App im Playstore
Pfeil rechts
3

Hallo in die Runde!

Hoffentlich bin ich in diesem Unterforum richtig. Falls nicht, bitte verschieben. Danke!

Also . bei mir wurde eine ÄVPS diagnostiziert.

Nun kriege ich mich nicht sortiert.

Ich war mal in einer Langzeittherapie, die primär endete, weil ich mit zu den allerletzten Patienten des Therapeuten gehörte, bevor er in Rente ging. Sie endete 2018 nach 4 oder 5 Jahren. Damals hat mein Therapeut nie eine Diagnose nennen wollen; er meinte, dass mir das nichts brächte und dass das, was ich habe, am ehesten als ein großes Knäuel von Verwicklungen betrachtet werden könne. Beim Beantragen der Therapie war von irgendwelchen F-Diagnosen die Rede, an die ich mich aber nicht so recht erinnere.

Die letzten Jahre waren wild und ich weiß gar nicht, wo ich wirklich anfangen soll. Mein Hausarzt hat mich diverse Male zum PT überwiesen, weil ich immer wieder mit allerlei Krempel bei ihm war; wegen echter Infekte, klinisch, aber bei generell super Blutwerten, ich sei sogar (Zitat) kardiovaskulär ein sehr junger Mann. Naja, dann kam Corona, dann kam dies, das und jenes und einen Job habe ich ja auch noch . seit Januar diesen Jahres habe ich auf die Hälfte reduziert, um mich um mich zu kümmern. Das gelingt mir leidlich, war aber meine Motivation.

Aber wie auch immer, jetzt hatte ich 6(!) Termine beim PT. Auch wenn es anfangs rumpelte, glaube ich, Glück mit ihm gehabt zu haben. Es ging bisher ausschließlich um meine Symptome, nur periphär um den Biographiekram.

Nun präsentierte er mir seine Diagnose: ÁVPS. Er erklärte mir auch mit gefühlt 1000 Auswertungsbögen, wie er darauf kam. Und es war für mich klar nachvollziehbar und auch drastisch. Und ich erkenne mich sehr in den Kriterien wieder.

Aber ich habe Schiss davor, dass die Diagnose irgendwie falsch ist. Denn vieles, was ich zur ÄVPS lese, trifft zwar zu. Aber manches stimmt halt gar nicht, weil ich dafür im Lebensalltag - nach außen, vor allem in beruflichen Situationen, die mitunter enorm sozial sind, mit mir im Mittelpunkt sprechend vor wirklich großen Menschenmengen - oft zu gut funktioniere. Ich meide gleichzeitig sehr viele soziale Situationen. Beispielsweise Betriebsfeiern. Ich versuche mir immer, da irgendwie Urlaub zu nehmen oder mich wegzuschummeln Ich will nicht zurückgewiesen werden, mich nicht wertlos fühlen . und da sind wir bei einem schrägen Punkt: Ich habe Angst davor, ertappt zu werden, einfach _wirklich_ wertlos und sh1ce zu sein. Obwohl ich es irgendwie - rational gesehen - weiß, dass ich nicht wertlos bin. Aber da ist ein Zahn der immer nagt.

Meiner Meinung nach und auch aus Sicht meines Psychologen habe ich nichts Depressives. Tatsächlich bin ich voller Hoffnung, und auch voller Zuversicht, so oft. Und ich liebe Menschen, ich liebe Probleme und sie zu lösen. Ich weiß, dass ich irgendwie quasi alles schon geschaukelt kriege und dass ich sehr selbstständig bin und auch sein will. Abhängige Themen habe ich also auch nicht, im Gegenteil. Ich vermeide, dass Menschen mir was Gutes tun und kann das auch nur extrem schlecht annehmen. Ich will und muss alles(!) aus eigener Kraft schaffen. Und ja, das meiste krieg ich auch gut hin. Manchmal bin ich auch schon gescheitert.

Ich komme mal zum Punkt, sorry. (Übrigens: Mir wird wahnsinnig oft gesagt, ich solle mich nicht so viel entschuldigen und nicht so oft Danke sagen.)

Wie kann ich eine ÄVPS haben, wenn ich doch eigentlich WILL, dass es anders ist bei mir. Ich liebe Menschen. Ich würde mich am liebsten tagelang durch irgendwelche Städte quetschen und mit allen möglichen Menschen reden, mich treiben lassen, so wie ich es durch seltsame Zufälle durchaus auch schon erlebt habe. Ich weiß, dass ich das gut könnte. Wenn ich doch nur könnte, und nicht . k_cke wäre und irgendwie doch so viel verbocke, weil ich mich nicht traue. So igele ich mich nur ein. Schon immer. Kontakte kriege ich nur, weil irgendwas in mir irgendwie gut funktioniert, was ich nicht in Worte fassen kann, was sich aus dem Leben ergibt, das ich gewzungen bin, zu leben. Meine Kontakte sind Nebenprodukte der Arbeit (da hab ich schon 'ne Menge durch, bin sehr gut ausgebildet und hatte wahnsinnig oft enormes Glück). Und von Singlebörsen. (Ich hatte schon einige Partnerschaften, die unter meinen Ängsten durchaus sehr litten. Aber ich kann irgendwie erschreckend gut mit den Mädels. Obwohl ich echt kein Adonis bin.)

So, zum Punkt jetzt: Wäre es bei einer ÄVPS nicht so, dass ich gar kein Bedürfnis hätte, etwas zu ändern? Ich komme mit der Abgrenzung von Phobie und Störung nicht klar. Also ich verstehe die Konzepte nicht. Sollte ich als ÄVPSler das, was ich oben beschrieb, nicht als Teil meiner Persönlichkeit anerkennen und es auf sich beruhen lassen und nur von meinem Umfeld um therapeutische Hilfe gebeten werden?

Laut Wikipedia wird eine ÄVPS von den Betroffenen eher als Ich-synton, also als zur Persönlichkeits gehörend empfunden. Ich meine, es ist ja so, dass ich eben ich bin. Und da gehört das mit den Ängsten dazu und meine Strategien, damit klar zu kommen, gehören dazu. Das bin ich.

Aber bedeutet, was ich schrieb, nicht auch, dass das alles in mir, mit den Problemen die ich habe, nicht Ich-synton ist? Also: Ich wäre gerne anders. Ich habe einen mir innewohnenden Drang, die Sache loszuwerden. Das aber schon, seit ich Teenie bin.

Also final: Kann ich eine ÄVPS haben, wenn ich doch eigentlich anders sein will?

Ich weiß, dass ich mich vielleicht total beknackt ausdrücke. Und ich möchte niemandem von Euch vor den Kopf stoßen. Ich möchte Euch hiermit um Hilfe bei der Einordnung bitten, damit ich den Kram besser verstehe. Ich weiß gar nicht, ob es gerechtfertigt ist, dass ich diese Diagnose mit dem ganzen Brimborium an Therapie kriege. Dafür klappt doch zu viel zu gut.

Meinen Psychologen sehe ich jetzt einige Wochen leider nicht.

Dankeschön! Und sorry für diesen Erguss. Ich weiß mich echt nicht auszudrücken.

04.06.2024 23:00 • 26.08.2024 #1


7 Antworten ↓


Ich habe auch diese Diagnose. Zuerst hieß es nur soziale Phobie, später wurde es zu ÄVPS ausgeweitet. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen davon und es müssen auch nicht alle Kriterien auf einen selbst zutreffen.
Ich selbst war froh um diese Diagnose, weil ich endlich eine Erklärung dafür hatte, warum ich nicht bin wie andere. Ich habe auch keine Probleme mit Menschen, solange ich keine enge Bindung mit ihnen eingehen muss. Mir macht es nichts aus unter Menschen zu sein, kann in die Stadt, bummeln gehen usw. und ich kann inzwischen auch ganz gut lockere Kontakte knüpfen. Früher war das auch ein großes Problem. Was bei mir nie ging, ist eine partnerschaftliche Beziehung einzugehen. Sobald ein männliches Wesen in meiner Nähe ist, verkrampft sich in mir alles und ich haue ich ab. Und mein anderes großes Problem ist, vor Menschen zu reden, den Boss zu spielen, im Mittelpunkt zu stehen und mich zu blamieren. Ich habe das trotzdem 20 Jahre als Lehrerin gemacht und das hat vom ersten Tag an zu extremen Schlafstörungen geführt und das wiederum zu Depressionen und Nervenzusammenbrüchen. Ich habe in dieser Rolle auch nach außen hin gut funktioniert, aber irgendwsnn ging es nicht mehr und ich war fast ein Jahr krank geschrieben. Nach 20 Jahren und Dank der Diagnose ÄVPS konnte ich aus dem Schuldienst raus und bin im Ministerium in der Verwaltung. Jetzt geht es mir gut.
Mir macht es also nichts aus die Diagnose ÄVPS zu haben, auch wenn nicht alle Kriterien davon auf mich zutreffen. Ich bin gern allein und unabhängig, habe aber nichts gegen Menschen und manche mag ich sogar sehr gern. Übrigens gibt es zwei Varianten der Störung: die kühl-distanzierte und die nachgiebig-ausnutzbare. Ich gehöre zur ersten Gruppe.
Ich habe hier in Forum schon von anderen Usern mit der Diagnose ÄVPS gelesen, die sie lieber nicht hätten und sich damit nicht wirklich identifizieren wollen, so wie du es auch empfindest.
Aber was wäre überhaupt daran schlimm, wenn es eine falsche Diagnose wäre? Es ist ja nicht so, dass dein Leben davon abhängt. Du bleibst ja so wie du vor der Diagnose warst.

A


Diagnose ÄVPS - aber ist es das wirklich?

x 3


Hallo Drifter,

willkommen hier im Forum.

Zitat von drifter:
bei mir wurde eine ÄVPS diagnostiziert.

Was stört Dich daran? Aus Deiner Beschreibung kann ich das nicht so recht entnehmen.

Zitat von drifter:
Damals hat mein Therapeut nie eine Diagnose nennen wollen; er meinte, dass mir das nichts brächte und dass das, was ich habe, am ehesten als ein großes Knäuel von Verwicklungen betrachtet werden könne.

Auch ich finde, Dein Therapeut hatte klug gehandelt, wenn er Dir keine bestimmte Diagnose genannt hatte.
In vielen Fällen helfen Diagnosen wenig. Was hilft Dir eine Diagnose? Du zweifelst die Diagnose
doch sofort wieder an.

Zitat von drifter:
Nun präsentierte er mir seine Diagnose: ÁVPS.

Zitat von drifter:
Und ich erkenne mich sehr in den Kriterien wieder.

Zitat von drifter:
Aber ich habe Schiss davor, dass die Diagnose irgendwie falsch ist.


Dann frage doch nicht nach einer Diagnose, wenn Du sie nicht glaubst.


Zitat von drifter:
Denn vieles, was ich zur ÄVPS lese, trifft zwar zu. Aber manches stimmt halt gar nicht, weil ich dafür im Lebensalltag - nach außen, vor allem in beruflichen Situationen, die mitunter enorm sozial sind, mit mir im Mittelpunkt sprechend vor wirklich großen Menschenmengen - oft zu gut funktioniere.

Zitat von drifter:
Ich meide gleichzeitig sehr viele soziale Situationen. Beispielsweise Betriebsfeiern.

Zitat von drifter:
Ich will nicht zurückgewiesen werden, mich nicht wertlos fühlen .

Zitat von drifter:
Obwohl ich es irgendwie - rational gesehen - weiß, dass ich nicht wertlos bin. Aber da ist ein Zahn der immer nagt.

Zitat von drifter:
Ich vermeide, dass Menschen mir was Gutes tun und kann das auch nur extrem schlecht annehmen.


Du beschreibst hier klar, wo Deine Probleme liegen.
Darf ich das mal als eine ganz einfache und normale Angststörung bezeichnen? Nichts so wirklich
Schlimmes. Du solltest nur mal daran anfangen, sie zu beseitigen.

Zitat von drifter:
Wäre es bei einer ÄVPS nicht so, dass ich gar kein Bedürfnis hätte, etwas zu ändern?

Zitat von drifter:
Ich komme mit der Abgrenzung von Phobie und Störung nicht klar. Also ich verstehe die Konzepte nicht.


Das brauchst Du Dich doch gar nicht zu fragen. Welchen Sinn machen Deine Überlegungen?

Zitat von drifter:
Ich komme mal zum Punkt, sorry.


Ich versuche Dich mal auf etwas aufmerksam zu machen.
Das könnte Dir jetzt sehr, sehr weh tun. Aber was soll ich denn anders sagen.

Ich finde, Du stellst Dir hier selbst die genaueste Diagnose Deiner Angststörung.

Du kommst nicht auf den Punkt.
Es scheint Dir sehr schwer zu fallen, Gedanken und Deine schriftlichen Ausführungen so auszudrücken,
dass sie von anderen Menschen und sogar von Dir selbst verstanden werden und auch akzeptiert werden können.
Alles, was Du sagst kann richtig sein. Aber vielleicht ist es Deiner Meinung ja auch falsch?
Wie willst Du mit wenig Angst leben, wenn Du Dir nie sicher bist, was für Dich richtig ist?


Viele Grüße
Bernhard

Guten Morgen liebe Schlaflose,

dankeschön für Deinen Text. Ich werde später ausführlich antworten, muss jetzt erstmal zur Maloche. Kurz zu Deiner Rückfrage: Es wäre nur insofern schlimm, als dass die Therapie mit einer möglicherweise falschen bzw. nicht wirklich zutreffenden Diagnose eventuell eine falsche Richtung nimmt. Ich würde gerne das Richtige tun (bzw. tun lassen), sodass sich irgendwas in mir löst. Damit identifizieren könnte ich mich schon, irgendwie, ich könnte sie mir auch erklären, also woher sie kommt bzw. worin die Symptome ihre Ursache haben.

Das mit den partnerschaftlichen Beziehungen ist auch so ein seltsames Thema, was gerade vielleicht den Rahmen sprengt. Je näher, desto schwieriger werde ich. Aber ich sehnte mich immer sehr danach.

Wie auch immer, später mehr, ich danke Dir! Hab einen schönen Tag.

---

Und dann direkt an Bernhard: Auch Dir vielen Dank!

Du triffst da eine Menge sehr auf den Kopf (oder: erkennst den Punkt ). Besonders die letzten drei Sätze vor Deiner Grußformel. Ich weiß eben nicht, was richtig ist. Ich habe oft starke Meinungen und einen klaren Blick auf Sachverhalte. Die gehen aber stets auch mit der Frage einher, was ich vielleicht übersehe. Mein Kopf rast oft sehr. Auch Dir würde ich gerne später nochmal ausführlich antworten, auch um mich zu sortieren. Mein Chef heißt übrigens auch Bernhard und der wartet sicher auf mich.

Bis später und dankeschön nochmals.

PS: Ich halte die Diagnose nicht für schlimm, sie stört mich nicht. Ich tu mich schwer damit, sie zu akzeptieren, weil es so viele Ja, aber.... gibt. Ich wollte die Diagnose nicht an sich negativ bewerten. Ich möchte zielgerichtet arbeiten und hab Angst, in die falsche Richtung aktiv zu werden.

PPS: Ja, was ist richtig. Verdammt gute Frage. Ein wirklich guter Mensch zu sein. Das ist mir echt wichtig. Und ich bin oft dran gescheitert.

Vielen Dank für Deine Antwort.

Zitat von drifter:
Du triffst da eine Menge sehr auf den Kopf

Zitat von drifter:
Ich weiß eben nicht, was richtig ist.


Das ist für mich sehr einfach zu erkennen.

Ich habe Therapeuten gegenüber einen deutlichen Vorteil. Solange mich die Forenleitung hier nicht
einschränkt, darf ich frei mein
e Meinung schreiben. Auch auf die Gefahr, dass ich hin und wieder
mal falsch liege.


Therapeuten und Psychologen dürfen und wollen das aber nicht. Sie haben Angst davor,
Dir an einigen Stellen ehrlich zu sagen, was sie denken.
Könnte man also sagen, dass viele Therapeuten auch eine leichte Form einer Angststörung haben?
Keine Zivilcourage haben? Keine guten Menschen sein wollen?
Welche Diagnose sollte man ihnen geben?
Was passiert, wenn Du Dich irgendwo beschwerst, wegen Falschbehandlung, weil sie die nicht
erkannte Schwere Deiner Erkrankung falsch eingeschätzt haben? Droht ihnen dann ein Strafe?
Oder ein Berufsverbot? Ist es da nicht einfacher mit den Patienten gemeinsam herum zu eiern?
Wenig hilfreiche Gespräche über Diagnosen und Symptome zu führen?
Bezahlt bekommen sie die Stunden doch trotzdem.
Und die vielen, vielen hervorragenden Therapeuten und Psychologen, werden die durch solches
Verhalten dadurch nicht deutlich unterbewertet. Können sich von der Masse manchmal nur wenig
abheben. Was ist denn da richtig und was ist da falsch?

Zitat von drifter:
Ich habe oft starke Meinungen und einen klaren Blick auf Sachverhalte. Die gehen aber stets auch mit der Frage einher, was ich vielleicht übersehe.


Warum vertritts Du Deine Meinung dann nicht häufiger klar und deutlich? Verteidigst Deine Meinung.
Ich mache das hier doch auch.
Wenn irgendjemandem meine Sichtweise nicht gefällt, dann kann derjenige mir das ja sagen.
Ich habe natürlich nicht immer Recht, mit dem, was ich sage.

Zitat von drifter:
Ja, was ist richtig. Verdammt gute Frage.


Was richtig ist, ist ehern einfach herauszufinden. Man muss seine Meinung aussprechen.
Andere Menschen werden Dir dann meistens sagen, wie sie das sehen.
Dann kannst Du schnell herausfinden, wer die besseren, sachlichen Argumente hat.
Die anderen oder eher Du. Dann weißt Du doch, was für Dich richtig oder eher richtig ist.

Zitat von drifter:
Ein wirklich guter Mensch zu sein. Das ist mir echt wichtig.

Ich finde, damit hast Du ein gutes Ziel. Ich schließe mich Dir an.
Leider sind wir aber in der Minderheit. Der Egoismus der meisten Menschen verhindert es oft,
als angenehme Mitmenschen öffentlich aufzutreten.
Und sehr viele gute Menschen sind Angsthasen. Sie haben Angst, offen in der Gesellschaft
für andere Menschen einzutreten. Ihre Lebenseinstellung ist. Lieber den Mund halten. Dann kann
nicht viel passieren.

Zitat von drifter:
Und ich bin oft dran gescheitert.

Warum bist Du daran gescheitert.
Du kannst Dich darin immer weiter verbessern. Lass Dir Dir dieses Ziel nicht nehmen, wenn Du
es ehrlich meinst. Das kann Dir Kraft und einen Lebenssinn geben.

Zitat von drifter:
Kurz zu Deiner Rückfrage: Es wäre nur insofern schlimm, als dass die Therapie mit einer möglicherweise falschen bzw. nicht wirklich zutreffenden Diagnose eventuell eine falsche Richtung nimmt. Ich würde gerne das Richtige tun (bzw. tun lassen), sodass sich irgendwas in mir löst.

Naja, eine ÄVPS ist, so viel man darüber liest, im Prinzip sowieso kaum therapierbar. Man kann damit eventuell eine gewisse Besserung seiner Situation damit erreichen, aber mehr nicht.
Ich habe sowohl die Diagnose SP als auch die ÄVPS gar nicht persönlich von den Therapeuten erhalten, die sie gestellt haben. Von der SP habe erst durch den Abschlussbericht der 8-wöchigen psychosomatischen Reha erfahren, die ich 2009 wegen meinen Schlastörungen machte. Von der ÄVPS erfuhr ich 2011 durch den Bericht meines damaligen Therapeuten, mit dem er versuchte, zu erreichen, dass ich eine Stelle im Ministerium bekomme. Während der Therapie wurde gar nicht darauf eingegangen. Diese Therapie machte ich auch gegen die Schlafstörungen, genauso wie 3 weitere ambulante Therapien in den Jahren zuvor. Mir ging es immer in erster Linie darum, meine Schlafstörungen wegzubekommen. Und dies war eben nur durch die Änderung meiner Lebensumstände möglich, sprich den Berufswechsel. Mit meinen sozialen Unzulänglichkeiten an sich kann ich gut leben, solange ich nicht von außen dazu gezwungen werden, Dinge zu tun, die gegen meine Natur sind.
So wie du deine Symptome beschreibst, hört sich das aber alles absolut nach ÄVPS an. Ich wüsste keine andere psychische Störung, auf die das auch zuträfe.
Entscheidende Unterschiede zwischen SP und einer ÄVPS sind zum einen, dass die SP auf begrenzte von außen kommende Umstände zurückgeführt wird, während die ÄVPS sich auf sehr viele Lebensbereiche bezieht (wird auch manchmal als generalisierte Soziale Phobie bezeichnet) und wie du schon selber schriebst, als Ich-synton wahrgenommen wird. Ich-synton heißt aber nicht, dass man es nicht lieber anders haben würde. Ich-synton bedeutet, dass man sich bewusst ist, dass das Problem aus einem selbst kommt und nicht durch äußere Umstände verursacht wird. Wer eine simple Soziale Phobie (z.B. Redeangst vor Publikum) hat, führt das nicht auf seine Persönlichkeit zurück, sondern einfach nur auf diese einzige Situation. So etwas lässt sich durch Konfrontation recht leicht therapieren. ÄVPS ist sehr viel komplexer und nicht mit einfacher Konfrontation zu beheben. Ich habe ja im Schuldienst 20 Jahre lang Konfrontation gemacht, aber es hat nicht geholfen, im Gegenteil, es hat mich erst richtig krank gemacht, weil ich ständig meine Persönlichkeit unterdrückt habe.
Was ich meide, sind generell Situationen, wo ich öffentlich in irgendeiner Weise auffallen würde (auch wenn ich z.B. auf der Straße eine Kamera sehe, die Aufnahmen fürs Fernsehen oder Interviews macht, mache ich einen Riesenbogen drum), habe aber kein Problem an z.B. an Betriebsfeiern teilzunehmen, weil ich da unauffällig an meinem Platz sitze. Und wenn es etwas zu essen gibt, ist mir alles andere egal Was ich dann wiederum nicht kann, ist in solchen Situation Smalltalk zu führen. Ich sitze dann meistens einfach schweigend da und esse. Oft gehe ich direkt, nachdem ich mit Essen fertig bin, vor allem, wenn nicht meine unmittelbaren Kollegen mit am Tisch sind. Mit denen komme ich immer sehr gut aus und habe bei ihnen keine Sprechblockaden, nur bei Fremden der Personen, die ich nur vom Sehen kenne.

Ich habe eine ÄVPS und wäre auch gerne anders, der Leidensdruck ist ziemlich hoch. Insofern widerspricht sich das nicht. Ich kann z. B. auch in einer Menschenmenge vom Outfit her auffallen und es stört mich nicht. Sollte dann aber jemand auffallend starren oder versuchen mit mir ins Gespräch zu kommen, dann ist Feierabend. Dann bin ich unbeholfen, werde nervös und will nur flüchten. Solange ich als Person nicht im Mittelpunkt stehe, so lange gehts.

Ich glaube, wenn Kontakte nicht zu nahe sind, können es einige ÄVPS Betroffene aushalten und funktionieren. Aber sobald es eng wird, gehts nicht mehr. Z. B. beim Dating, da geht vielleicht ein lockeres Date, aber sobald die Person dann mal zu dir nach Hause will etc. wird es schwierig.

Bei mir ist es durch die Jahre der Abwertung und Ausnutzung (wir sind ja leider die ideale Zielscheibe) dazu gekommen, dass ich eine grosse innere Wut habe und schnell ausbreche. Natürlich nie handgreiflich oder abwertend, sondern eher extrem meine Grenzen verteidige. Das kann ich aber auch nur mit Menschen, denen ich vertraue und die ja eigentlich gut zu mir sind. Es tut mir auch jedes Mal furchtbar leid und ich schäme mich.

Leider findet diese Persönlichkeitsstörung nicht so viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Ich glaube, sie ist sehr vielseitig.

Zitat von PavorNocturnus:
Bei mir ist es durch die Jahre der Abwertung und Ausnutzung (wir sind ja leider die ideale Zielscheibe)

Es gibt ja zwei Untergruppen der ÄVPS: die nachgiebig-ausnutzbare und die kühl-distanzierte. Ich gehöre zur zweiten Kategorie und habe mich noch nie abwerten oder ausnutzen lassen.

Zitat von PavorNocturnus:
Z. B. beim Dating, da geht vielleicht ein lockeres Date,

Bei mir ging noch nicht einmal das Schon beim bloßen Gedanken, mit einem männlichen Wesen überhaupt in Kontakt zu treten, kriege ich die Krise.





Dr. Reinhard Pichler
App im Playstore