Halli - Hallo Bessie!
Es tut gut zu lesen, dass ich nicht alleine auf der Welt bin mit diesem Defizit.
Lange Zeit habe ich meiner Family nix von meinem Leiden (ich nenne das jetzt hier mal so) erzählt. Klar haben die sich grosse Sorgen gemacht, dass ich so oft Alk. getrunken habe. Irgendwann nach 7 Jahren Missbrauch (habe aber nur dann getrunken, wenn ich es für mich erforderlich hielt, nicht täglich) hatte ich es leid und ich habe mir alles von der Seele geredet. Ich werde das nie vergessen, es war sehr schmerzhaft für mich und auch mit grossem Scham behaftet. Wollte ich doch immer sein wie alle anderen, die das nicht haben.
Also nun mal zu den Betablockern: Als ich damals in der Psychiatrie war, hat man bei mir diese Betablocker angesetzt (3 x tgl. 40mg). Ich fand es damals nervig, drei mal am Tag diese Betablocker einnehmen zu müssen, habe sie dann irgendwann auf eine Tablette am Morgen reduziert. Des Weiteren hatte ich auch keine Lust, ein mal im Monat zum Neurologen zu laufen und mir wieder ein Rezept dafür zu holen. So reichte ein Packung immerhin drei Monate.
Bei mir ist der Tremor ganz stark von den an mich gestellten Aufgaben also der davor habenden Angst abhängig. Er ist definitiv immer da, aber variert er in der Stärke. Muss ich was machen, wo man ihn deutlich sehen kann (z.B. beim Einschenken eines Getränks für einen anderen), macht mir das extrem Druck und er wird deutlich schlimmer. Das hängt aber auch davon ab, in wie weit mir diese Person symphatisch ist. Mag ich den Menschen nicht und ich befürchte, dass er wg. des Zitterns über mich redet, wird es schlimmer.
Bin ich alleine und entspannt, stört mich das leichte Zittern kaum. Aus Deinem Schreiben gewinne ich den Eindruck, dass Du Dich auch viel zu sehr verrückt machst und Du nicht willst, dass man es sehen könnte. Das war früher auch immer mein Denken. Inzwischen bin ich aber (dank einer Psychotherapie) dahin gekommen, dass es wirklich sehr sinnvoll ist, es den Leuten, die einen darauf ansprechen, direkt zu sagen, dass man das halt hat und nichts dafür kann. Geht bei mir inzwischen ohne Tränen.
Es macht mich zwar immer wieder traurig , aber der Druck ist weg. Menschen die Dich mögen, werden den Tremor entweder akzeptieren oder sie sind es nicht wert, von Dir gemocht zu werden. Aber ich denke, das erste wird eher der Fall sein, da doch jeder Mensch seine Schwächen hat. Steh zu Deiner Schwäche und Du wirst merken, dass es stark macht, seine Schwächen zuzugeben. Wie ist der Tremor bei Dir, wenn Du alleine ohne die Kollegen bist?
Klar gibt es Situationen, die auch ich vermeide. Ich gehe z.B. in kein Restaurant (Essen mit Messer und Gabel? No way...!) und auch in keine Lokalität, wo es nur Getränke gibt. Ich hasse diese vollen Gläser. Somit wurde ich auch zu einem NICHT-Kaffeetrinker. In die Eisdiele z.B. gehe ich hin, da ich gut mit meiner rechten Hand ein Eis löffeln kann, was ich auch sehr geniessen kann. Dennoch habe ich leider nicht so viele soziale Kontakte, da diese Krankheit einen einschränkt und einen ein Stück weit einsam macht. In meinem Beruf habe ich viel mit dementen Menschen zu tun, sodass ich nach Feierabend froh bin, wenn ich hinter mir die Tür zumachen kann.
Noch mal zum Leponex: das hat bei mir gar nix geholfen. Im Kopf habe ich mich gefühlt, als hätte ich ein wenig Alk. getrunken, war ein wenig benommen und oft auch richtig müde. Ein weiterer Nachteil war mein nie endener Appetitt. Ich hätte immer essen können, was ich auch ganz schnell auf der Waage gemerkt habe. Lästig waren auch die wöchentlich erforderlichen Blutentnahmen. Nach ca. sechs Wochen haben wir das ganze wieder abgesetzt.
Ich komme wie Du aus Hessen und habe leider auch keine Selbsthilfegruppe, wo nur Menschen higehen, die an solch einer Krankheit leiden.
So liebe Bessie... vielleicht konnte ich Dir ein wenig weiterhelfen.
Viele liebe Grüsse aus Oberhessen...