für mich ist es das Schwerste.
Obwohl ich eigentlich in der Familie und auch unter meinen engen Freunden, die ich schon 10 Jahre kenne eigentlich jemand bin, der andauernd Scherze macht und Blödsinn redet. Ich bin intelligent und besitze gesunden Menschenverstand. Ich weiß nicht, warum ich das nicht zeigen kann, wenn ich mit fremden Menschen zusammen bin.
Ich habe extreme Hemmungen. Ich kann einfach andere Menschen nicht an mich heran lassen. Dabei geht es nicht nur um tiefe Freundschaften und Beziehungen, sondern ich kann noch nicht einmal eine lockere Beziehung zu Kollegen aufbauen. Ich habe das Gefühl, dass es eine riesige unüberwindbare Mauer um mich herum gibt.
Ich bin ja schon stolz darauf, wenn ich es hinkriege, einen bedeutungslosen kurzen Smalltalk mit jemandem, den ich noch nicht lange kenne, zu halten. Ich verstehe nicht, dass das so schwer für mich ist. Ich halte dadurch Menschen, die mir wichtig sind oder die ich sehr gerne mag, total auf Abstand, obwohl ich eigentlich gerne eine engere Beziehung zu denen haben würde. Darunter leide ich dann natürlich und die andere Person denkt, dass ich sie nicht mag, obwohl das ja nicht so ist.
Außerdem habe ich Angst davor, aufzufallen. Daher die mangelnde mündliche Beteiligung in der Schule, deswegen traue ich mich nicht, mich für Dinge, die mir wichtig sind einzusetzen, deswegen bringe ich mich in der Ausbildung nicht ein. Ich bin immer nur das kleine Mäuschen, von dem alle denken, dass es nicht viel auf dem Kasten haben kann.
Ich weiß, dass ich mir dadurch nicht nur, aber vor allem berufliche Möglichkeiten verbaue. Ich habe mehr drauf, aber wenn ich so weiter mache ende ich als Putzfrau oder so. Mit wird oft gesagt mach doch einfach, und manchmal denke ich das selber auch, aber es geht eben nicht so einfach. Ich bin zu alt um noch darauf zu hoffen, dass sich das verwächst und ich denke, dass ich es nicht selber in den Griff bekomme. Ich möchte nicht mehr, dass diese Schüchternheit mein Leben bestimmt. Ich möchte Dinge bewegen und verändern, mich einsetzen und ich MÖCHTE auffallen! ich weiß nur nicht, wie ich es hinkriege, dass ich das auch kann!
Ich denke, dabei kann mir eine Verhaltenstherapie helfen, oder was meint ihr, was sinnvoll für mich wäre? Ich habe einerseits Angst, zum Arzt zu gehen, weil ich Angst habe, dass ich nicht ernst genommen werde, andererseits will ich wie gesagt, unbedingt was ändern, sodass ich fähig bin, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

LG, Kathy

29.10.2011 22:21 • 30.10.2011 #1


1 Antwort ↓

Hi,

laß mich raten.
die Schüchternheit hast Du schon seit der Kindheit und jetzt, wo es hart auf hart kommt, wird Dir das Ausmaß bewußt - eben, daß das nicht normal sein kann.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird der Grund des Sees - das Unterbewußtsein - aufgewült und die seelischen Ablagerungen (negative Erfahrungen, Unterdrückung) an die Oberfläche gewirbelt.
Akzeptiere Deine Schüchterheit und versuche, damit zu leben.
Man kann sie nicht wegzaubern, nur lernen, sie als einen Teil Deiner Persönlichkeit anzunehmen. Sei Du selbst, mit allen Schwächen und Stärken.
Es ist natürlich ärgerlich, nicht wie die anderen frei und ungehemmt durch s Leben zu gehen. Das wurmt mich auch total.

Wenn Dir der theoretische Teil der Krankheit klar ist - nämlich der sozialen Phobie, dann geht's an die Verhaltenstherapie.
Ich glaube nicht, daß in der Kürze der Zeit, wie sie bei Therapeuten stattfindet, etwas bewirkt. Es gibt Impulse, aber keine dauerhafte Heilung.
Sozialer Streß über lange Zeiträume helfen mehr, obwohl Du den ja hast auf der Arbeit - und Du immer wieder in alte Muster des Zweifels zurückkehrst.
Trotzdem hilft die harte Konfrontation, um Dich da durchzukämpfen und zu erkennen, was Du alles ertragen kannst. Irgendwann ist die Angst so klein mit Hut, daß man sie vergißt.
Das erlebe ich oft, wenn ich mich harten und langen Konfrontationen mit der Angst stelle.
Es ist anstrengend - jedesmal.


Liebe Grüße,
Joachim





Dr. Reinhard Pichler
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